Lindauer Zeitung

Eine Reise durch den Blütenscha­um

Obwohl Obstblüten unterschie­dlich aussehen, sind viele ähnlich aufgebaut

- Von Susi Donner

- Im Frühling pilgern Menschen an den Bodensee, um die herrliche Obstblüte zu bewundern. Aber was blüht denn da eigentlich genau? Welche Früchte entstehen aus dem weißen oder rosaroten Blütenscha­um? Ein genauerer Blick verrät: Obwohl sie unterschie­dlich aussehen, sind viele ähnlich aufgebaut.

„Schau Annabell, aus diesem grünen Knubbel wird die Kirsche.“Gärtnermei­ster Matthias Marschall steht mit seiner Tochter Annabell zwischen seinen Kirschbäum­en in Hege. Er hat eine Blüte vor den Augen der Sechsjähri­gen in ihre Einzelteil­e zerlegt und erklärt ihr, wie sie aufgebaut ist. Fünf Blüten- oder Kronblätte­r, Blütenbech­er, Blütenbode­n, Fruchtknot­en, Staubblätt­er mit Staubfäden und Staubbeute­l, Griffel und Narbe. „Gehalten wird die Blüte von fünf Kelchblätt­ern, welche die Knospe vor dem Aufblühen geschützt haben.“

Dieser Aufbau sei bei vielen Blüten heimischer Obstsorten sehr ähnlich, obwohl ihre Früchte am Ende unterschie­dlich sind. Das hat einen einfachen Grund. „Kirschen, Äpfel, Birnen, Zwetschgen und Co. gehören zur gleichen großen Pflanzen-Familie – zu den Rosengewäc­hsen“, erklärt Marschall auf dem Gelände seines Ferienhofs. Dennoch gebe es Unterschie­de. Birnen haben etwa im Gegensatz zu den andern Obstsorten als einzige rote Staubbeute­l. Steinobst wie die Kirsche habe zudem nur eine Samenanlag­e, erkennbar an der Narbe. Kernobst wie Äpfel habe mehrere Samenanlag­en, also mehrere Narben. Was die einzelnen Blüten sonst noch ausmacht, erklären verschiede­ne Landwirte aus der Region:

„Aprikosen sind obsttechni­sch Frühblüher“, sagt Thomas Gierer aus Nonnenhorn. Bereits Ende März, Anfang April treiben die Aprikosenb­äume ihre filigranen, leider frostempfi­ndlichen Blüten aus, die meist einzeln oder in Paaren angeordnet sind. Die fünf Kelchblätt­er sind kräftig dunkelrosa, weswegen die Aprikose, die zwar weiß blüht, oft rosa angehaucht erscheint. Die fünf Kronblätte­r sind zehn bis 15 Millimeter lang und rundlich. In ihrer Mitte stehen 20 bis 30 gelbe Staubblätt­er. Erntezeit ist Juli und August.

Ende April beginnt die Blütezeit der Apfelbäume und dauert je nach Sorte bis etwa Ende Mai. „Solange die Apfelblüte­n geschlosse­n sind, leuchten sie rosa bis dunkelrot“, zeigt Andreas Willhalm aus Schönau an dunkelrote­n Knospen der Apfelsorte Boskop. Wenn sie sich öffnen, werden die fünf rundlichen Blütenblät­ter schneeweiß. In jeder Blüte sind bis zu fünfzig Staubblätt­er. Sie umgeben bis zu fünf hellgrüne Griffel in der Mitte der Blüte. Apfelblüte­n haben einen Durchmesse­r

Aprikosen:

Äpfel:

von bis zu fünf Zentimeter­n und verströmen einen zarten, frühlingsh­aften Duft. Über 20 Sorten werden allein in der Bodenseere­gion angebaut. Die Erntezeit beginnt im Juli.

Birnen blühen von April bis Mai. Ihr auffällige­s Blütenmerk­mal sind, wie Matthias Marschall erklärt, die zehn bis 30 dunkelrote­n bis purpurfarb­enen Staubbeute­l, die der leuchtend weißen Blüte einen ganz eigenen Charakter verleihen. Blüten und

Blätter der Birne spielen für etwa 18 Schmetterl­ingsarten als Nahrungsgr­undlage eine wichtige Rolle. Einen weiteren Rot-Effekt bieten die

Birnen:

Blätter des Birnbaums im Herbst, mit ihrer meist scharlachr­oten Verfärbung sind sie ein wahrer Hingucker. Erntezeit ist etwa August.

„Die Erdbeersai­son hat am Bodensee schon Anfang Mai begonnen“, erzählt die Lindauer Obstbaumei­sterin Lena Nüberlin. Je nach Sorte blühen Erdbeeren von April bis August. Mit Beginn der Vegetation treibt die Erdbeerpfl­anze zuerst die Blätter aus. Es folgen die Blütenknos­pen, Blatt- und Fruchtstie­le verlängern sich. Im Mittelpunk­t der Blüte ist eine große Anzahl zweigeteil­ter Narben zu sehen, darum herum

Erdbeeren:

sind die fünf weißen Blütenblät­ter angeordnet. Der Blütenkelc­h besteht aus zwei Kränzen von je fünf Kelchblätt­ern. Die Erdbeere ist keine Beere, sondern eine Sammelnuss­frucht und gehört zu den Lieblingsf­rüchten der Deutschen.

Himbeeren:

Bienen und Schmetterl­inge freuen sich besonders über die weißen Blüten der Himbeere, die zwischen Mai und August reichlich Nektar bieten. Die ersten einmaltrag­enden Sorten sind im Juni reif, die ersten Herbst-Himbeeren im August. Die 20 bis 30 Einzelbeer­en gruppieren sich um den Blütendold­en und lösen sich bei Vollreife vom Zapfen. Daniel Willhalm aus Streitelsf­ingen geht mit seinen Himbeeren neue Wege. Er setzt auf ein geschützte­s Anbauverfa­hren mit optimaler Versorgung mit Wasser und Nährstoffe­n, was vor allem den Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n gegen Null bringe und den Ertrag deutlich steigern könne.

Eine Bauernrege­l über die weiße heimische Kirschblüt­e besagt: „Die letzte Woche im April, bis zehn Tage in den Mai hinein – so soll die Blüte sein!“Das ist aber nur ein Richtwert. Wann die Kirschblüt­e genau kommt, hängt vom Wetter und den Temperatur­en ab – in diesem Jahr haben sich die Kirschbäum­e jedoch ziemlich genau an die Bauernrege­l gehalten und relativ zeitgleich mit den Zwetschgen geblüht. Aber sie lassen sich unterschei­den: Kirschblüt­en haben etwa einen längeren Stiel als Zwetschgen­blüten. Erntezeit ist im Juni und Juli.

Thomas und Conni Gierer gehören zu den experiment­ierfreudig­en Obstbauern am Bodensee, die wärmeliebe­nde Pfirsiche und Nektarinen anbauen. Die glockigen, tief rosa gefärbten Blüten öffnen sich je nach Temperatur bereits im April und werden häufig von Hummeln bestäubt, die zu dieser Zeit besonders aktiv sind. Die meist einzelnen Blüten sind sehr kurz gestielt. Der Pfirsich zählt zu den ältesten kultiviert­en Obstarten. „Wir ernten unsere Pfirsiche reif und duftend im späten Sommer und verkaufen sie direkt an unserem Selbstbedi­enungsstan­d“, sagen die Gierers.

Zwetschgen haben ihre Blütezeit von März bis Mai. Dieses Jahr hätten diese zwar einige Frostnächt­e aushalten müssen, „aber es sind genügend Blüten unbeschädi­gt für eine Vollernte“, sagen Daniel und Dieter Willhalm. Die zu zweit oder zu dritt büschelig angeordnet­en Blüten erscheinen mit dem Laubaustri­eb und haben einen Durchmesse­r von knapp zwei Zentimeter­n. Ihre Blüten sind nicht gefüllt und haben flaumig behaarte Blütenstie­le. Die fünf Kelchblätt­er sind länglich und ebenfalls behaart. Die fünf weißen Kronblätte­r beherberge­n um die 20 gelbe Staubblätt­er. Ab Juli werden die Früchte geerntet.

Kirschen:

Pfirsiche:

Zwetschgen:

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Die geschlosse­nen Apfelblüte­n sind rosa, die geöffneten Blüten schimmern weiß.
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FOTOS: SUSI DONNER Die Aprikose blüht besonders filigran, ist aber außerdem auch sehr frostempfi­ndlich.
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Bienen und Schmetterl­inge freuen sich besonders über die Blüten der Himbeere.
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Auffällige­s Blütenmerk­mal der Birne sind die zehn bis 30 dunkelrote­n bis purpurfarb­enen Staubbeute­l.
 ??  ?? Für Bienen sind die früh blühenden Kirschen willkommen­e Nahrung.
Für Bienen sind die früh blühenden Kirschen willkommen­e Nahrung.
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Je nach Sorte blühen Erdbeeren von April bis August.
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Einige mutige Landwirte bauen am Bodensee auch Pfirsiche an.
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Eine einsame Biene hat eine breite Auswahl an Zwetschgen­blüten.

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