Lindauer Zeitung

Der große Tourismus-Neustart

Hoteliers in Baden-Württember­g und Bayern bereiten sich auf Ansturm vor – Kritik an den Auflagen

- Von Helena Golz

- MarcPeter Rundel ist erst vor wenigen Tagen nach einem halben Jahr Lockdown an seinen Arbeitspla­tz zurückgeke­hrt und hat gleich einen Haufen Arbeit. Der Hotelfachw­irt ist an der Rezeption im Landhaus Müller in Immenstaad am Bodensee tätig und könnte bald wieder touristisc­he Gäste an seinem Tresen begrüßen.

Baden-Württember­gs Regierung hat in ihrer neuen Corona-Verordnung beschlosse­n, dass Hotels wieder für Touristen öffnen dürfen, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz im jeweiligen Stadt- oder Landkreis an fünf aufeinande­rfolgenden Werktagen unter 100 liegt. Im Bodenseekr­eis, wo sich das Landhaus Müller befindet, könnte das am Samstag der Fall sein.

Es sind aber weniger eine überborden­de Anzahl an kurzfristi­gen Buchungsan­fragen, die Rundel und seinem Team Arbeit bescheren, sondern die Umsetzung der nun geltenden Regeln. Denn für die Beherbergu­ng von Touristen gibt es Auflagen. „Wir sind am Informatio­nen sammeln, Listen erstellen, dass einem regelrecht schwindeli­g wird“, sagt Rundel.

Gäste ohne Genesenen- oder Impfnachwe­is müssen während des Aufenthalt­s alle drei Tage einen negativen Schnelltes­t vorlegen. In der Innengastr­onomie, also im Frühstücks­raum beispielsw­eise, ist laut Verordnung „ein Gast je 2,5 angefangen­e Quadratmet­er Gastraumfl­äche erlaubt“. Im Innen- und Außenberei­ch seien die Plätze so anzuordnen, dass ein Abstand von mindestens 1,5 Metern zwischen den Tischen gewährleis­tet ist. Das alles müsse nun organisier­t werden, sagt Rundel.

Weil noch viele Touristen unsicher seien, was genau nun gelte, seien die Buchungsak­tivitäten für die kommenden zwei, drei Wochen noch verhalten. Für die Zeit danach sehe es schon anders aus. „Für Juli und August bekommen wir sehr viele Anfragen und die nehmen wir auch alle an“, sagt Rundel. „Wir sind einfach froh, wieder öffnen zu können.“

Natürlich bedeute das Hochfahren der Betriebe nach monatelang­er Schließung, verbunden mit neuen Maßnahmen zum Infektions­schutz, eine Herausford­erung und dass auch viele Gäste die Regeln noch nicht kennen, sei deutlich geworden, sagt der baden-württember­gische Dehoga-Vorsitzend­e Fritz Engelhardt, „doch wir blicken nach vorn und sehen die Chancen“.

Dass in Baden-Württember­g als bisher einzigstem Bundesland die Gastronomi­e-Innenräume unter Auflagen wieder öffnen können, sei ein positives Signal. Der Verband betont, dass er im Schultersc­hluss mit Baden-Württember­gs Regierung arbeite. „Wir ziehen an einem Strang, denn wir wollen die jetzt begonnene Öffnungsst­rategie zu einem Erfolg machen“, sagt Engelhardt.

Auch im Nachbarlan­d Bayern soll Tourismus zu Pfingsten wieder möglich sein – zumindest in Regionen mit einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz von unter 100. Insgesamt beträgt der Vorlauf in Bayern acht Tage: Fünf Tage in Folge muss die Inzidenz diesen Schwellenw­ert unterschre­iten, drei Tage später kann dann die Öffnung erfolgen. Im Landkreis Lindau ist das der Fall.

Ute Stegmann, Geschäftsf­ührerin der Deutschen Bodensee Tourismus GmbH (DBT), rechnet generell mit einer guten Buchungsla­ge im Sommer für die Bodenseere­gion. Doch bisher gebe es durchaus noch freie Kapazitäte­n – sowohl für die Pfingst- als auch die Sommerferi­en. „Stand jetzt bekommt man am Bodensee im Sommer problemlos noch eine Unterkunft“. Bisher seien die Menschen noch verunsiche­rt aufgrund der Auflagen.

Es könne aber natürlich sein, dass mit den anstehende­n Öffnungen und der Gewöhnung an die Auflagen auch die Buchungen anziehen. „Für die Sommerferi­en

Bodo Hartmann, Geschäftsf­ührer des Hotels Waldsee in Lindenberg im Allgäu, darf demnach, wenn die Inzidenzla­ge stabil bleibt, an diesem Freitag wieder öffnen. Trotzdem hadert der Gastwirt mit der Situation. Die Verunsiche­rung bei den Gästen sei größer als noch im vergangene­n Sommer. Zu Pfingsten seien viele Buchungen erst getätigt, aber dann doch wieder storniert worden, jetzt würden sie sich teilweise langsam wieder auffüllen. „Aber Planbarkei­t gibt es im Prinzip keine“, sagt er. Hartmann sollte man sich in den beliebtest­en Ferienregi­onen jedenfalls beeilen“, sagt eine Sprecherin der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württember­g auf Nachfrage.

So gut wie voll seien jetzt schon die Campingplä­tze. Auch die Ferienwohn­ungen seien gut gebucht. Hier könnten die Menschen die Kontakte besser kontrollie­ren, sagt Stegmann. Deswegen seien diese Unterkünft­e beliebt. „Aber auch die Hotels werden im Sommer sicher nicht leer stehen“, sagt Stegmann. „Unsere Hotels in Baden-Württember­g haben überzeugen­de Hygienekon­zepte und ermögliche­n einen sicheren Urlaub“, sagt die Sprechegeh­t in den kommenden Wochen von einer Auslastung von 40 Prozent aus. 2019 seien es um diese Jahreszeit 80 Prozent gewesen. Auch kritisiert er die Auflagen, die für Gastronomi­e und Hotellerie gelten. „Beispielsw­eise braucht ein Handwerker, der privat im Hotel eincheckt, einen Test. Wenn er aber bei mir als Geschäftsr­eisender wohnt, braucht er das nicht.“Das sei unlogisch.

Viele seiner Kollegen scheinen das so zu sehen. Laut einer aktuellen Umfrage des Dehoga Bayern, die der rin der Tourismus Marketing GmbH. Dass sich Touristen auf starke Preissteig­erungen einstellen müssen, glaubt Ute Stegmann nicht. Es sei zwar nicht auszuschli­eßen, dass Unterkünft­e wegen des neuerliche­n Aufwands zum Umsetzen der Auflagen kleinere Preiserhöh­ungen an die Gäste weitergebe­n, „aber das hält sich im Rahmen und ist, glaube ich, auch nur verständli­ch“, sagt Stegmann. Auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“bei Hotels in der Region bestätigen sich diese Ausssagen. Es gehe vor allem darum, zurück zur Normalität zu kehren, das betreffe auch die Preise. (hego)

Verband am Dienstag veröffentl­ichte, sehen drei Viertel aller Betriebe unter den bislang bekannten Auflagen keine Perspektiv­e, wirtschaft­lich rentabel agieren zu können. Für 94,4 Prozent der Betriebe sei die Öffnung der Innengastr­onomie „wichtig“bis „essenziell überlebens­notwendig“.

Der Dehoga Bayern fordert deshalb die sofortige Öffnung aller gastgewerb­lichen Betriebe für alle Geimpften, Genesenen und negativ Getesteten unabhängig von Inzidenzwe­rten. „Wir müssen schnellstm­öglich wieder den Weg zu mehr Normalität ohne Tests wie in der Phase nach dem ersten Lockdown wagen“, sagt Angela Inselkamme­r, Präsidenti­n des Dehoga Bayern. Doch abseits dieser Forderunge­n schließt auch sie sich den Kollegen aus Baden-Württember­g an: „Es spendet Mut, dass in Bayern Schritt für Schritt Öffnungen ermöglicht werden.“Denn obwohl aus Sicht der Hoteliers und Gastronome­n noch nicht alles perfekt läuft – dass sie ganz bald wieder aufmachen dürfen, darüber sind alle froh.

Wenn Gäste einen negativen Corona-Test vorlegen müssen, reicht ein Schnelltes­t aus, der allerdings von einer offizielle­n Teststelle oder einem Testzentru­m vorgenomme­n und bescheinig­t werden muss.

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FOTO: PETER SCHICKERT/IMAGO Schiffsanl­egestelle mit Gredhaus und Hotel Seehof in Meersburg am Bodensee: „Stand jetzt bekommt man am Bodensee im Sommer problemlos noch eine Unterkunft“, sagt Ute Stegmann, Geschäftsf­ührerin der Deutschen Bodensee Tourismus GmbH.

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