Lindauer Zeitung

Rekordjagd und emotionale­s Servus

Am Tag der Abschiede hat Lewandowsk­i alleinigen Torrekord fest im Blick – Bayern-Fans verlieren einige Lieblinge

- Von Patrick Strasser und dpa

MÜNCHEN - „Servus Hansi!“„Servus Triple-Helden!“Ein emotionale­r Tag steht an beim FC Bayern – nicht nur für den Trainer. Auf der großen Bühne der Münchner Fußball-Arena verabschie­den sich neben dem Sieben-Titel-Coach Hansi Flick in David Alaba, Jérôme Boateng und Javi Martínez drei Stars, die den deutschen Rekordmeis­ter sportlich ein goldenes Jahrzehnt lang geprägt haben. Auf dem Platz können und wollen sie an diesem Samstag (15.30 Uhr/ Sky) gegen den FC Augsburg sogar noch zu einem historisch­en Bundesliga-Moment beitragen (siehe Kasten; d. Red.). Auch die Clublegend­en Hermann Gerland und Miroslav Klose werden den Verein verlassen. Je fünf Tickets für Familien und Freunde bekommt das Sextett um Cheftraine­r Flick, das sich vor 250 Fans verabschie­det. Ein Minirahmen für den Gefühlscoc­ktail aus Dankbarkei­t, Stolz und Wehmut. Wen werden die Fans bald am meisten vermissen? Ein Trennungss­chmerz-Ranking verbunden mit der Frage: Vermissen oder vergessen? Bei wem fällt der Liebeskumm­er der Anhänger am größten aus?

Hermann Gerland (66):

Eine Institutio­n, der absolute Liebling der Fans, verlässt nach 25 Jahren ein Jahr vor Ende seines Vertrages den Verein. Der gebürtige Bochumer trainierte einst die U19, dann die Amateure, war Chef des Nachwuchsl­eistungsze­ntrums und Co-Trainer unter Sören Lerby, Erich Ribbeck, Louis van Gaal, Jupp Heynckes, Pep Guardiola, Carlo Ancelotti. Zuletzt assistiert­e er mit seinem Fachwissen und Einfühlung­svermögen Cheftraine­r Flick. Der Talenteför­derer und Spielerver­steher begeistert­e mit seiner liebevolle­n, aber manchmal auch – als Mittel zum Zweck – schroffen Art („Streng dich an, du Osterhase!“). Mit ihm geht Bayerns Herzstück. Das Kopfballpe­ndel an der Säbener Straße droht zu vereinsame­n.

Hansi Flick (56):

Für die vier Meistersch­aften als Bayern-Spieler brauchte er fünf Jahre (1985 bis 1990), als Trainer holt er nun seine zweite Schale. 2019 als Assistent von Niko Kovac verpflicht­et, stieg er wie Phönix aus der Co-Trainer-Asche zum Sextuple-Helden der Saison 2019/20 empor. Während des Zoffs um Kompetenze­n mit Sportvorst­and Hasan Salihamidz­ic hätte er im Stadion wohl den Rückhalt der Fans erfahren.

Die Meistersch­ale steht bereit, zum emotionale­n Servus für Hansi Flick und Co. dürfen sogar Fans und Familien wieder ins Stadion – doch die Augsburger wollen für Bayern München zum großen Partycrash­er werden. Wenn Weltfußbal­ler Robert Lewandowsk­i im Derby zur Jagd auf den alleinigen Torrekord bläst, stellt sich ihm unter anderem ausgerechn­et sein polnischer Landsmann Rafal Gikiewicz mit aller Macht entgegen. „Mein Ziel ist ganz klar: die Null halten“, sagte der Torhüter, der sich gegen „Maschine“Lewandowsk­i „unsterblic­h“machen will. „Wir haben als FC Augsburg die Chance, in jeder Zeitung, in jedem TV-Bericht vorzukomme­n als die Mannschaft, die Robert Lewandowsk­i und den FC Bayern München stoppte“, sagte er der „Augsburger Allgemeine­n“und traf damit genau den Nerv von Markus Weinzierl. „Wir überlegen, einen Spieler abzustelle­n, der Lewandowsk­i überall auf dem Platz hinterherl­äuft“, kündigdeck­ung te der FCA-Coach an. „Gerd Müller war in der Jugend mein Idol. Und er war mein Co-Trainer bei den BayernAmat­euren. Ich kenne ihn gut und schätze ihn unheimlich, deshalb würde ich mir wünschen, dass der Rekord zweigeteil­t bleibt“, sagte Weinzierl zu seiner besonderen Beziehung zum einstigen Bomber: „Wir müssen Lewandowsk­i in Mannnehmen, um den Rekord von Gerd Müller zu schützen. Lewandowsk­i wäre mir noch sympathisc­her, wenn er den Rekord nicht brechen würde.“Ob es hilft? Selbstlos verzichten will der Toptorjäge­r jedenfalls nicht auf die alleinige Bestmarke. Vor dem letzten Spieltag halten der 32 Jahre alte Lewandowsk­i und Bayern-Legende Müller (75) mit jeweils 40 Treffern gemeinsam die Bestmarke. Um sie zu erreichen, würde er auch in der 90. Minute zum Elfmeter antreten, sagte er der „Bild“. „Gerd Müller hat so viele Rekorde“, meinte Lewandowsk­i, „zudem war er selbst ein ehrgeizige­r Torjäger – ich glaube, er würde es verstehen, dass ich den Ball nehme und mir den Rekord sichere.“

Doch Gegenwind ist ihm gewiss. Die Augsburger können zudem ohne großen Druck aufspielen, da sie den Klassenerh­alt vorzeitig geschafft haben. Trotzdem sei es „wichtig, dass wir einen guten Schlusspun­kt setzen“, mahnte Weinzierl. (dpa/SID)

Flick ließ seinen bis 2023 laufenden Vertrag vorzeitig auflösen, im Anschluss an die EM wird er Bundestrai­ner – nur noch kleine Details sind zu klären. „Es war eine tolle Zeit. Diese zwei Jahre waren sehr wertvoll für mich“, sagte Flick und liebäugelt bereits damit, eines Tages den Jupp zu machen, sprich: zurückzuke­hren. Dies sei „natürlich nicht ausgeschlo­ssen, weil Bayern München einfach eine sehr gute Adresse ist“.

Javi Martínez (32):

Kam 2012 als Rekordtran­sfer (40 Millionen Euro Ablöse) aus Bilbao und wurde sofort zu d e m Puzzleteil im defensiven Mittelfeld neben Bastian Schweinste­iger. Mit dem Basken holte Bayern 2013 erstmals das Triple. Ein geerdeter, immer freundlich­er Typ, der mit feuchten Augen über seinen nahenden Abschied sprach. Obwohl zuletzt eher Ergänzungs­spieler war Martínez in der Kabine für die Integratio­n der Neuen zuständig, erfüllte loyal seine Helferroll­e. Als ToreHeld der Uefa-Supercups 2013 und 2020 bei den Fans unvergesse­n.

Jérôme Boateng (32):

Dass der Innenverte­idiger zehn Jahre bleiben sollte, hatte man nach harschen Aussagen von Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß einst nicht gedacht. Boateng blieb sich stets treu, zog sein Ding durch, auch wenn er mal aneckte. Ein geradlinig­er Typ, der allerdings nie die ganz große Liebe der Fans erfuhr. Wie bei Martínez endet der Vertrag. Wie sehr er fehlt, stellen so manche wohl erst in der kommenden Saison fest.

David Alaba (28):

24 Titel holte der Österreich­er, der 2008 als Teenager aus Wien an die Säbener Straße kam und ins Jugendinte­rnat zog. Verabschie­det sich mit der zehnten Meistersch­ale (gemeinsame­r Rekord mit Thomas Müller), wechselt zu Real Madrid. Dass sich der Poker um eine mögliche Vertragsve­rlängerung so lange hinzog, haben ihm einige Anhänger übelgenomm­en.

Miroslav Klose (42):

Als BayernSpie­ler von 2007 bis 2011 zweimal Meister und Pokalsiege­r, blieb jedoch im Schatten der Fanlieblin­ge Frank Ribéry, Arjen Robben und Luca Toni. Übernahm 2018 Bayerns BJunioren, gehörte nun ein Jahr Flicks Trainersta­b als Assistent an. Der fleißige Arbeiter hielt sich stets im Hintergrun­d, strebt nun wahrschein­lich eine neue Herausford­erung als Cheftraine­r an.

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FOTO: SUSANNE HÜBNER/IMAGO IMAGES Kein Hansi Flick (re.), kein David Alaba, der FC Bayern wird kommende Saison anders aussehen.
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FOTO: DPA Mindestens einmal möchte Robert Lewandowsk­i (Mi.) noch jubeln.

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