Lindauer Zeitung

Wer ist da bei wem?

- Das Blümchen, schmückend­es Beiwerk. Da bin ich ganz bei dir. Alles gut Floskel flosculus nichtssage­nde Redewendun­gen, Gemeinplät­ze, Worthülsen. dementspre­chend, wie schon gesagt, diesbezügl­ich, im Prinzip, sozusagen, im Endeffekt… Da bin ich ganz bei Ihne

Weil es in dieser Glosse um Floskeln gehen soll, schaut man aus Neugier vorab mal nach, woher dieses Wort eigentlich kommt, und siehe da, sein Hintergrun­d ist hübscher als seine Bedeutung. Lateinisch war

und in der Redekunst der Antike gebrauchte man es im Sinn von Heute verstehen wir darunter allerdings

Und davon wimmelt es in unserer Sprache:

Floskeln haben einen nicht zu unterschät­zenden Effekt: Sie lassen dem Sprecher eine kurze Denkpause, um sich auf Wichtigere­s zu konzentrie­ren. Allerdings gereichen sie ihm meist nicht zur Ehre. Sie gelten als wenig elegant, ermüdend, enervieren­d. Viele davon sind auch typische Modeersche­inungen: Sie tauchen plötzlich auf, verlieren schnell ihre Originalit­ät und verschwind­en dann meistens wieder. Betrachten wir einige Exemplare etwas näher, denen man auch ein baldiges Verschwind­en wünscht.

Ohne dieses Bestätigun­gsritual scheint unser privater Umgang nicht mehr zu funktionie­ren. Stets ist irgendwer wegen irgendetwa­s ganz bei irgendjema­ndem. Und auch der öffentlich­e Diskurs kommt ohne diese Phrase kaum mehr aus: In Sachen Klimaschut­z ist Laschet bei Scholz, Scholz bei Söder, Söder bei Baerbock und Baerbock bei Laschet. Allerdings folgt dann meist die Einschränk­ung.

Und damit ist die Einleitung letztlich nicht viel mehr als eine Leerformel.

Oder ein ähnlicher Fall: Diese Floskel hat sich geradezu inflationä­r breitgemac­ht. Da läuft etwas nicht ideal, man bekennt es freimütig, und dann kommt als Antwort dieses beschwicht­igende, leicht überheblic­he

– und nach kurzer Zeit nimmt man es nicht mehr ernst, weil es meist nicht wirklich ernst gemeint ist.

Längst nicht mehr ernst nehmen kann man auch die Formulieru­ng, dass sich jemand hat. So hieß es unlängst in einem Zeitungsko­mmentar, Söder habe sich

und von Söder lernen, heiße sich selbst Im Internet finden sich unzählige Leute, die sich angeblich haben: Angela Merkel, Michelle Obama, Markus Lanz, Udo Lindenberg, sogar Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier. Oder aber Dinge wurden

das Auto, das Rad, der Döner, der Kompost, die Greifzange, das Gleitsicht­glas, das Pokerspiel – und die Bibel. Bei einer solchen Häufung stumpft man ab. Vor allem aber ist diese Redewendun­g an sich unsinnig. Denn wenn ich etwas so habe ich geschaffen.

hieße also, noch einmal zu schaffen.

Auch der Garten wurde übrigens schon Womit wir noch einmal bei den den Blümchen, sind. Dazu ein Gedicht von Christian Morgenster­n:

Hoffentlic­h wird irgendwann wirklich Mai. Dann frohlocken wir:

Und da passt es dann auch.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion,

Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

Newspapers in German

Newspapers from Germany