Silber und Bronze fürs vorolympische Ego
Die Turner Toba und Dauser tanken bei der EM Selbstbewusstsein für die Tokio-Vorbereitung
(dpa/SID) - Lukas Dauser spannte die Muskeln an, jubelte und umarmte Olympia-Trainer Valeri Belenki herzhaft – wenig später tat es ihm Teamkollege Andreas Toba nach. Mit Bronze am Barren und Silber am Reck hatten sich die deutschen Turner bei den Europameisterschaften in Basel das Beste bis zum Schluss aufgehoben.
In seinem ersten Einzelfinale bei einem großen Championat wurde der 30-jährige Andreas Toba am Sonntag Zweiter am Reck und musste nur dem Russen Dawid Beljawski den Vortritt lassen. „Mit 30 Silber geholt“, sagte Toba und atmete tief durch, „für mich ist das ein wahr gewordener Traum.“Als der Medaillengewinn feststand, hatte der „Hero de Janeiro“(2016 sicherte er dem deutschen Team die Finalqualifikation bei Olympia, als er mit Kreuzbandriss am Pauschenpferd turnte) Tränen in den Augen und bekreuzigte sich. 13,833 Punkte bedeuteten Silber hinter Beljawski (14,066) und vor Adem Asil aus der Türkei (13,766).
Einer der ersten Gratulanten in Basel war Tobas Vater Marius, der vor exakt 25 Jahren EM-Silber an den Ringen gewonnen hatte. Toba: „Er hat mich gleich auf meinen Fehler beim ,Adler‘ angesprochen. Aber dieser Erfolg ist Genugtuung für das viele und harte Training. Jetzt war ich endlich mal nicht nur der Alleskönner im Mehrkampf, sondern habe etwas ganz besonders gut gemacht.“
Zuvor hatte Lukas Dauser mit einer tadellosen Darbietung am Barren gemeinsam mit dem Schweizer Christian Baumann Bronze – zugleich die erste Medaille für die deutsche Mannschaft – geholt. „Jetzt mit einer Medaille nach Hause zu kommen, ist richtig geil. Das gibt mir noch mal richtig Schwung“, sagte der 27-Jährige mit Blick auf die Olympiavorbereitung. Dauser gestand auch: „Das Warten auf die Übungen der Turner, die nach mir an der Reihe waren, war nicht einfach. Ich war extrem angespannt.“Sieger am Barren wurde der Türke Ferhat Arican mit 15,300 Punkten
vor Beljawski (15,133). Dauser indes zeigte noch nicht einmal sein volles Programm und setzte beim ersten internationalen Wettkampf seit 18 Monaten mehr auf Sicherheit. 6,4 betrug der Schwierigkeitswert seiner Übung, in Tokio soll er 6,8 betragen.
So oder so: Drei Monate vor den Spielen haben sich die deutschen Turner und Turnerinnen in der Schweiz tüchtig Motivation für die verbleibende Vorbereitungszeit geholt. „Die Ergebnisse spielen eine wichtige Rolle für uns vor den Olympischen
Spielen, weil die Jungs selbstbewusster geworden sind“, sagte Belenki.
Im Schatten der beiden MännerMedaillen wurde Elisabeth Seitz – nach glimpflich überstandenem Sturz nach dem Jäger-Salto – Siebte am Stufenbarren, und ihre Stuttgarter Vereinskollegin Kim Bui belegte Rang sechs im Boden-Finale. Das Duo glänzte zudem im Mehrkampf mit den Plätzen fünf und sieben. „Beide sind sehr gut hier aufgetreten“, lobte Cheftrainerin Ulla Koch. Ihr Team will nun „Vollgas geben“für Tokio.
Für die Sommerspiele in Japan hat sich der Deutsche Turner-Bund (DTB) ambitionierte Ziele gesetzt. Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen soll es je eine Medaille geben, zudem sollen beide Riegen ins Mannschaftsfinale kommen. Die EM habe mit Blick auf Tokio gezeigt, „dass wir nicht chancenlos sind“, befand DTB-Sportdirektor Wolfgang Willam.
„Das heißt, dass wir in der Qualifikation mindestens Platz acht belegen müssen, um in das Teamfinale einzuziehen. Und die Gerätespezialisten an der einen oder anderen Stelle wollen wir natürlich entsprechend platzieren“, sagte Willam, der nach Tokio an seinen Nachfolger Thomas Gutekunst übergibt, der bereits am 1. Juli beim DTB anfängt.
Nach der Absage von „Turnen21“in Leipzig haben die EM-Teilnehmer jetzt erst einmal eine kurze Verschnaufpause. Die deutsche Mehrkampf-Meisterschaft findet nun wie die Einzelentscheidungen erst im Rahmen der Multisportveranstaltung „Die Finals“vom 3. bis 6. Juni in Dortmund statt. Das Event ist zugleich die erste Olympiaqualifikation.
„Im Sinne der Olympiaqualifikation kommt uns das entgegen“, sagte Wolfgang Willam. Die Athleten könnten nach der EM noch einmal eine Woche herunterfahren, um sich dann wieder gezielt vorzubereiten. Die zweite und abschließende Qualifikation folgt dann am 12. und 13. Juni in München.