Lindauer Zeitung

Fünf Jahre nach der tödlichen Flut

Nach Dauerregen und einem Dammbruch versinken 2016 Teile der Stadt Simbach am Inn

- Von Ute Wessels

(lby) - Mehrere Meter hoch ist die Flutwelle, die am 1. Juni 2016 nach tagelangem Regen durch Simbach am Inn rauscht. Die Wassermass­en zerstören Häuser, schwemmen Autos davon und reißen fünf Menschen in den Tod. Das „Jahrtausen­dhochwasse­r“verwandelt Teile des Ortes in eine Geistersta­dt. Fünf Jahre später sind die kaputten Häuser wieder aufgebaut oder weggerisse­n, Kanalisati­on und Straßen saniert. Die Arbeiten zum Hochwasser­schutz werden jedoch noch vier bis fünf Jahre dauern, schätzt Bürgermeis­ter Klaus Schmid (CSU).

Die Katastroph­e präge den Alltag in der 10 000-Einwohner-Stadt im Landkreis Rottal-Inn inzwischen nicht mehr so stark, sagt der Rathausche­f. Es stehen noch einzelne Geschäfte leer, einige Baustellen erinnern ebenso an das Geschehen wie zahlreiche frisch gestrichen­e Fassaden. Das Bächlein, das damals zur monströsen Flut anschwoll – der Simbach – plätschert friedlich durch sein steinernes Bachbett.

Ein Radfahrer stoppt beim Anblick des Pressefoto­grafen und erzählt drauflos: „Es war unfassbar. So viel Wasser! Und wie schnell das ging!“Eine halbe Stunde vor dem Hochwasser sei seine Frau noch die Straße entlang geradelt. „Nur wenig später – und sie wäre von der Flut mitgerisse­n worden.“

Bürgermeis­ter Schmid sitzt in seinem Büro und schlägt einen Bildband auf. Darin gesammelt sind Fotos der Katastroph­e. Sie zeigen die gewaltigen, braunen Wassermass­en, in denen Baumstämme und Autos schwimmen, zerstörte Gebäude, Schutt und Dreck. Und sie zeugen von der enormen Solidaritä­t, die die Menschen in der Stadt damals erlebten. Unzählige Freiwillig­e rückten mit Eimern und Schaufeln an, schippten Schlamm und schleppten kaputte Möbel aus den Häusern. Andere brachten Semmeln und Getränke.

„Die Hilfsberei­tschaft war riesig“, sagt eine Anwohnerin, die ihren Namen nicht nennen möchte. „Es sind bei uns im Haus 17 Stufen bis in den ersten Stock. Das Wasser ging bis Stufe 14.“Als sie mittags von der Arbeit heimgefahr­en sei, habe der Simbach zwar viel Wasser gehabt, sagt sie. Dass nur eine Stunde später ihr Haus geflutet werden würde, habe sie sich „im Traum nicht vorstellen können“.

Die Anwohnerin steht in ihrem Vorgarten und erinnert sich: Wie sie von ersten Kellern hört, in denen Wasser steht. Wie eine nahe gelegene Wiese überschwem­mt wird. „Da kamen Entlein angeschwom­men.“Wenig später fließt Wasser die Straße hinab und auch in ihr Haus hinein. „Das Wasser ist gestiegen, gestiegen und gestiegen. Gott sei Dank bin ich nicht in den Keller gegangen, da wäre ich nicht mehr rausgekomm­en.“Einer ihrer Nachbarn ertrinkt in der Flut.

In der Not greift die Frau, was sie auf die Schnelle greifen kann – Schuhe und Dokumente – und wirft es die Treppe hinauf in den ersten Stock. Binnen Minuten läuft alles voll. In den oberen Räumen wartet sie mit ihrem Mann auf Hilfe. Sie hören, wie die Wassermass­en die Einrichtun­g im Erdgeschos­s zerstören: Es rumpelt, wenn wieder ein Schrank umkippt. Im Wasser auf der Straße schwimmen dicke Karpfen.

Als die Flut weg ist, beginnt das Aufräumen. Nach vier Wochen hätten sie im Obergescho­ss wieder wohnen können, eine Kochplatte in der Garage habe als Küchenersa­tz gedient, so die Frau. Acht Monate lang seien rund um die Uhr die Trocknungs­geräte gelaufen. Bis alles fertig saniert war, seien zwei Jahre vergangen. Wenn es jetzt stark regnet? „Das macht mich nicht nervös. So etwas passiert kein zweites Mal.“

Außerdem vertraut sie auf die Hochwasser­maßnahmen, die in der Stadt ergriffen werden. Für 40 bis 45 Millionen Euro wird das Bachbett des Simbachs verbreiter­t. Das Bächlein schlängelt sich in engen Kurven durch die Stadt und mündet in den Inn. Ein Teil der Maßnahmen sei bereits fertiggest­ellt, sagt Bürgermeis­ter Schmid.

Unterstütz­t wird die Stadt bei den Planungen unter anderem von Experten der Universitä­t für Bodenkultu­r in Wien, die die Hochwasser­katastroph­e, der ein 37-stündiger Regen und ein Dammbruch vorausging­en, damals rekonstrui­ert hatten.

Auch wenn der Blick in Simbach in die Zukunft gerichtet ist: In Vergessenh­eit soll das Drama vom 1. Juni 2016 nicht geraten. Am Jahrestag wollen die Menschen bei einer Gedenkstun­de an die fünf Mitbürger erinnern, die in den Fluten ums Leben kamen.

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FOTO: SVEN HOPPE, ARMIN WEIGEL/DPA Bayern, Simbach am Inn: Die Bildkombo zeigt einen von der Flut betroffene­n Ortsteil, oben Archivaufn­ahme vom 3. Juni 2016, unten ein aktuelles Foto.

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