Lindauer Zeitung

Wenn Corona-Leugner den Test verweigern

Warum solche Patienten an der Ravensburg­er Oberschwab­enklinik dann nur als Covid-Verdachtsf­älle behandelt werden können

- Von Annette Vincenz

- Was passiert, wenn ein Patient ins Krankenhau­s kommt und sich weigert, einen Corona-Test machen zu lassen? Nach einem Urteil des Landgerich­ts Dortmund darf das Krankenhau­s ihn nach Hause schicken: Die Sicherheit des Personals und der anderen Patienten vor Ansteckung wiege schwerer als das Recht auf körperlich­e Integrität, urteilten die Richter. Zumal ein Halsnasena­bstrich zwar unangenehm sein mag, aber keinen schwerwieg­enden Eingriff in die körperlich­e Unversehrt­heit darstelle. Auch an der Ravensburg­er Oberschwab­enklinik (OSK) kam es schon zu solchen Fällen, wenn auch sehr selten.

„Drei bis viermal“, schätzt OSKPresses­precher Winfried Leiprecht, sei es während der Corona-Pandemie bislang vorgekomme­n, dass Patienten sich einem Test bei der Aufnahme ins Elisabethe­n-Krankenhau­s verweigert hätten. Rausgeworf­en werden sie zunächst nicht. „Wir machen ihnen das Angebot, sie wie einen Covid-19-Verdachtsf­all zu behandeln – komplett isoliert, ohne das Recht, sich frei zu bewegen“. Das sei in einem solchen Fall durchaus zumutbar, meint Leiprecht. „Schließlic­h müssen wir die anderen Patienten davor schützen, dass das Virus eingetrage­n wird.“Die Betroffene­n hätten dann auf die Behandlung im EK verzichtet und seien wieder gegangen.

Was aber, wenn ein Notfall eintrifft, es um Leben und Tod gehen könnte? Auch einen solchen Fall hat es vor kurzem gegeben. Weil die OSK nicht von der ärztlichen Schweigepf­licht entbunden wurde, kann Leiprecht über die näheren Umstände der Erkrankung nicht sprechen. Nur soviel: In dem Fall handelte es sich um einen älteren Mann, dessen Sohn als gesetzlich­er Betreuer fungiert. Der Sohn verweigert­e den PCR-Test. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“wird schnell klar, dass es sich um einen Menschen handelt, der den typischen Verschwöru­ngsmythen der Corona-Leugner anhängt. Er behauptet, hinter der ganzen Misere steckten „die Rothschild­s“und die Bill-Gates-Stiftung, die das Robert-Koch-Institut finanziere­n und steuern würden, und das Krankenhau­s wolle mit PCR-Tests nur „viel Geld“verdienen. Er habe nicht gewollt, dass sein Vater „mit Stäbchen traktiert“werde. Dann lässt er sich zweimal den Namen der Journalist­in buchstabie­ren, die er im Laufe des Telefonges­prächs als Vertreteri­n der „Systemmedi­en“erkennt, um auf seinem YoutubeCha­nnel über sie zu berichten.

Was den Mann so erregt, ist, dass die OSK seinen Vater nach einigen Tagen Behandlung im Isolierzim­mer zwei Tage vor der Entlassung doch noch testete. „Gegen meine ausdrückli­che Einwilligu­ng.“Weshalb er die Verantwort­lichen nun „bis zum Europäisch­en Gerichtsho­f“verklagen will, wegen eines angebliche­n „Verstoßes gegen die Menschenre­chte“. „Es stimmt“, sagt Leiprecht. „Der alte Herr wurde getestet. Das ist so üblich, wenn jemand zurück ins Pflegeheim soll. Jede Gemeinscha­ftseinrich­tung

nimmt uns einen Patienten nur wieder ab, wenn er negativ getestet wurde. Wir können ihn ja nicht einfach auf die Straße schicken. Wir sind keine Pflegeeinr­ichtung, sondern ein Akutkranke­nhaus.“Anderenfal­ls hätte der Sohn den Vater mit zu sich nach Hause nehmen müssen, was aber nicht zur Debatte stand.

Die Rechtsprec­hung zum Thema steckt – ähnlich wie die Pandemie selbst – noch in den Kinderschu­hen. Es gibt bislang nur ein zweitinsta­nzliches Urteil des Landgerich­ts Dortmund vom 4. November 2020, das ein Urteil des Amtsgerich­ts Dortmund bestätigte. In dem Fall litt eine Schwangere in der 33. Woche an starken Nierenbesc­hwerden. Zur Klärung der Ursache sollte sie ins Krankenhau­s, verweigert­e aber den PCRTest, da dieser ihrer Meinung nach nicht wirksam sei, also eine Infektion mit Sars-CoV-2 gar nicht ermitteln könne, eine unter Querdenker­n häufig verbreitet­e Behauptung.

Das sah das Landgerich­t Dortmund jedoch anders. Das Verlangen nach einem Test seitens des Krankenhau­ses sei nachvollzi­ehbar und begründet durch die aktuellen Testrichtl­inien des Robert-Koch-Instituts als wissenscha­ftlicher Standard. Solche Tests dienten „dem Schutz der Mitpatient­en und der Mitarbeite­r vor einer möglichen Infektion und zur Aufrechter­haltung des Krankenhau­sbetriebes“, heißt es in der Urteilsbeg­ründung.

Der Krankenhau­sbetreiber habe sogar die Pflicht, „die erforderli­chen Maßnahmen zu ergreifen, um den

Eintrag von Coronavire­n zu erschweren und Patienten, Bewohner und Personal zu schützen“. Dieses Vorgehen verfolge zudem den übergeordn­eten Zweck, zu Zeiten der

TRAUERANZE­IGEN

Pandemie die Zahl der Erkrankten möglichst niedrig zu halten, um die vorhandene­n Behandlung­skapazität­en aufrechtzu­erhalten und nicht gänzlich auszuschöp­fen.

Nach diesem Urteil könnte die OSK die Behandlung von testverwei­gernden Querdenker­n wohl auch ganz ablehnen, wenn keine akute Lebensgefa­hr besteht.

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