Bergwacht warnt vor Übermut
Die Auflagen während der Corona-Pandemie treiben auch Unerfahrene in Wälder und Berge
- Die Pandemie hat die Lust auf Heimaturlaub neu entfacht. Vor allem die Berge sind ein Ziel. Nicht immer verfügen Touristen auch über die nötige Erfahrung, was die Retter zu spüren bekommen.
Dass auch in diesem Sommer wieder viele Wanderer in den Bergen unterwegs sein werden, da sind sich die Bergwachten der Region einig und bereiten sich entsprechend vor. Zwar rechnen sie aufgrund des pandemiebedingten Inlandstourismus nicht mit Chaos – aber eine spezielle Gefahr sehen sie durchaus.
„Ich erwarte, dass in den Bergen viel los sein wird“, sagt Peter Haberstock von der Bergwacht Allgäu. Der Regionalgeschäftsführer weiß, dass sich die Zahlen in den letzten Jahren deutlich nach oben entwickelt haben – auch schon vor der Corona-Krise. Vor allem junge Menschen seien immer häufiger in den Bergen unterwegs. Dass die Berge mittlerweile überrannt würden, wie es oft heißt, findet er aber nicht. Haberstock geht davon aus, dass sich das Niveau auf dem des letzten Jahres einpendeln wird. Mit „Chaos in den Bergen“aufgrund von Massentourismus rechnet er jedoch nicht.
Von einem „heftigen“letzten Jahr spricht hingegen Raimund Wimmer von der Bergwacht Oberschwaben. Seine Mannschaft habe deutlich mehr Einsätze verzeichnet, als in den Jahren davor. Vor allem Wanderer,
Mountainbiker und Gleitschirmflieger seien in schwierigem Gelände verunglückt. Waren es im Mai 2019 noch 51 Einsätze, sind es ein Jahr später schon 70.
Auch der Deutsche Alpenverein bestätigt einen Anstieg an Touristen in den beliebten Bergregionen. „An den Hotspots im bayerischen Alpenraum waren die Verhältnisse auch im Winter teilweise grenzwertig“, sagt Thomas Urban, Geschäftsführer der größten DAV-Sektion München .
Deshalb würde man sich besonders um das Thema Sicherheit kümmern. „Im Vorstand des Alpenvereins haben wir beschlossen, unser Ausbildungsprogramm München und Oberland deutlich auszubauen“, sagt Urban. „Nicht um noch mehr Menschen ins Gebirge zu holen, sondern um diejenigen, die ins Gebirge gehen, eine entsprechende Ausbildung mitzugeben.“
Dass auch in diesem Sommer die Ausflugsziele und Hotspots gut besucht sein werden, lässt eine Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts YouGov vermuten. Demnach zieht es mehr als ein Viertel
der Menschen während der Corona-Krise vermehrt an die frische Luft. Ein gutes Drittel der Befragten hat für sich dabei neue Aktivitäten entdeckt. Der enorme Andrang an Ausflugszielen sorgte im Laufe der Corona-Krise immer wieder für Diskussionen: Anwohner in Gemeinden am Alpenrand protestierten gegen zu viele Besucher, Staus und falsch geparkte Autos.
„Gefühlt nehmen die Sondereinsätze zu“, sagt Haberstock von der Bergwacht Allgäu. Damit meint er Einsätze, bei denen Wanderer sich beispielsweise verlaufen haben. „Das kann Zufall sein oder an Leuten mit wenig Erfahrung liegen“, sagt er.
Was Bergretter und Alpenverein bereits vor der Corona-Krise mit Sorgen feststellten, gilt auch weiterhin: Bei manchen Touristen vermittelt das Handy ein falsches Sicherheitsgefühl mit der Annahme, jederzeit einfach die Bergwacht rufen zu können. Nachdem in den Jahren zuvor die Einsätze bei der Bergwacht Allgäu zugenommen hatten, sind es im letzten Jahr etwas weniger geworden. Der Grund für den Rückgang: Die Skisaison war 2020 deutlich früher zu Ende, als sonst üblich, oder fiel mancherorts gar ganz aus. Waren es 2019 insgesamt 2825 Einsätze, sind es ein Jahr später rund 600 weniger. In der Bergsaison 2020 gab es ähnlich viele Einsätze wie im Jahr zuvor: Von Mai bis Oktober hatte die Bergwacht 692 Einsätze, im Jahr 2019 waren es 715.