Chloé Zhao schreibt Oscar-Geschichte
Drei Preise für „Nomadland“– Vinterbergs „Der Rausch“ist der beste ausländische Film
(dpa) - Es wurde eine Oscar-Nacht wie keine andere. Nicht nur, dass die Corona-Pandemie die Organisation auf den Kopf stellte und die Stars in diesem Jahr an mehreren Orten weltweit mitfieberten. Auch bei den Auszeichnungen gab es so manche Überraschung, wenn die ganz große auch ausblieb. Die in China geborene Regisseurin Chloé Zhao schrieb mit ihrem Drama „Nomadland“jedenfalls Oscar-Geschichte. Sie selbst wurde als zweite Frau nach Kathryn Bigelow (2010) für die beste Regie geehrt. Außerdem gewann ihr Werk den Preis für den besten Film, Frances McDormand wurde für ihre Hauptrolle als beste Schauspielerin ausgezeichnet. Den Auslands-Oscar gewann die dänische Sozialsatire „Der Rausch“von Regisseur Thomas Vinterberg.
„Nomadland“zeigt die Kehrseite des amerikanischen Traums. Eine Witwe, gespielt von McDormand, verliert ihr Zuhause, packt ihre Habseligkeiten in ein Auto und zieht als Nomadin und Hilfsarbeiterin durch die USA. Dabei trifft sie andere Menschen, die ebenfalls in ihren Autos leben und die im Film von realen Nomaden gespielt werden.
Ihnen dankte die 39-jährige Zhao dann auch, als sie den Preis für den besten Film annahm. Diese Menschen hätten ihr „die Kraft der Belastbarkeit und Hoffnung beigebracht“. „Vielen Dank, dass ihr uns (…) daran erinnert habt, wie wahre Güte aussieht“, sagte sie sichtlich aufgeregt, bevor sie kurz darauf auf der Bühne in Tränen ausbrach. Für Zhao dürfte dieser Triumph den endgültigen Durchbruch in Hollywood bedeuten. Schon mit ihrem vorigen Film, dem Western „The Rider“, bewies sie ihr cineastisches Talent. Auch jetzt verbindet sie die berührende Geschichte mit atemberaubenden Bildern der weiten, amerikanischen Natur.
China hat mit Zensur und Zurückhaltung auf den historischen Erfolg der in Peking geborenen Filmemacherin Zhao reagiert. Staatsmedien, darunter die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua und der Staatssender CCTV, berichteten am Montag zunächst überhaupt nicht über die Verleihung des Preises an die US-Amerikanerin, die ihre Kindheit in China verbracht hatte. In sozialen Netzwerken wurden Beiträge zum Thema teilweise gelöscht. Ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums lehnte einen Kommentar mit der Begründung ab, dass es sich „nicht um eine diplomatische Angelegenheit“handele.
Die Preise für die Regisseurin spiegeln ein sich langsam wandelndes Hollywood. Fünf Jahre nach der heftigen Kritik an der US-Filmakademie, als fast alle Nominierten weiß waren und das Schlagwort #OscarsSoWhite die Runde machte, gingen nun gleich mehrere Preise an nichtweiße Filmschaffende. So bekam die Südkoreanerin Yuh-Jung Youn den Oscar als beste Nebendarstellerin für das Familiendrama „Minari – Wo wir Wurzeln schlagen“. Der schwarze Brite Daniel Kaluuya gewann mit seiner Rolle in der Filmbiografie „Judas and the Black Messiah“über die Ermordung eines schwarzen Bürgerrechtlers die Trophäe als bester Nebendarsteller. Zwei weitere Oscars (Make-up/Frisur sowie Kostümdesign) gab es unter anderem für das Musikdrama „Ma Rainey’s Black
Erst die „Goldenen Himbeeren“, dann die Oscars: am Vortag der Oscar-Gala sind Hollywoods Spottpreise verliehen worden. Gleich drei „Goldene Himbeeren“oder „Razzies“räumte das Musical-Drama „Music“ab. Das Regiedebüt von Sängerin Sia brachte der Australierin die Trophäe als schlechteste Regisseurin ein. Zudem gab es Schmähpreise für Kate Hudson als Hauptdarstellerin und Maddie Ziegler in der Nebenrolle eines jungen autistischen Mädchens. Der Film mit poppigen Tanz- und Musikeinlagen war für seinen Umgang mit Autismus kritisiert worden.
Zwei „Goldene Himbeeren“gingen an die mit Verschwörungstheorien und unbelegten Wahlbetrugsvorwürfen
Bottom“über die schwarze „Mutter des Blues“.
Die deutschen Oscar-Hoffnungen erfüllten sich diesmal nicht, obwohl gleich drei deutsche Koproduktionen im Rennen waren. Den Oscar für den besten internationalen Film erhielt Regisseur Thomas Vinterberg mit „Der Rausch“. Er widmete den Preis seiner Tochter Ida. Sie sollte Teil des Films werden, doch kurz nach Beginn der Dreharbeiten war die 19-Jährige bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.
Der ganz große Paukenschlag blieb aus bei der Verleihung. In den wichtigen Kategorien „Beste Hauptdarstellerin“und „Bester Hauptdarsteller“waren zwar auch nicht-weiße Amerikaner nominiert. Gerade dem „Black Panther“-Star Chadwick Boseman, der 2020 mit 43 Jahren starb, wurden gute Chancen ausgerechnet, posthum einen Oscar für
gespickte Doku „Absolute Proof“des US-Geschäftsmanns
Mike Lindell, einen Unterstützer von Ex-Präsident Donald Trump. Lindell holte die Trophäen als Darsteller und für den schlechtesten Film. Auch Trump-Anwalt Rudy Giuliani blieb nicht verschont. Sein Auftritt in „Borat Anschluss Moviefilm“mit Sacha Baron Cohen als fiktiver Reporter aus Kasachstan brachte ihm den Spottpreis als Nebendarsteller und für die schlechteste Leinwand-Combo (Giuliani und sein Hosen-Reißverschluss) ein. Wegen der Corona-Krise gab es bei der 41. Spottpreisverleihung zudem eine Sondertrophäe für 2020 als „Schlimmstes Kalenderjahr aller Zeiten“. (dpa)
„Ma Rainey’s Black Bottom“zu gewinnen. Letztendlich wurde in dieser Sparte aber der 83-jährige Brite Anthony Hopkins ausgezeichnet, der in „The Father“einen dementen Vater spielt, sowie die 63-jährige Frances McDormand („Fargo“), die mit „Nomadland“ihren dritten Oscar erhielt.
Der für die Show verantwortliche Filmregisseur Steven Soderbergh hatte diesmal mit einer langjährigen Tradition gebrochen: Als letzte Kategorie wurde nicht wie sonst üblich der beste Film gekürt, sondern der beste Schauspieler. Da Hopkins aber seine Trophäe nicht persönlich in Empfang nehmen konnte, endete die Preisverleihung etwas unvermittelt ohne Dankesrede – was zu Verwunderung und Kritik im Netz führte.
Was wird neben dem Erfolg von Chloé Zhao von dieser Gala in Erinnerung bleiben? Das werden sicherlich die Umstände sein, unter denen die Show stattfand. Denn wegen der Corona-Pandemie trafen sich die Stars nicht wie in den Vorjahren im großen Dolby Theatre. Stattdessen wurde das Bahnhofsgebäude Union Station in Los Angeles zur kleineren, damit aber auch intimeren Hauptbühne der Preisverleihung. Außerdem wurden zahlreiche Nominierte aus unterschiedlichsten Ländern wie Australien, Großbritannien, Italien und Frankreich zugeschaltet.
Die Organisatoren lösten das geschickt und schnitten die verschiedenen Standorte so nahtlos hintereinander, dass man beim Zuschauen durchaus vergessen konnte, dass die Bilder nicht aus einem Veranstaltungsort stammten. Allerdings gab es dieses Mal praktisch keine Showeinlagen, die die Gala auflockerten. Auch die nominierten Songs wurden nicht live aufgeführt. Letztendlich wurden also nur die Preise verliehen.
Wer auf eine pompöse Show gehofft hatte, die Hollywood und die durch Corona gebeutelte Filmindustrie feierte, wurde also enttäuscht. Eine abwechslungsreiche Gala war das nicht. Kurz vor Schluss aber sorgten dann Frances McDormand und Glenn Close doch noch für einen Schuss Unterhaltung: McDormand heulte auf der Bühne in Erinnerung an einen gestorbenen Toningenieur von „Nomadland“ein lautes Wolfsgeheul und Glenn Close sprang für eine Tanzeinlage von ihrem Platz auf. Zum Rhythmus des Songs „Da Butt“ließ die 74-Jährige ihre Hüften kreisen – und avancierte im Internet schnell zu einem heimlichen Star des sonst eher an Höhepunkten armen Abends.