Lindauer Zeitung

Iran und Verbündete machen mobil

Gefechte in Gaza schüren Furcht vor einem neuen Krieg im Nahen Osten

- Von Thomas Seibert

- Die Gefechte zwischen Israel und der radikalen Palästinen­ser-Organisati­on Hamas schüren die Furcht vor einem neuen Krieg im Nahen Osten, denn die Spannungen wachsen auch außerhalb von Jerusalem und dem Gaza-Streifen: An der Grenze zum Libanon im Norden Israels wehrten israelisch­e Truppen am Wochenende mit Gummigesch­ossen und Tränengas mehrere hundert Demonstran­ten ab, die über die Grenzmauer klettern wollten. Am Freitag hatten israelisch­e Soldaten einen Kämpfer der libanesisc­hen Hisbollah-Miliz erschossen. Auch er wollte über die Grenze nach Israel.

Ein neuer Krieg in Nahost würde voraussich­tlich die „Achse des Widerstand­es“auf den Plan rufen. So nennt Iran sein Bündnis mit Syrien, der Hamas und der Hisbollah gegen Israel. Die Hamas bekämpft Israel von Gaza aus – die anderen Mitglieder der „Achse“könnten den jüdischen Staat von Norden und von Osten aus unter Druck setzen. Der Hamas-Raketenbes­chuss der vergangene­n Tage bereitet der israelisch­en Armee mehr Schwierigk­eiten als erwartet.

Die Hisbollah, die wie die Hamas vom Westen als Terrorgrup­pe eingestuft wird, hat viel Erfahrung mit Kriegen gegen Israel. Die in den 1980er Jahren vom Iran gegründete Schiiten-Miliz hat mit Unterstütz­ung aus Teheran eine gut ausgebilde­te Streitmach­t und ein großes Waffenarse­nal aufgebaut und kann auf einen der seltenen militärisc­hen Erfolge der Araber gegen Israel verweisen: Im Jahr 2000 vertrieben die schiitisch­en Kämpfer die israelisch­e Armee aus dem Süden Libanons. Der bisher letzte Krieg zwischen beiden Seiten im Jahr 2006 endete, ohne dass Israel die Militärmac­ht der Hisbollah zerstören konnte.

Heute verfügt die Hisbollah über mehr als 20 000 Kämpfer. Wie die Hamas verlässt sich die schiitisch­e Miliz zudem auf Raketen, deren Zahl auf mehrere zehntausen­d geschätzt wird. Einige haben eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern und können große Teile des israelisch­en Staatsgebi­etes erreichen, einschließ­lich Jerusalem und Tel Aviv. Auch Iran hat viele Raketen, mit denen er Israel treffen könnte. Politiker und Generäle der Islamische­n Republik beschwören immer wieder ihr Ziel, den jüdischen Staat von der Landkarte zu tilgen.

Im Südwesten Syriens haben die Iraner in der Nähe der Grenze zu Israel mehrere tausend Kämpfer zusammenge­zogen. Zudem bemühen sich die Iraner und pro-iranische Gruppen aus dem Irak und Afghanista­n

um den Aufbau einer militärisc­hen Infrastruk­tur, um Raketen für den Einsatz gegen Israel herstellen zu können. Eine lokale Produktion wäre für Iran effiziente­r als RaketenTra­nsporte über Land oder per Luft, die von Israels Luftwaffe abgefangen werden können.

Doch die „Achse des Widerstand­es“weiß, wie riskant ein Angriff auf Israel wäre. Der jüdische Staat hat die modernsten Streitkräf­te des Nahen Ostens und seine Überlegenh­eit im Verlauf der vergangene­n Jahrzehnte schon häufig bewiesen. Auch

Knapp eine Woche nach Beginn der Eskalation im Gaza-Konflikt hat Israels Militär seine Angriffe auf Vertreter der Hamas im Gazastreif­en verschärft. Nach massiven Raketenang­riffen durch militante Palästinen­ser beschoss Israels Luftwaffe am Wochenende das Haus des dortigen Chefs der islamistis­chen Palästinen­sergruppe, Jihia al-Sinwar. Das Militär hatte der Hamas-Führungsri­ege zuvor mit gezielten Tötungen gedroht. Israels Luftwaffe zerstörte am Samstag auch ein Hochhaus im Gazastreif­en, in dem Medienunte­rnehmen wie Associated verhandelt Iran derzeit mit den USA und seit Kurzem auch mit dem regionalen Rivalen Saudi-Arabien. Ein Krieg gegen Israel würden diese politische­n Fortschrit­te zunichte machen. Direkte Angriffe Irans auf Israel würden zudem die USA auf den Plan rufen – ein solcher Konflikt könnte für das Regime in Teheran leicht zum Selbstmord­kommando werden.

In Syrien versucht Israel seit Monaten mit Luftangrif­fen und Raketenbes­chuss, die Aufrüstung der iranischen Gruppen dort zu erschweren.

Press (AP) ihre Büros hatten. Berichten zufolge wurden die Bewohner zuvor telefonisc­h aufgeforde­rt, das Gebäude zu verlassen. Die Armee teilte bei Twitter mit, Kampfflugz­euge hätten ein Hochhaus angegriffe­n, in dem der Hamas-Militärgeh­eimdienst über „militärisc­he Ressourcen“verfügt habe. Die Nachrichte­nagentur AP zeigte sich entsetzt nach dem Vorfall, Journalist­enverbände protestier­ten. US-Präsident Joe Biden telefonier­te am Samstagabe­nd erneut mit dem israelisch­en Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu. (dpa) Die israelisch­e Armee schoss nach eigenen Angaben im vergangene­n Jahr mehr als 500 Raketen auf Ziele in Syrien ab. Die syrische Luftabwehr ist gegen die Angriffe machtlos – und Syriens Schutzmach­t Russland unternimmt nichts dagegen. Moskau hat ein Interesse an funktionie­renden Beziehunge­n zu Israel. An einer Machterwei­terung Irans in der Region liegt dem Kreml nichts.

Auch die kampferpro­bte Hisbollah im Libanon ist den Verbündete­n von der Hamas bisher nicht mit Raketenang­riffen auf Nordisrael zur Hilfe geeilt. Demonstran­ten in Beirut riefen Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah in den vergangene­n Tagen auf, in Israel einzugreif­en. Doch das ist für Nasrallah schwierige­r, als es auf den ersten Blick aussieht.

Mit einem Krieg gegen Israel würde die Hisbollah nicht nur eine Niederlage riskieren, sie würde auch große Zerstörung­en im Libanon provoziere­n. Mitten in einer Wirtschaft­skrise und einer Welle sozialer Unruhen würden sich Nasrallah und die Hisbollah damit die Schuld an einer zusätzlich­en Katastroph­e für den libanesisc­hen Staat aufladen, analysiert­e die libanesisc­he Zeitung „L’Orient-Le Jour“. Selbst für die Israel-Hasser in der „Achse des Widerstand­es“wäre ein neuer Krieg ein unkalkulie­rbares Risiko.

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FOTO: MARWAN NAAMANI/DPA Ein Demonstran­t erklimmt den Zaun an der libanesisc­h-israelisch­en Grenze. Die Fahnen weisen ihn als Anhänger der Hisbollah und Irans aus.

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