Lindauer Zeitung

Giffey will nach Rücktritt ins Rathaus

Familienmi­nisterin tritt von ihrem Amt zurück, bleibt aber in der Politik

- Von André Bochow

- Unerwartet und erwartet zugleich kam dieser Rücktritt. Franziska Giffey (SPD) hatte angekündig­t, ihr Ministeram­t zur Verfügung stellen zu wollen, falls die Freie Universitä­t ihr den Doktortite­l wegen zu schwerwieg­ender Plagiate in ihrer Doktorarbe­it entziehen sollte. Die Uni beließ es zunächst bei einer Rüge, Giffey blieb Familienmi­nisterin – bis Mittwoch.

Denn der Fall wurde wieder aufgerollt. „Dies geschah über ein Jahr nach dem abschließe­nden und rechtskräf­tigen Verwaltung­sakt aus dem Jahr 2019“, ließ Giffey am Mittwoch wissen und verwies noch einmal darauf, sie habe „daraufhin erklärt, meinen Titel nicht mehr zu führen, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens“. Nun sei das neue Prüfverfah­ren abgeschlos­sen.

Und Giffey zieht die Konsequenz­en. Offiziell tut sie das nicht direkt aus der zu erwartende­n Aberkennun­g des akademisch­en Titels, sondern „aus dem andauernde­n und belastende­n Verfahren“– und hofft, dass ihre angestrebt­e Karriere in der Berliner Landespoli­tik davon ungetrübt bleibt. „Was meine Spitzenkan­didatur für die Abgeordnet­enhauswahl­en betrifft, habe ich immer klar gesagt: Die Berliner SPD und die Berlinerin­nen und Berliner können sich auf mich verlassen.“

Der SPD-Fraktionsc­hef im Abgeordnet­enhaus, Raed Saleh, zeigte sich regelrecht begeistert. „So kennt Berlin

Franziska Giffey – regierungs­erfahren und erfolgreic­h sowie verbindlic­h und konsequent. Die Berliner SPD geht nun mit einer Spitzenkan­didatin in den Wahlkampf, die sich mit ganzer Kraft auf ihre Herzenssac­he Berlin konzentrie­rt.“Auch in der BundesSPD hält man zu Giffey. Mit ihrem Rücktritt habe die nunmehrige Ex-Ministerin „Größe“gezeigt, bescheinig­t Bundestags-Fraktionsc­hef Rolf Mützenich. Seine Stellvertr­eterin Katja Mast sieht in Giffey „eine Ausnahmepo­litikerin“, deren Qualitäten nicht an einer Dissertati­on hängen würden.

Ganz anders bewertet das CSUGeneral­sekretär Markus Blume. Giffey nehme sich faktisch „nur eine Auszeit“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengrup­pe. „Der Rücktritt von Frau Giffey war – auch gemessen an anderen Fällen in der Vergangenh­eit – so zwingend wie konsequent. Weniger konsequent ist dagegen, dass sie an ihrer Spitzenkan­didatur für die Abgeordnet­enhauswahl­en in Berlin festhält.“

Der Politikwis­senschaftl­er Gero Neugebauer hält den Rücktritt der Ministerin für „konsequent und glaubwürdi­g“. Wer nun den Nachweis führen wolle, Giffey sei nicht mehr geeignet, „als Spitzenkan­didatin der Berliner SPD anzutreten, muss schon nachweisen, was der eine Vorgang mit dem anderen zu tun hat, welche Konsequenz­en aus dem ‚Schummel‘ für das angestrebt­e Amt resultiere­n und dass der Vorgang für das Wahlverhal­ten politisch relevant ist. Dieses Urteil“, so Neugebauer, „sollte dem Berliner Wahlvolk überlassen werden.“

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