Rekordjagd und emotionales Servus
Am Tag der Abschiede hat Lewandowski alleinigen Torrekord fest im Blick – Bayern-Fans verlieren einige Lieblinge
MÜNCHEN - „Servus Hansi!“„Servus Triple-Helden!“Ein emotionaler Tag steht an beim FC Bayern – nicht nur für den Trainer. Auf der großen Bühne der Münchner Fußball-Arena verabschieden sich neben dem Sieben-Titel-Coach Hansi Flick in David Alaba, Jérôme Boateng und Javi Martínez drei Stars, die den deutschen Rekordmeister sportlich ein goldenes Jahrzehnt lang geprägt haben. Auf dem Platz können und wollen sie an diesem Samstag (15.30 Uhr/ Sky) gegen den FC Augsburg sogar noch zu einem historischen Bundesliga-Moment beitragen (siehe Kasten; d. Red.). Auch die Clublegenden Hermann Gerland und Miroslav Klose werden den Verein verlassen. Je fünf Tickets für Familien und Freunde bekommt das Sextett um Cheftrainer Flick, das sich vor 250 Fans verabschiedet. Ein Minirahmen für den Gefühlscocktail aus Dankbarkeit, Stolz und Wehmut. Wen werden die Fans bald am meisten vermissen? Ein Trennungsschmerz-Ranking verbunden mit der Frage: Vermissen oder vergessen? Bei wem fällt der Liebeskummer der Anhänger am größten aus?
Hermann Gerland (66):
Eine Institution, der absolute Liebling der Fans, verlässt nach 25 Jahren ein Jahr vor Ende seines Vertrages den Verein. Der gebürtige Bochumer trainierte einst die U19, dann die Amateure, war Chef des Nachwuchsleistungszentrums und Co-Trainer unter Sören Lerby, Erich Ribbeck, Louis van Gaal, Jupp Heynckes, Pep Guardiola, Carlo Ancelotti. Zuletzt assistierte er mit seinem Fachwissen und Einfühlungsvermögen Cheftrainer Flick. Der Talenteförderer und Spielerversteher begeisterte mit seiner liebevollen, aber manchmal auch – als Mittel zum Zweck – schroffen Art („Streng dich an, du Osterhase!“). Mit ihm geht Bayerns Herzstück. Das Kopfballpendel an der Säbener Straße droht zu vereinsamen.
Hansi Flick (56):
Für die vier Meisterschaften als Bayern-Spieler brauchte er fünf Jahre (1985 bis 1990), als Trainer holt er nun seine zweite Schale. 2019 als Assistent von Niko Kovac verpflichtet, stieg er wie Phönix aus der Co-Trainer-Asche zum Sextuple-Helden der Saison 2019/20 empor. Während des Zoffs um Kompetenzen mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic hätte er im Stadion wohl den Rückhalt der Fans erfahren.
Die Meisterschale steht bereit, zum emotionalen Servus für Hansi Flick und Co. dürfen sogar Fans und Familien wieder ins Stadion – doch die Augsburger wollen für Bayern München zum großen Partycrasher werden. Wenn Weltfußballer Robert Lewandowski im Derby zur Jagd auf den alleinigen Torrekord bläst, stellt sich ihm unter anderem ausgerechnet sein polnischer Landsmann Rafal Gikiewicz mit aller Macht entgegen. „Mein Ziel ist ganz klar: die Null halten“, sagte der Torhüter, der sich gegen „Maschine“Lewandowski „unsterblich“machen will. „Wir haben als FC Augsburg die Chance, in jeder Zeitung, in jedem TV-Bericht vorzukommen als die Mannschaft, die Robert Lewandowski und den FC Bayern München stoppte“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“und traf damit genau den Nerv von Markus Weinzierl. „Wir überlegen, einen Spieler abzustellen, der Lewandowski überall auf dem Platz hinterherläuft“, kündigdeckung te der FCA-Coach an. „Gerd Müller war in der Jugend mein Idol. Und er war mein Co-Trainer bei den BayernAmateuren. Ich kenne ihn gut und schätze ihn unheimlich, deshalb würde ich mir wünschen, dass der Rekord zweigeteilt bleibt“, sagte Weinzierl zu seiner besonderen Beziehung zum einstigen Bomber: „Wir müssen Lewandowski in Mannnehmen, um den Rekord von Gerd Müller zu schützen. Lewandowski wäre mir noch sympathischer, wenn er den Rekord nicht brechen würde.“Ob es hilft? Selbstlos verzichten will der Toptorjäger jedenfalls nicht auf die alleinige Bestmarke. Vor dem letzten Spieltag halten der 32 Jahre alte Lewandowski und Bayern-Legende Müller (75) mit jeweils 40 Treffern gemeinsam die Bestmarke. Um sie zu erreichen, würde er auch in der 90. Minute zum Elfmeter antreten, sagte er der „Bild“. „Gerd Müller hat so viele Rekorde“, meinte Lewandowski, „zudem war er selbst ein ehrgeiziger Torjäger – ich glaube, er würde es verstehen, dass ich den Ball nehme und mir den Rekord sichere.“
Doch Gegenwind ist ihm gewiss. Die Augsburger können zudem ohne großen Druck aufspielen, da sie den Klassenerhalt vorzeitig geschafft haben. Trotzdem sei es „wichtig, dass wir einen guten Schlusspunkt setzen“, mahnte Weinzierl. (dpa/SID)
Flick ließ seinen bis 2023 laufenden Vertrag vorzeitig auflösen, im Anschluss an die EM wird er Bundestrainer – nur noch kleine Details sind zu klären. „Es war eine tolle Zeit. Diese zwei Jahre waren sehr wertvoll für mich“, sagte Flick und liebäugelt bereits damit, eines Tages den Jupp zu machen, sprich: zurückzukehren. Dies sei „natürlich nicht ausgeschlossen, weil Bayern München einfach eine sehr gute Adresse ist“.
Javi Martínez (32):
Kam 2012 als Rekordtransfer (40 Millionen Euro Ablöse) aus Bilbao und wurde sofort zu d e m Puzzleteil im defensiven Mittelfeld neben Bastian Schweinsteiger. Mit dem Basken holte Bayern 2013 erstmals das Triple. Ein geerdeter, immer freundlicher Typ, der mit feuchten Augen über seinen nahenden Abschied sprach. Obwohl zuletzt eher Ergänzungsspieler war Martínez in der Kabine für die Integration der Neuen zuständig, erfüllte loyal seine Helferrolle. Als ToreHeld der Uefa-Supercups 2013 und 2020 bei den Fans unvergessen.
Jérôme Boateng (32):
Dass der Innenverteidiger zehn Jahre bleiben sollte, hatte man nach harschen Aussagen von Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß einst nicht gedacht. Boateng blieb sich stets treu, zog sein Ding durch, auch wenn er mal aneckte. Ein geradliniger Typ, der allerdings nie die ganz große Liebe der Fans erfuhr. Wie bei Martínez endet der Vertrag. Wie sehr er fehlt, stellen so manche wohl erst in der kommenden Saison fest.
David Alaba (28):
24 Titel holte der Österreicher, der 2008 als Teenager aus Wien an die Säbener Straße kam und ins Jugendinternat zog. Verabschiedet sich mit der zehnten Meisterschale (gemeinsamer Rekord mit Thomas Müller), wechselt zu Real Madrid. Dass sich der Poker um eine mögliche Vertragsverlängerung so lange hinzog, haben ihm einige Anhänger übelgenommen.
Miroslav Klose (42):
Als BayernSpieler von 2007 bis 2011 zweimal Meister und Pokalsieger, blieb jedoch im Schatten der Fanlieblinge Frank Ribéry, Arjen Robben und Luca Toni. Übernahm 2018 Bayerns BJunioren, gehörte nun ein Jahr Flicks Trainerstab als Assistent an. Der fleißige Arbeiter hielt sich stets im Hintergrund, strebt nun wahrscheinlich eine neue Herausforderung als Cheftrainer an.