SEK holt Klimaaktivisten auf den Boden
Protest mit Stahlseil und auf Bäumen beschäftigt Großaufgebot der Ravensburger Polizei den gesamten Samstag
- Eine nicht genehmigte Protestaktion von Klimaaktivisten auf der Ravensburger Schussenstraße, vor allem aber an einem Stahlseil hoch über der Fahrbahn hat ein Großaufgebot der Polizei den gesamten Samstag über beschäftigt. Gegen 18 Uhr beendeten die Höhenspezialisten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) aus Göppingen die Demonstration von insgesamt 40 überwiegend jungen Leuten, als sie den harten Kern von drei Kletterern auf den Boden holten. Die Schussenstraße war von morgens 6 Uhr bis abends 18.30 Uhr komplett gesperrt. Vertreter der Stadt Ravensburg und der Polizei äußerten Ärger und Unverständnis über das Vorgehen der Aktivisten.
Bereits am Freitag hatte es eine Aktion der Klimaaktivisten, die zuletzt Bäume im Altdorfer Wald besetzt und vor Weihnachten schon einmal einen SEK-Einsatz in Ravensburg ausgelöst hatten, auf einem Baum in der Bachstraße gegeben. Am Samstagmorgen wurde dieser Protest dann an die Schussenstraße verlegt. Laut den Teilnehmern sei diese Form des ungenehmigten Protests und des „zivilen Ungehorsams“notwendig, da Stadt und Behörden die Proteste sonst nicht hören würden. Die Baumbesetzer wollen laut ihrer Aussage auf die Erderwärmung und die aus ihrer Sicht fehlgeleitete Klimapolitik in Stadt und Region aufmerksam machen.
Die Aktion war bei der Stadt nicht wie erforderlich angemeldet und deshalb auch nicht genehmigt. Ravensburgs Bürgermeister Simon Blümcke hatte den jungen Demonstranten am Samstag vor Ort trotzdem zunächst angeboten, das über die Schussenstraße gespannte Protestplakat dürfte hängen bleiben, wenn die Kletterer, die sich teils mit Hängematten mit an das Seil direkt über der Straße gehängt hätten, auf den Boden kämen. Dies lehnten die Demonstranten, darunter auch
Samuel Bosch, einer der Wortführer der lokalen Gruppe, aber ab. Nach Einschätzung der Stadt und der Polizei stellten die Aktivisten auf dem Seil eine erhebliche Gefahr für Autofahrer dar, vor allem wegen der möglichen Ablenkung. Ein Polizeisprecher betonte außerdem, dass die Sicherheit der Seilkonstruktion nicht beurteilt werden könne. Auch deshalb sei die Straße gesperrt worden. In einer Nebenstraße gerieten derweil mehrere abgestellte Autos ins Visier der Polizei. Die Autos hatten Hofeinfahrten von Anwohnern blockiert, die deshalb ziemlich erbost waren. Im Kofferraum der Wagen fand die Polizei Rundhölzer, Paletten und anderes Material, das offenbar zum Bau von neuen Baumhäusern dienen sollte. Das Material wurde am Vormittag auf Anordnung der Stadt beschlagnahmt. Schon im Verlauf
des Samstagmorgen wurde eine Person kurzzeitig von der Polizei in Gewahrsam genommen.
Die Klimaaktivisten am Stahlseil wurden am Boden durch etwa 40 Freunde und mit Sprechchören unterstützt. Zehn Sympathisanten hatten sich auf die Straße gesetzt. Immer wieder gab es am Rande Diskussionen mit Zuschauern, die kein Verständnis für die Aktion aufbringen wollten. Am Mittag verfolgten bis zu 100 Schaulustige das Geschehen, während die Polizei, darunter Ravensburgs Polizeipräsident Uwe Stürmer, weitere Kräfte zusammenzog. Stürmer, der am Jahreswechsel noch einen Kompromiss mit den Aktivisten ausgehandelt hatte, bezeichnete die Aktion als illegal und „fragwürdig in der Wahl der Mittel“. Das sah auch Alfred Oswald, Leiter des städtischen Ordnungsamtes, so:
„Wir waren und sind immer gesprächsbereit, aber es werden hier bewusst rote Linien überschritten.“Polizeichef Stürmer ließ noch am Samstagabend von einem Richter einen sogenannten Beseitigungsgewahrsam prüfen. Würde dem stattgegeben, müssten die Protestierer sich auf ein Wochenende bei der Polizei einrichten.
Gegen 16 Uhr am Samstag ordnete die Stadt Ravensburg dann die Räumung der Schussenstraße und des Stahlseils an. Die Polizei setzte den Demonstranten zweimal ein Ultimatum, um die Aktion freiwillig zu beenden. Die Aktivisten ließen die Zeit verstreichen. Als einer ihrer prominentesten Unterstützer war auch Hochschulprofessor Wolfgang Ertel aus Weingarten vor Ort, der das Vorgehen der Stadt als „kriminell“bezeichnete, weil sie nichts für den Klimaschutz
tue. Umgekehrt würden kritische junge Menschen „kriminalisiert“.
Um 17 Uhr begann dann der Polizeieinsatz: Die Polizisten trugen zunächst die Aktivisten weg, die auf der Straße saßen und lagen und dabei Parolen skandierten. Anschließend holten die Spezialisten des SEK aus Göppingen mit großer Ruhe und unter Hilfe einer Drehleiter die verbliebenen drei Kletterer, die keinen aktiven Widerstand leisteten, vom Stahlseil. Inzwischen hatte es stark zu regnen begonnen. Der Einsatz der Spezialisten war laut Polizei wegen der großen Höhe von rund acht Metern notwendig, damit Polizisten und Aktivisten nicht in Gefahr gerieten. Vorsorglich bereit stand ein Rettungswagen der Johanniter sowie ein Notarzt. Die Feuerwehr baute Sprungkissen auf und musste sich für diese Maßnahme von den Kletterern verspotten lassen. Kurz nach 18 Uhr war der letzte Aktivist auf dem Boden, gut 100 Schaulustige zogen ab. Die Polizei ging davon aus, dass der Einsatz auch nach Räumung weitergehen würde. Um eine Rückkehr von Aktivisten zu verhindern, sollten Beamte bis in die Nacht vor Ort bleiben. Nach Rücksprache mit dem Bereitschaftsrichter wurde zudem laut Polizeibericht der harte Kern der Demonstanten zur Verhinderung weiterer unmittelbarer Störungen in Gewahrsam genommen. Welche Straftaten und Ordnungswidrigkeiten durch die Baumbesetzer begangen wurden, werde nun durch die Kriminalpolizei geklärt.