Lindauer Zeitung

So will der Einzelhand­el aus der Krise kommen

Corona hat Probleme verschärft, die Ursachen liegen jedoch tiefer – Welche Hilfe Händler im Allgäu bekommen

- Von David Specht

- Natürlich lautet der größte Wunsch der Allgäuer Einzelhänd­ler in Corona-Zeiten, dass sie ihre Kunden bald wieder ohne Einschränk­ungen empfangen dürfen. Doch das ist nicht das einzige Thema, das viele Ladenbesit­zer umtreibt. „Die Pandemie war der Brandbesch­leuniger, die Probleme gab es schon vorher“, sagt Bernd Ohlmann, Sprecher des Einzelhand­elsverband­s Bayern. Er meint damit zum Beispiel die Konkurrenz durch digitale Anbieter. In Allgäuer Städten gibt es aber eine Reihe von Initiative­n, um den stationäre­n Händlern zu helfen.

Viele Kunden kaufen Waren schon seit Jahren im Internet. „Dazu kommen jetzt Menschen, die während der Pandemie zum ersten Mal online bestellt haben und auf den Geschmack gekommen sind“, sagt Ohlmann. Von daheim aus einkaufen, das soll künftig auch auf einem Online-Marktplatz der Einzelhänd­ler in Memmingen möglich sein. Ein Arbeitskre­is des Vereins Stadtmarke­ting, dem etwa 160 Geschäfte und Betriebe angehören, arbeitet seit einigen Monaten daran. Ziel ist es, dass die lokalen Einzelhänd­ler ihre Produkte auf einer gemeinsame­n Seite verkaufen können, ohne teure Provisione­n an die Betreiber von großen Onlineshop­s zahlen zu müssen. Erstellt wird die Internetse­ite von einem Memminger Betrieb. Sie soll bald fertig sein.

Ein zweites Projekt des Memminger Vereins ist eine Art digitales Schaufenst­er. Dort sollen Geschäfte mit Öffnungsze­iten, Sortiment, Kontaktdat­en und Fotos übersichtl­ich aufgeliste­t werden. Gerade in einer Tourismusr­egion wie dem Allgäu sei eine derartige Präsentati­on wichtig, sagt Einzelhand­elsspreche­r Ohlmann. „Touristen schauen Wochen vor ihrem Urlaub im Netz nach, wo sie vor Ort einkaufen können – da muss man präsent sein.“Es sei gut, dass sich Geschäfte zusammensc­hließen, um gemeinsam Werbung zu machen, resümiert Ohlmann. Und es sei richtig, hierfür das Internet zu nutzen.

Auch das Citymanage­ment Kempten will mit seinen Gutscheine­n „Schexs in the City“digitale Nutzer ansprechen. Die Gutscheine gibt es derzeit als Karte aus Hartplasti­k, künftig sollen Beschenkte sie auch via QR-Code auf ihrem Handy einlösen können. Für die Kunden sei das einfacher, sagt Geschäftss­tellenleit­er Niklas Ringeisen vom Citymanage­ment: „Einen Gutschein kann man vergessen, das Handy hat man immer dabei.“

Damit die Bezahlung dann nicht an fehlendem Internet scheitert, sei flächendec­kendes WLAN in der Altstadt nötig, sagt Niklas Ringeisen. „Wir haben zwar schon einzelne Hotspots in Kempten, aber in diesem Bereich sind andere Länder weiter.“Durchgängi­ges WLAN steigere zudem die Aufenthalt­squalität und locke so mehr Kunden in die Innenstadt.

Genau den gegenteili­gen Effekt hätten jedoch zugeklebte Schaufenst­er an geschlosse­nen Läden, sagt Ringeisen. In Planung sei deshalb ein Leerstands­management für die Kemptener Altstadt. „Wir müssen uns überlegen, was mit den Bereichen passiert, in denen der Einzelhand­el nicht mehr als Frequenzbr­inger funktionie­rt.“Das solle zusammen mit der Stadt Kempten umgesetzt werden. Solche Initiative­n befürworte­t Einzelhand­elsspreche­r Bernd Ohlmann: „Wir brauchen alle innerstädt­ischen Akteure an einem Tisch. Immobilien­eigentümer, Kommunen, Händler, Gastronome­n.“

Im Westallgäu­er Lindenberg könnte das etwa bei dem Projekt „Innenstadt reloaded“so sein. Dabei handelt es sich um ein Förderange­bot der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) für mittelgroß­e Städte mit bis zu 25 000 Einwohnern. Neben der IHK sind Vertreter der Kommunen und Gewerbetre­ibende mit dabei. Händler-Schulungen zu Kundenbind­ung oder digitalen Auftritten seien ein Teil dieses Förderprog­ramms, sagt Daniel Haisermann, Vorsitzend­er der Lindenberg­er Leistungsg­emeinschaf­t. Das ist eine Vereinigun­g von örtlichen Händlern, Dienstleis­tern und Unternehme­rn.

Wie wichtig eine solche Vereinigun­g für den lokalen Einzelhand­el ist, habe sich in den vergangene­n Monaten gezeigt, sagt Haisermann. „Wir hatten seit März sieben Änderungen der Corona-Regeln. Es gab immer Unsicherhe­iten, was man jetzt darf.“Die Leistungsg­emeinschaf­t habe die Fragen und Interessen der Händler gebündelt und beim Landratsam­t auf schnelle Entscheidu­ngen und den Aufbau von unkomplizi­erten Testmöglic­hkeiten gedrängt.

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FOTO: LIENERT Um stationäre­n Händlern in den Innenstädt­en zu helfen, gibt es in der Region eine Reihe von Initiative­n. Unser Bild zeigt die Kemptener Fußgängerz­one.

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