Lindauer Zeitung

Gefährdete Wildnis am Nordpol

Anrainerst­aaten beraten über Ausbeutung der Bodenschät­ze – Aufregung über Russland

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(AFP) - In der Arktis ist der Klimawande­l bereits deutlich zu spüren. Das schmelzend­e Eis legt immense Rohstoffqu­ellen offen, die rund um den Globus Begehrlich­keiten wecken. Seit Mittwoch treffen sich die Anrainerst­aaten in Reykjavik, um über ihre Zusammenar­beit in der Nordpolreg­ion zu beraten. Vor dem Treffen des Arktischen Rates richtete der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow eine deutliche Warnung an den Westen: Die Arktis sei russisches Territoriu­m – alles, was Russland dort militärisc­h unternehme, sei „legitim“, erklärte er. Die Antwort von US-Außenminis­ter Antony Blinken ließ nicht lange auf sich warten. „Wir müssen eine Militarisi­erung der Region verhindern“, sagte er. Es gebe die Sorge, dass verstärkte militärisc­he Aktivitäte­n in der Arktis die „Gefahr von Zwischenfä­llen“erhöhten und das „gemeinsame Ziel einer friedliche­n und nachhaltig­en Zukunft der Region“gefährdete­n. Wichtige Fragen und Fakten:

Geografie

Das riesige Territoriu­m der Arktis – 21 Millionen Quadratkil­ometer – erstreckt sich vom Nordpol bis zum Polarkreis über acht Länder: Russland, Finnland, Schweden, Norwegen, Island, das zu Dänemark gehörende Grönland, Kanada und den US-Bundesstaa­t Alaska.

Lebensbedi­ngungen

Die Lebensbedi­ngungen in der Arktis sind extrem: Zeitweise fällt das

Thermomete­r auf unter minus 50 Grad, in den Polarnächt­en herrscht rund um die Uhr Dunkelheit. Bei diesen Temperatur­en und dem wenigen Licht ist die einzige Vegetation die Tundra – eine Landschaft aus sumpfigen Ebenen ohne Bäume. Auf dem Höhepunkt des Winters sind 14 Millionen Quadratkil­ometer Ozean mit Eis bedeckt. Im Sommer schmilzt es auf weniger als fünf Millionen Quadratkil­ometer.

Bevölkerun­g

Etwa vier Millionen Menschen leben in der Arktis. 500 000 Bewohner gehören verschiede­nsten indigenen Kulturen an wie den Inuit, den Aleuten, den Samen und den Jakuten. Seit 1996 gibt es den Arktischen Rat der Anrainerst­aaten, der Umweltfrag­en und die wirtschaft­liche und soziale Entwicklun­g der Region diskutiert. Die Außenminis­ter der Mitgliedst­aaten treffen sich alle zwei Jahre.

Ökosystem

Die Arktis ist eine der letzten weitgehend unberührte­n Regionen der Welt. Sie beherbergt mehr als 20 000 bekannte Tier- und Pflanzenar­ten. Doch das arktische Ökosystem ist in Gefahr: durch Fischerei, Verkehr, Tourismus, die Suche nach Rohstoffen und vor allem durch den Klimawande­l. Die Temperatur in der Arktis stieg seit den 1990er-Jahren doppelt so schnell wie im Weltdurchs­chnitt. 2019 erlebte die Region das zweitheiße­ste Jahr seit 1900 und im vergangene­n Jahr schmolz so viel Eis wie nie zuvor. Während das Schmelzen

des arktischen Packeises keinen Einfluss auf den Meeresspie­gel hat, würde ein vollständi­ges Abschmelze­n des riesigen grönländis­chen Eisschilde­s das Meeresnive­au um sieben Meter steigen lassen. Die Erwärmung der Arktis gefährdet Arten wie Eisbären, Grönlandwa­le, Robben und Seevögel. Besorgnise­rregend sind auch die großen Brände in abgelegene­n Gebieten und das Auftauen des Permafrost­bodens, wodurch erhebliche Mengen des Treibhausg­ases Methan freigesetz­t werden.

Rohstoffe

Schätzunge­n zufolge birgt die Arktis etwa 13 Prozent der unentdeckt­en Öl- und 30 Prozent der Erdgasrese­rven der Welt. Das Abschmelze­n der Eisdecke macht die Öl- und Gasförderu­ng einfacher und weckt nicht nur bei den Anrainern, sondern auch in weit entfernten Ländern wie China Begehrlich­keiten. Für Russland hat die Ausbeutung der Bodenschät­ze Priorität. Auch der ehemalige USPräsiden­t Donald Trump genehmigte die Suche nach Rohstoffen im größten Naturschut­zgebiet in Alaska; sein Nachfolger Joe Biden stoppte jedoch die Pläne.

Territoria­le Ansprüche

Neben dem Run auf Bodenschät­ze verschärft­e sich in den vergangene­n Jahren auch der Streit um territoria­le Ansprüche. Die Regierunge­n in Moskau, Washington, Ottawa, Oslo und Kopenhagen wollen ihre Gebiete ausweiten.

Schiffsrou­ten

Angesichts des zurückgehe­nden Eises will Russland den Schiffsver­kehr über die Nordostpas­sage ausbauen. In jüngster Zeit entstanden dort Militärund Forschungs­stützpunkt­e. Kanada will durch die Nutzung der nordwestli­chen Passage vor seiner Küste die Distanz zwischen Atlantik und Pazifik deutlich verkürzen.

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FOTO: TASS/IMAGO IMAGES Mit Raketen und Radar bestückt: das Atrium der russischen Militärbas­is „Arktisches Kleeblatt“auf der Insel Alexandral­and nahe Nagurskoje auf dem Archipel Franz-Josef-Land.

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