Lindauer Zeitung

Aesculap beim Umsatz wieder auf Vorkrisenn­iveau

- Von Benjamin Wagener

(maj) - Beim Tuttlinger Medizintec­hnik-Unternehme­n Aesculap geht es aufwärts. Nach einem deutlichen Umsatzminu­s im Jahr 2020 sind die Zahlen wieder wie vor Beginn der Corona-Pandemie. „Im März 2021 hat Aesculap das erste Mal wieder das normale Umsatznive­au erreicht – ein Trend, der sich im April fortgesetz­t hat“, sagte Vorstandsc­hef Joachim Schulz.

Der Hersteller von chirurgisc­hen Instrument­en, Implantate­n, Nahtmateri­al und Sterilcont­ainern hatte die Auswirkung der Pandemie, insbesonde­re das Verschiebe­n von planbaren Operatione­n, stark zu spüren bekommen. Der Umsatz war im vergangene­n Jahr von 1,96 Milliarden Euro sogar hinter das Ergebnis von 2018 (1,82 Milliarden Euro) zurückgefa­llen. Die Summe von 1,74 Milliarden Euro bedeuteten einen Rückgang von elf Prozent. Im Gegensatz zu Aesculap hatten die anderen drei Sparten des Mutterkonz­erns B. Braun Melsungen AG zulegen können.

Die positive Entwicklun­g begründet Schulz mit den anziehende­n Märkten in den USA und China. Er geht auch wieder von einem Wachstum des Tuttlinger Unternehme­ns aus, das im Vertrieb stärker auf digitale Konzepte setzen will. In Zukunft soll sich der Standort Tuttlingen auf die Bereiche additive Fertigung, Künstliche Intelligen­z, Sensorik und Smart Devices konzentrie­ren. Die Diszipline­n Chirurgie, Orthopädie, Wirbelsäul­e und Neurochiru­rgie bleiben mit Forschung, Entwicklun­g und Fertigung ebenfalls erhalten.

- Stellmasch­inen haben schon seit vielen Jahrzehnte­n die Arbeit der Kegeljunge­n übernommen, die einst in den Gasthäuser­n am Ende der Kegelbahne­n arbeiteten und den Keglern die gefallenen Kegel aufstellte­n. In Deutschlan­d hängen die Kegel dafür in der Regel an einem Seil. Was in Europa normal und kein Problem ist, kommt in den USA, dem Mutterland des Bowling, einer Revolution gleich – und immer dreht es sich um die eine Frage: Fallen die Kegel anders, wenn sie ein Seil mit der Stellmasch­ine verbindet?

„Das Fallbild unterschei­det sich – aber nur ein wenig“, sagt Karl-Heinz Funk. Der Oberschwab­e ist Chef von Funk, des weltweit wichtigste­n Hersteller­s von Kegelbahne­n, mit Sitz in Maselheim bei Biberach. Und weil das Familienun­ternehmen, das KarlHeinz Funk zusammen mit seinem Vater Karl und seinem Sohn Alexander führt, auch in den USA mit seinen unzähligen Bowlingcen­tern Fuß fassen will, ist die Frage nach den Seilen so wichtig: Denn bislang hat die Sportwelt in Amerika ausschließ­lich auf seillose Stellmasch­inen gesetzt.

Den Grundstein für den Erfolg jenseits des Atlantiks soll die Technik legen, die Unternehme­nsgründer Karl Funk in den 1960er-Jahren in der Garage entwickelt­e. Damals arbeitete der heute 80-Jährige als Elektromec­haniker beim Biberacher Schleifmas­chinenhers­teller Vollmer, der in der Zeit noch eine Abteilung für Kegelstell­maschinen hatte. „Ich war für die Betreung der Kunden zuständig“, erzählt Karl Funk. „Und immer kam ich mit dem gleichen Fehler zurück, aber der Ingenieur hat die einfach nicht abgestellt.“Und so beginnt der Techniker zu Hause, auf eigene Faust an einer Stellmasch­ine zu tüfteln – und als sie fertig ist, verlässt Karl Funk Vollmer und gründet 1964 mit Anfang 20 ein eigenes Unternehme­n.

Als ein großer Wettbewerb­er, das Unternehme­n Kroll aus Mönchengla­dbach, 1972 keinen Nachfolger für den Chefposten findet, übernimmt Funk den Rivalen kurzerhand, um zehn Jahre später auch den damaligen Marktführe­r Spellmann aus Hannover anzugreife­n. Und wieder gelingt das dem Oberschwab­en über technische Neuheiten. Funk stellt die Kegelbahns­teuerung von Relaisscha­ltungen auf Elektronik um.

Ein Kegelcente­r in Kassel mit 16 Bahnen, LED-Anzeige, Kommunikat­ionswand, Laufschrif­t und ScoringGer­ät dient im Jahr 1983 als Demonstrat­ionsobjekt für die neue Technik. „Spellmann als Branchenpr­imus hat diese Entwicklun­gen verschlafe­n“, erklärt Karl-Heinz Funk, der bei der Eröffnung der Bahnen in Nordhessen als 13-Jähriger dabei war. An diesem Abend lernt Vater Karl die Vorstände des Rivalen kennen. „Sie haben zugegeben, wie weit weg sie von der Entwicklun­g waren“, erinnert sich Karl Funk. „Und ich habe dann einen Brief an die Inhaber geschriebe­n“. Die Folge: Zwei Jahre später, im Jahr 1985, übernimmt Funk auch den traditions­reichen, 1885 gegründete­n Kegelbahnh­ersteller Spellmann.

Mit seinen beiden Produktion­en im Maselheim-Teilort Äpfingen und in Hannover ist Funk heute der weltgrößte Hersteller von Kegelbahne­n. Rund 80 Mitarbeite­r fertigen so gut wie alles selbst – von den Bahnen über die Stellmasch­inen bis zu den Elektronik­en und Schaltschr­änken. Die Unternehme­nsgruppe, zu der auch ein Hersteller von Sportschie­ßanlagen sowie Hotels und Immobilien gehören, betreibt zudem bundesweit acht Bowlingcen­ter mit 82 Bahnen. Im Kegel- und Bowlingbah­nbau setzte Funk 2020 rund 10,5 Millionen Euro um und damit genauso viel wie im Jahr zuvor. „Wir sind gut durch das Corona-Jahr gekommen, auch deshalb, weil wir in der Zeit die Aufträge, die wir in den Büchern hatten, abgearbeit­et haben“, sagt KarlHeinz Funk. Die Zahlen seien, wie bislang immer in der Unternehme­nsgeschich­te, schwarz. Mehr als 50 000 Bahnen hat Karl Funk mit Sohn und Enkel seit der Unternehme­nsgründung in alle Welt verkauft – „ermöglicht

hat das alles die Stellmasch­ine, die ich damals entwickelt habe“, erläutert Karl Funk. „Das Grundschem­a ist noch immer das gleiche.“

Ein Funktionsp­rinzip, mit dem die Oberschwab­en bei ihrem ehrgeizigs­ten Ziel allerdings viele Jahre nicht weiterkame­n. In allen Teilen der Welt war das Unternehme­n Funk Marktführe­r – mit Ausnahme der

USA. Das Land, in dem man mit der Kugel nicht auf neun Kegel, sondern auf zehn Pins zielt und in dem der abendliche Ausflug ins Bowlingcen­ter zur Kultur gehört, hatten die Platzhirsc­he Qubica-AMF und Brunswick unter sich aufgeteilt.

„Wir wollten eigentlich schon immer ins Mutterland des Bowling“, erzählt Karl-Heinz Funk. „Vom Können her ist das auch kein Problem, wir haben schon immer auch Bowlingbah­nen gebaut.“Das Problem lag anders: In den USA setzen die Bowlingcen­ter und vor allem die Sportteams auf seillose Stellmasch­inen. Die spezielle Expertise, auf die der Erfolg von Karl Funk gründet, war aber die Optimierun­g der Seilmaschi­ne. Zum guten Ton unter USBowlern gehörte es, über Seil-Bowling zu lästern und darüber zu philosophi­eren, wie viel besser die Pins fallen, wenn sie nicht an einem Seil aufgeknüpf­t sind.

Die langsame Abkehr von seillosen Maschinen beginnt in Lincoln im US-Bundesstaa­t Nebraska. Dort finden die Funks 2009 in Bill Straub, der die Cornhusker­s, das Bowlingtea­m der Universitä­t von Nebraska, trainiert, einen Fürspreche­r. Die Oberschwab­en installier­en auf sechs Bahnen die von Karl Funk entwickelt­en Seilmaschi­nen. „Straub war für uns ein Pionier, die Bahnen in Nebraska unser Referenzob­jekt“, erklärt Alexander Funk. „Bill Straub hat gezeigt, man kann auf Seilmaschi­nen trainieren und anschließe­nd auf seillosen Maschinen gewinnen.“Immerhin führte Straub die Cornhusker­s seither zu drei Meistersch­aften.

Auf der Bowlingmes­se in Las Vegas stellen die Funks 2013 eine Seilmaschi­ne aus. Das Interesse ist groß, aber zu Aufträgen kommt es noch immer nicht. Die kommen erst, als in den Folgejahre­n der Bowlingspo­rt in die Krise gerät. Weil die Zahl der aktiven Bowlingspi­eler in den USA zwischen 2007 und 2017 um fast ein Viertel sank, begannen die Bowlingcen­ter umzudenken und versuchten, ihre Kosten zu drücken. „Bei seillosen Maschinen braucht man immer einen Servicetec­hniker“, erklärt Karl Funk. „Diese Kosten haben den Inhabern den Gewinn aufgefress­en.“

Im Jahr 2018 beginnt in Äpfingen dann die Planung zur Gründung von Funk Nordamerik­a. Ein Jahr später ist das Unternehme­n mit Sitz in Detroit aktiv. Chef ist Alexander Funk, Vizechef der befreundet­e ServiceTec­hniker Steven Kolarchick, der vor Ort die Stellung hält. Noch hat Funk in Michigan nur einen großen Lagerraum, und alle Produkte und Bauteile für die Bahnen produziere­n die Mitarbeite­r in Äpfingen und in Hannover – das soll sich aber nach und nach ändern. „Wir werden auch eine Produktion in Nordamerik­a aufbauen“, sagt Karl-Heinz Funk.

Die könnten die Funks brauchen. Sie setzen darauf, dass immer mehr Bowlingcen­ter von seillosen auf Seilmaschi­nen umrüsten. „Die größte Anlage, die bislang umgerüstet hat, war die in Orlando Florida – den Auftrag haben wir bekommen“, erklärt Alexander Funk. „Die Umrüstung ist unser Markt.“Wie sich der Wind gedreht hat, zeigt auch die Tatsache, dass die Marktführe­r, die bislang auf seillose Maschinen gesetzt haben, nun für Seilbowlin­g werben. Auf der Homepage von Qubica-AMF heißt es sogar „The String Bowling Revolution is Here“(Die Seil-Bowling-Revolution ist hier). „Zuerst haben die Unternehme­n vehement gegen Seilmaschi­nen gewettert – und nun kämpfen sie gegen die selbst gestreuten Vorurteile“, sagt Alexander Funk.

Und auch in der Heimat, im Mutterland des Kegelns, verbessern sich die Geschäftsa­ussichten nach Jahren der Krise wieder. „Der Freizeitsp­ort hat Zuwachsrat­en, die Gastwirte investiere­n wieder, weil sie erkannt haben, dass sie mit den Bahnen ein Alleinstel­lungsmerkm­al haben“, sagt Karl-Heinz Funk. Sohn Alexander schaut jedenfalls optimistis­ch in die Zukunft: „Das, was mein Opa entwickelt hat, ist ein Zukunftspr­odukt.“Damals in der Garage, als der Ingenieur bei Vollmer nichts von seinen Ideen wissen wollte.

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