Für Häuslebauer wird es immer schwieriger
Materialengpässe und Hamsterkäufe treiben die Preise von Baustoffen in die Höhe
- Johannes Schwörer registriert eine „extreme Verunsicherung am Markt“und „Panikkäufe bei den Firmen“. „Alle versuchen ihre Lager aufzufüllen und heizen damit die aktuelle Misere nur noch mehr an“, erzählt der Chef von SchwörerHaus, einem der führenden Holz-Fertighaushersteller in Deutschland mit Sitz in HohensteinOberstetten auf der Schwäbischen Alb. Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung sei das, was sich gerade auf vielen Baustellen landauf, landab abspiele – Baumaterialien wie Holz, Beton, Stahl oder Dämmstoffe werden knapp, die Preise gehen durch die Decke. „Wer mit Lieferschwierigkeiten und steigenden Preisen rechnet, der deckt sich ein so gut es geht und kauft, was er kriegen kann“, sagt Schwörer kopfschüttelnd, den die Situation an die Klopapier-Hamsterkäufe vor Jahresfrist erinnern. Es ist wie an der Börse, wenn die Kurse in Erwartung weiter steigender Notierungen eine Eigendynamik entwickeln, die mit fundamentalen Bewertungsfaktoren nichts mehr zu tun hat.
Vor wenigen Tagen erst attestierte das Münchner ifo-Institut der deutschen Baubranche einen „erheblichen“Materialmangel, nachdem die Wirtschaftsforscher 800 Unternehmen aus dem Sektor befragt hatten. „Das ist ein beispielloser Engpass seit 1991“, resümierte ifo-Experte Felix Leiss. Durch den Materialmangel sei es im April zumindest vorübergehend zu einer Beeinträchtigung der Bautätigkeit gekommen. Vor allem bei Bauholz kam es zuletzt zu Lieferengpässen und starken Preisanstiegen. Kostenzuwächse von bis zu 300 Prozent im Jahresvergleich seien keine Seltenheit, hieß es zuletzt aus der Zimmereibranche.
Einen Erklärungsversuch für den Materialmangel lieferten die Münchner Experten gleich mit: Es sei zu vermuten, dass Kapazitäten wegen Corona heruntergefahren wurden und die Nachfrage dann schneller angezogen habe als erwartet. Auch Sonderfaktoren bei der Produktion könnten eine Rolle gespielt haben, zum Beispiel der Wintereinbruch in den USA, der die Holzproduktion, die Weiterverarbeitung und den Transport verzögert habe. Immer wieder wird auch der Holzhunger Chinas als Begründung für die aktuelle Knappheit genannt.
Für Johannes Schwörer, der zugleich Präsident des Hauptverbandes der deutschen Holzindustrie ist, taugen die Erklärungsversuche nur bedingt. Ja, die Exporte nach China und in die USA seien gestiegen. Doch vor allem deshalb, weil die Mengen an Schadholz durch die Borkenkäferplage hierzulande gar nicht verarbeitet werden konnten. „Es fällt mir deshalb sehr schwer, der Argumentation zu glauben, dass in Deutschland kein Holz mehr da sein sollte“, sagt Schwörer.
Konsequenzen in Anbetracht der aktuellen Situation auf den Beschaffungsmärkten muss der Unternehmer dennoch ziehen. Für Neukunden wird ein Schwörer Haus um 7,5 Prozent teurer. Zum 1. Juni hebt das Unternehmen seine Preise zunächst um fünf Prozent an. Sollte sich die Lage bis zur Jahresmitte nicht entspannen, kämen zum 1. Juli noch einmal 2,5 Prozent obendrauf. Kunden, die mit SchwörerHaus einen Festpreis vereinbart hätten, seien davon aber nicht betroffen, verspricht der Firmeninhaber.
Und damit ist das Thema beim Endkunden. War der Bau oder der Kauf von Immobilien und Wohnungen in Deutschland schon bisher kein Schnäppchen, dürfte privates Wohneigentum für viele künftig noch unerschwinglicher werden. Häuslebauer berichten, dass ihre Bauvorhaben aktuell um etliche Zehntausend Euro teurer ausfallen als noch vor Jahresfrist. Die alte Gleichung Fleiß im Beruf gleich Eigenheim – sie geht bei immer weniger Deutschen auf.
Allein mit dem Geld, das eine Bürgerin oder ein Bürger mit Erwerbsarbeit verdient, ließen sich viele Immobilien heute kaum mehr bezahlen, bilanzierte jüngst das Institut der Deutschen Wirtschaft. Die Preise, und damit das mitzubringende Eigenkapital, sind den Löhnen und Sparguthaben komplett enteilt. Jedem Arbeitnehmer in Deutschland stand 2019 durchschnittlich ein Nettoverdienst von rund 2075 Euro im Monat zur Verfügung, ein Viertel mehr als noch 2010. Auch die Geldvermögen stiegen ordentlich. Die
Hauspreise sind aber im gleichen Zeitraum regelrecht explodiert – um plus 53 Prozent. Ohne Erbschaft, Schenkung oder Privatkredit schaffen es immer weniger in die eigenen vier Wände – trotz historisch niedriger Hypothekenzinsen.
Ein Einfamilienhaus sei aktuell „mindestens zehn Prozent teurer“als vor Jahresfrist, schätzt Joachim Krimmer, Präsident der Handwerkskammer Ulm, und er stellt die Frage in den Raum „wie lange sich Bauherren das noch leisten können“. Getrieben würden die Preise zwar auch von höheren Löhnen, der CO2-Besteuerung und einer sehr guten Branchenkonjunktur, sagt der oberste Handwerker zwischen Ostalb und Bodensee. Teurere Baustoffe machten aktuell aber den Löwenanteil aus. Im Heizungsbau seien die Materialkosten um zehn bis 20 Prozent gestiegen, berichtet der Handwerkspräsident, der auch Inhaber der Sanitärund Heizungsbaufirma Otto Krimmer OHG in Leutkirch ist. Und Zimmereien hätten ihm jüngst sogar von Holzhändlern berichtet, die wegen
Auftragsüberhängen keinerlei Bestellungen mehr entgegennehmen würden.
Krimmer sieht bei den Handwerksbetrieben zwar auch eine gewisse „Hamsterei“. Einen richtigen Reim auf den Mangel und die Preisexplosion bei Baustoffen kann er sich gleichwohl nicht machen. „Warum werden denn auf einmal Dämmstoffe knapp?“, fragt Krimmer und schickt seine Erklärung dafür gleich hinterher: „Das kann nur aus einer reduzierten Produktion resultieren.“Krimmer mutmaßt, dass etliche Hersteller von Baustoffen mit Verweis auf Corona nach wie vor die attraktiven Kurzarbeitsregelungen ausnutzten und damit die Preise treiben. Der Verbandspräsident fordert „Kurzarbeit zu reduzieren, wo das möglich ist“. Knauf, einer der führenden Hersteller von Produkten und Systemen für Trockenbau, Boden, Putz und Fassade, lehnte auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“eine Stellungnahme ab.
Unterdessen rät Krimmer den 19 500 Mitgliedsunternehmen im Kammerbezirk Ulm, in Verträgen mit privaten und öffentlichen Auftraggebern Preisgleitklauseln zu vereinbaren. Damit können Rohstoffkosten variabel an Kunden weitergegeben werden. „In den vergangenen Jahren haben die Handwerksbetriebe darauf verzichtet und sich stattdessen auf Festpreise eingelassen“, sagt Krimmer. Das räche sich nun, denn die höheren Materialpreise fräßen die Marge auf.
Doch selbst Festpreise schützen nicht unbedingt vor höheren Kosten. So berichten Bauherren der „Schwäbischen Zeitung“von nicht nachvollziehbaren Verzögerungen im Baufortschritt ihrer Projekte. Der Verdacht: Die Firmen versuchen, sich mit einer Hinhaltetaktik aus der Preisbindungsfrist zu mogeln, um die zwischenzeitlich höheren Einkaufspreise auf die Endkunden abwälzen zu können. Und diese Nachzahlungen können mitunter happig ausfallen.
Johannes Schwörer glaubt zwar nicht, dass „der Wahnsinn mit den hohen Baustoffpreisen“anhält. Angebot und Nachfrage würden sich über kurz oder lang wieder einpendeln. Doch Bauherren sollten sich keine allzu großen Hoffnungen machen, dass dann auch die Baupreise wieder nachgeben. „Es wird nicht günstiger werden“, prognostiziert Schwörer.