Lindauer Zeitung

Andrang bei spontaner Impfaktion in Nonnenhorn

Dr. Thorsten Huber hat am Dienstag 100 Dosen verimpft – jeder durfte kommen und sich anstellen

- Von Emanuel Hege

- Hausarzt Dr. Thorsten Huber aus Nonnenhorn hat am Dienstagna­chmittag 80 Menschen im Akkord geimpft, das Besondere: Sie brauchten keinen Termin. Der Andrang war groß, für den Hausarzt eine gelungene Aktion, die er wiederhole­n will.

„Astrazenec­a Impftag für alle – ohne Voranmeldu­ng und solange der Impfstoff reicht.“So bewarb Thorsten Huber seine Impfaktion, und das kam an. Schon um 14 Uhr am Dienstagna­chmittag bildet sich eine Schlange auf der Seehalde mitten in Nonnenhorn, dabei soll die erste Spritze erst um 14.30 Uhr gesetzt werden. Rund 30 ältere und jüngere Menschen reihen sich ein, einige in Gespräche, andere in ihre Handys vertieft. Dazwischen sind Thorsten Huber und seine Arzthelfer­innen, sie verteilen Zettel mit handgeschr­iebenen Zahlen darauf.

Karl-Heinz hat die 42 gezogen. Der Mitarbeite­r eines Bauunterne­hmens will ungern seinen Nachnamen in der Zeitung lesen, verrät jedoch, warum er nach Nonnenhorn gekommen ist. „Ich habe es schon in einem Impfzentru­m probiert, aber da kriegt man einfach keinen Termin.“Er habe nicht erwartet, dass so viel los sein wird, sagt Karl-Heinz dann und blickt auf einer Mauer sitzend die

Straße entlang. Da sei es umso besser, dass er so früh da war.

Dann tritt noch einmal Hausarzt Thorsten Huber aus seiner Praxis, verteilt wieder einige Zettel und ruft in die Runde: „Die Nummern 30 bis 60 sind erst ab 15 Uhr dran, Sie können gerne nochmal nach Hause oder einen Kaffee trinken gehen.“Die Impfwillig­en blicken prüfend auf ihre Zettel, dann auf die Uhr. KarlHeinz schüttelt den Kopf. „Was soll ich denn jetzt da nochmal rumfahren und wieder her.“Er arbeite im Bodenseekr­eis, das lohne sich nicht, er bleibt auf seiner Mauer sitzen.

Derweil rufen die Arzthelfer­innen die ersten Nummern auf, und einer nach dem anderen verschwind­et in der kleinen Praxis – nach wenigen Minuten kommen sie wieder raus. Am Tag zuvor hatte Hausarzt Thorsten Huber noch die Sorge geäußert, dass der Andrang zu viel werden könnte. In anderen deutschen Städten sind derartige Aktionen aus dem Ruder gelaufen und mussten von der Polizei begleitet werden. Huber hat sich dennoch für diese Form der Impfung entschiede­n. „Um 50 Leuten an einem Nachmittag einen Termin zu geben, muss man 75 Anrufe machen“, erklärt Huber – es sei ein riesiger organisato­rischer Aufwand. Die Aktion sei daher eine Möglichkei­t, den Aufwand klein zu halten und mehr Menschen zu impfen als es die Kapazität seiner Praxis eigentlich hergeben würde. Auf der gleichen Mauer wie Karl-Heinz sitzen auch Jaron und Leon, beide 18 Jahre alt. Sie gehen noch zur Schule, schreiben nächstes Jahr Abitur und erzählen, wie schwer es die jetzigen Abschlussk­lassen haben. „Das große Ziel ist es doch, dass alles wieder normal wird“, erklärt Leon, warum er sich heute impfen lässt. „Wir wollen einfach wieder mehr Sachen machen können“, sagt Jaron. Er wohnt im gleichen Haus wie seine Großeltern, sie will er natürlich auch schützen. Für Jaron ist die Impfaktion in Nonnenhorn eine einmalige Gelegenhei­t, „denn sonst haben wir in unserem Alter ja gerade keine Chance auf eine Impfung“.

Thorsten Huber und sein Team halten den Zeitplan ein: Nach rund einer Dreivierte­lstunde sind bereits 30 Menschen geimpft – einige Wartenden sind erstaunt, dass es doch recht zügig vorangeht. So auch Rosi aus Tettnang. „Meine Hausärztin hat mir gesagt, dass ich bei ihr mindestens bis Juli warten muss“, sagt die 56-Jährige. Ihre Mutter wohne in einem Altenheim, „ich kann sie zwar regelmäßig besuchen, aber wenn ich geimpft bin, wäre das eine große Erleichter­ung.“Aber auch aus berufliche­n Gründen ist Rosi zur Impfaktion gekommen. Sie ist Frisörin und wünscht sich wieder einen entspannte­ren Umgang mit ihren Kunden.

Während sich die Seehalde langsam leert, sitzt Karl-Heinz nach seiner Impfung auf einer Bank gleich neben dem Praxiseing­ang. Er müsse noch eine Viertelstu­nde hier warten, wenn er sich dann gut fühle, bekomme er den Impfpass und darf gehen. Wegen der Warnungen vor dem Astrazenec­a-Impfstoffe­s, der in seltenen Fällen eine Hirnvenent­hrombose verursacht, macht sich KarlHeinz keine Sorgen. „In meiner Altersgrup­pe sollte da nichts passieren.“Bei Dr. Huber und seinem Team habe er sich gut aufgehoben gefühlt, sagt er. „Ich habe jetzt schon meinen zweiten Termin bekommen. Das machen die echt gut, und die sind alle auch noch gut drauf da drin.“

Tatsächlic­h ist auch Hausarzt Thorsten Huber nach der Aktion noch voller Elan. „Ich bin extrem zufrieden, es war ein entspannte­s Klima, alle waren nett und dankbar“, sagt er, „zum ersten mal hat Impfen mal Spaß gemacht.“Natürlich habe er auch Glück gehabt, dass die Anzahl der Interessie­rten so gut zu der Anzahl der Dosen gepasst habe. Huber will die Aktion auf jeden Fall wiederhole­n, vermutlich in vier Wochen.

Video der Impfaktion unter: www.schwaebisc­he.de/impfennonn­enhorn

 ?? FOTO: EMANUEL HEGE ?? Hausarzt Thorsten Huber verimpfte am Dienstagna­chmittag 80 Dosen Astrazenec­a innerhalb von zweieinhal­b Stunden.
FOTO: EMANUEL HEGE Hausarzt Thorsten Huber verimpfte am Dienstagna­chmittag 80 Dosen Astrazenec­a innerhalb von zweieinhal­b Stunden.

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