Schnelles Internet am Bahndamm
One Fiber will mit Glasfaserkabeln an Zugschienen auch abgelegene Regionen erreichen
- Im Zuge des Breitbandausbaus in Deutschland rückt ein 186 Jahre altes Verkehrsmittel in den Blick: die Bahn, genauer das Schienennetz, noch genauer die kleinen Tunnel entlang der Gleise, in denen Kabel verlaufen. Das Unternehmen One Fiber Interconnect will darüber ein eigenes Glasfasernetz in Deutschland aufbauen, das auch die abgelegenen Regionen abdeckt. Schon in wenigen Jahren soll es so weit sein.
Superschnelles Internet auch in der tiefsten Eifel, im abgelegenen Schwarzwaldtal, in der Uckermark oder mitten im Sauerland? So könnte es schon 2026 kommen. Zumindest nach den Plänen von One Fiber, das die Konkurrenz schlagen möchte. Klaus Kremper, Chef und Mitgründer des Unternehmens, ist jedenfalls optimistisch.
Bahnstrecken haben mehrere Vorteile: Sie reichen in Deutschland auch in ländliche Gebiete, die bisher für Glasfaseranschlüsse wenig attraktiv waren – zu weite Wege, zu wenig Nutzer. Und an 20 000 der 33 400 Kilometer Schienennetz verlaufen die Kanäle bereits, aufwendige Genehmigungen entfallen. One Fiber muss nur noch seine Glasfaser dazulegen – wenn genug Platz ist.
Denn die Bahn nutzt die Anlagen auch für ein eigenes Glasfasernetz. Und das soll ausgebaut werden. Weil Schienen zum Teil parallel liegen und dort nur ein Glasfaserkabel nötig ist, fehlen nur noch rund 8200 Kilometer, um das gesamte Schienennetz angeschlossen zu haben. Im Herbst hatte der Konzern mit einer europaweiten Ausschreibung nach einem Partner gesucht. Interesse gab es, wie eine Bahnsprecherin sagt. „Doch es ging kein wertbares Angebot ein.“
Jetzt kümmert sich der Konzern selbst darum und hat einen dreistelligen Millionenbetrag vorgesehen. 2026/27 soll alles fertig sein. One-Fiber-Chef Kremper bietet Hilfe an: Wenn es für das Unternehmen wirtschaftlich und zeitlich sinnvoll sei, werde es innovative Verlegeverfahren für die Lücken einsetzen – um in einem weiteren Schritt in alle Bahnkanäle eigene Glasfaserkabel zu legen.
One Fiber will mit dem Netzausbau vermutlich zum Jahreswechsel 2021/22 starten, wie Kremper sagt. „Unser Ziel ist es, in Teilnetzen zu verlegen und diese Zug um Zug freizuschalten.“Dabei stimmt sich One Fiber mit der Bahn ab. Wichtig: Der Bahnbetrieb darf nicht gestört werden. Binnen fünf Jahren soll das flächendeckende Netz „bis tief in die ländlichen Räume“dann fertig sein. Kremper kennt sich mit der Deutschen Bahn aus. Er war lange Jahre Chef der Güterbahn.
Als Kunden stellt sich One Fiber Unternehmen, Behörden und Telekommunikationsanbieter vor, die zum Beispiel über die Leitungen schnelles Internet für andere Unternehmen oder private Endkunden bereitstellen. Man stehe mit zahlreichen bereits in Kontakt, sagt Kremper, ohne Namen zu nennen.
Glasfaser ist um ein Vielfaches leistungsfähiger als herkömmliche Kupferleitungen. Die Deutsche Telekom beispielsweise, die auch über ein eigenes Netz verfügt, hat Glasfaser in Ballungsräumen bisher meist nur bis zu den grauen Verteilerkästen in den Straßen verlegt, bis zum Haus verlaufen Kupferkabel. Über diese können Kunden mit sogenanntem Vectoring Daten nur bis zu einer Geschwindigkeit von etwa 250 Megabit pro Sekunde herunterladen. Mit einem direkten Glasfaseranschluss sind bis zu 1000 Megabit möglich. Viele Internetkunden kommen bisher allerdings nicht einmal auf 50 Megabit. In Deutschland haben nach Angaben des BreitbandVerbands Breko inzwischen mehr als 15 Prozent aller Haushalte und Unternehmen Zugang zu einem Glasfaseranschluss, Tendenz steigend.
Die Bahn vermarktet ihr Glasfasernetz bereits über ein eigenes Tochterunternehmen, DB Broadband. Telekommunikationsunternehmen können nicht benötigte Kapazität buchen. Das meiste nutzt der Konzern allerdings selbst. Das Glasfasernetz ist wichtig für die Digitalisierung der Strecken: Weichen und Signale werden darüber intelligent gesteuert, sodass mehr Züge auf den Trassen fahren können – Voraussetzung dafür, dass die Bahn bis 2030 die Zahl der Fahrgäste wie geplant verdoppelt.
Die Konkurrenz betrachtet die Pläne von One Fiber skeptisch, das Unternehmen startete erst 2018 und hat bisher noch keinen Zentimeter Glasfaser verlegt. Es beschäftigt derzeit 20 Mitarbeiter, sieht sich in der Endausbaustufe bei 300 bis 400 Mitarbeitern. Darüber, wie das Start-up aus dem saarländischen St. Wendel die 1,8 Milliarden Euro finanzieren will, die das Netz entlang der Schiene nach eigenen Angaben kosten wird, schweigt sich One Fiber bisher aus. Unternehmenschef Kremper spricht von regem Investoreninteresse.
Auch andere Anbieter nutzen bestehende Infrastruktur, etwa Gasline, eines der größten Glasfaserunternehmen Deutschlands. Hinter ihm stehen zehn Versorger, es entstand mit der Marktliberalisierung im Energiesektor 1998. Gasline verlegte zunächst Glasfaserkabel in Extrarohren entlang der Pipelines, inzwischen aber auch an anderen Stellen. Das Netz umfasst derzeit 32 000 Kilometer, bis 2024 sind weitere 3000 Kilometer geplant.
Endkunden kennen Gasline nicht, das Unternehmen stellt die Glasfaser ausschließlich für andere bereit, etwa Stadtwerke, die dann ihren Kunden schnelles Internet bieten können, oder den großen Telekommunikationskonzernen wie Deutsche Telekom, Telefonica und Vodafone.
Ob der One-Fiber-Plan wirklich umgesetzt wird, ist noch nicht sicher, obwohl er weit gediehen ist. Derzeit verhandelt das Unternehmen mit der Bahn. Das Entscheidende fehlt allerdings noch. Kremper sagt: „Es gibt noch keinen unterzeichneten Abwicklungsvertrag.“