So will der Einzelhandel aus der Krise kommen
Corona hat Probleme verschärft, die Ursachen liegen jedoch tiefer – Welche Hilfe Händler im Allgäu bekommen
- Natürlich lautet der größte Wunsch der Allgäuer Einzelhändler in Corona-Zeiten, dass sie ihre Kunden bald wieder ohne Einschränkungen empfangen dürfen. Doch das ist nicht das einzige Thema, das viele Ladenbesitzer umtreibt. „Die Pandemie war der Brandbeschleuniger, die Probleme gab es schon vorher“, sagt Bernd Ohlmann, Sprecher des Einzelhandelsverbands Bayern. Er meint damit zum Beispiel die Konkurrenz durch digitale Anbieter. In Allgäuer Städten gibt es aber eine Reihe von Initiativen, um den stationären Händlern zu helfen.
Viele Kunden kaufen Waren schon seit Jahren im Internet. „Dazu kommen jetzt Menschen, die während der Pandemie zum ersten Mal online bestellt haben und auf den Geschmack gekommen sind“, sagt Ohlmann. Von daheim aus einkaufen, das soll künftig auch auf einem Online-Marktplatz der Einzelhändler in Memmingen möglich sein. Ein Arbeitskreis des Vereins Stadtmarketing, dem etwa 160 Geschäfte und Betriebe angehören, arbeitet seit einigen Monaten daran. Ziel ist es, dass die lokalen Einzelhändler ihre Produkte auf einer gemeinsamen Seite verkaufen können, ohne teure Provisionen an die Betreiber von großen Onlineshops zahlen zu müssen. Erstellt wird die Internetseite von einem Memminger Betrieb. Sie soll bald fertig sein.
Ein zweites Projekt des Memminger Vereins ist eine Art digitales Schaufenster. Dort sollen Geschäfte mit Öffnungszeiten, Sortiment, Kontaktdaten und Fotos übersichtlich aufgelistet werden. Gerade in einer Tourismusregion wie dem Allgäu sei eine derartige Präsentation wichtig, sagt Einzelhandelssprecher Ohlmann. „Touristen schauen Wochen vor ihrem Urlaub im Netz nach, wo sie vor Ort einkaufen können – da muss man präsent sein.“Es sei gut, dass sich Geschäfte zusammenschließen, um gemeinsam Werbung zu machen, resümiert Ohlmann. Und es sei richtig, hierfür das Internet zu nutzen.
Auch das Citymanagement Kempten will mit seinen Gutscheinen „Schexs in the City“digitale Nutzer ansprechen. Die Gutscheine gibt es derzeit als Karte aus Hartplastik, künftig sollen Beschenkte sie auch via QR-Code auf ihrem Handy einlösen können. Für die Kunden sei das einfacher, sagt Geschäftsstellenleiter Niklas Ringeisen vom Citymanagement: „Einen Gutschein kann man vergessen, das Handy hat man immer dabei.“
Damit die Bezahlung dann nicht an fehlendem Internet scheitert, sei flächendeckendes WLAN in der Altstadt nötig, sagt Niklas Ringeisen. „Wir haben zwar schon einzelne Hotspots in Kempten, aber in diesem Bereich sind andere Länder weiter.“Durchgängiges WLAN steigere zudem die Aufenthaltsqualität und locke so mehr Kunden in die Innenstadt.
Genau den gegenteiligen Effekt hätten jedoch zugeklebte Schaufenster an geschlossenen Läden, sagt Ringeisen. In Planung sei deshalb ein Leerstandsmanagement für die Kemptener Altstadt. „Wir müssen uns überlegen, was mit den Bereichen passiert, in denen der Einzelhandel nicht mehr als Frequenzbringer funktioniert.“Das solle zusammen mit der Stadt Kempten umgesetzt werden. Solche Initiativen befürwortet Einzelhandelssprecher Bernd Ohlmann: „Wir brauchen alle innerstädtischen Akteure an einem Tisch. Immobilieneigentümer, Kommunen, Händler, Gastronomen.“
Im Westallgäuer Lindenberg könnte das etwa bei dem Projekt „Innenstadt reloaded“so sein. Dabei handelt es sich um ein Förderangebot der Industrie- und Handelskammer (IHK) für mittelgroße Städte mit bis zu 25 000 Einwohnern. Neben der IHK sind Vertreter der Kommunen und Gewerbetreibende mit dabei. Händler-Schulungen zu Kundenbindung oder digitalen Auftritten seien ein Teil dieses Förderprogramms, sagt Daniel Haisermann, Vorsitzender der Lindenberger Leistungsgemeinschaft. Das ist eine Vereinigung von örtlichen Händlern, Dienstleistern und Unternehmern.
Wie wichtig eine solche Vereinigung für den lokalen Einzelhandel ist, habe sich in den vergangenen Monaten gezeigt, sagt Haisermann. „Wir hatten seit März sieben Änderungen der Corona-Regeln. Es gab immer Unsicherheiten, was man jetzt darf.“Die Leistungsgemeinschaft habe die Fragen und Interessen der Händler gebündelt und beim Landratsamt auf schnelle Entscheidungen und den Aufbau von unkomplizierten Testmöglichkeiten gedrängt.