Lindauer Zeitung

Mit dem Fahrrad vom Unterallgä­u nach Peking

Ana und Ida Lutzenberg­er wollen in ungefähr neun Monaten über 15 000 Kilometer von Schwaighau­sen nach Peking fahren

- Von Theresa Osterried

- Die Fahrradtas­chen sind bunt, mit Stickern behängt und prall gefüllt. Die Fahrräder aus Stahl, mit dünnen Reifen und aus den Neunzigerj­ahren. Und die Besitzerin­nen sind hoch motiviert, damit auf die Reise zu gehen. Denn Ana und Ida Lutzenberg­er haben sich ein ehrgeizige­s Ziel gesetzt: Sie wollen von Schwaighau­sen bis nach Peking radeln. Das macht zwei Kontinente, mindestens zehn Länder und 15 000 Kilometer.

Mit ihrer Aktion möchten sie zum Spenden aufrufen. Ihr Ziel ist es, für jeden geradelten Kilometer einen Euro einzusamme­ln. „Wir wollen unser Privileg, frei Grenzen übertreten zu dürfen, nutzen, um Menschen auf der Flucht ein Überleben zu ermögliche­n“, begründet Ana. Aus diesem Grund hätten die beiden sich als Spendenemp­fänger für die Organisati­on seawatch.org entschiede­n, da diese Menschen helfe, die „unfreiwill­ig auf der Reise“sind.

Wer Ana und Ida ins Gesicht schaut, muss sofort lächeln. Den beiden Lockenköpf­en steht ihre positive und entschloss­ene Art ins Gesicht geschriebe­n. Beide haben Kunstpädag­ogik studiert. Die 24-jährige Ida in Augsburg und die 26-jährige Ana in Leipzig. Die Idee für einen großen Trip geistert ihnen schon lange im Kopf herum. Seit Jahren legen sie sich dafür Geld zur Seite. Nur möglichst umweltfreu­ndlich sollte er sein. Deshalb beschlosse­n sie, aufs Fliegen zu verzichten.

2019 fuhren die beiden mit dem Fahrrad in die Ukraine und waren dafür sieben Wochen unterwegs. „Das war sehr cool“, sagt Ida. Das Fahrrad ist nun ihr Lieblingsf­ortbewegun­gsmittel. Es habe viele Vorteile: „Man erlebt den Übergang von einer Kultur in die Kultur eines anderen Landes hautnah mit, weil es eine so langsame Art der Fortbewegu­ng ist“, sagt Ida. Zudem seien die Menschen, ihrer bisherigen Erfahrung nach, immer unglaublic­h gastfreund­lich und zuvorkomme­nd gewesen. Es sei auch die günstigste Art, zu reisen.

Gerade einmal fünf Euro am Tag haben sich die beiden für sich ausgerechn­et und: „Meistens brauchen wir sogar weniger.“Außerdem seien sie von der Pandemie so am wenigsten eingeschrä­nkt. Worauf die beiden überhaupt nicht verzichten können? Ana überlegt kurz. „Unsere Musikbox“, sagt sie dann mit breitem Grinsen. Das sei ihr Motivator für

Schlechtwe­ttertage, wenn der Gegenwind ins Gesicht peitsche, es is Strömen regne und man das Zelt eigentlich nicht verlassen möchte. Ansonsten hätten sie an Elektronik nur die Handys und ihre Kamera dabei. Den Strom dafür beziehen die Schwestern aus mobilen Solarpanel­s, die sie bei gutem Wetter auf den Gepäckträg­ern anbringen können.

Auch einen Gaskocher haben die beiden dabei, allerdings keinen EUgenormte­n. „Wenn man aus der EU draußen ist, ist es sehr schwierig, an die genormten Kartuschen zu kommen,“erklären die beiden. Ebenfalls nicht fehlen darf ein zusätzlich­er Beutel, in dem die beiden Wasser für Durststrec­ken aufnehmen können. Insgesamt haben sie mit ihren fünf Taschen pro Fahrrad rund 60 Liter

Volumen für Gepäck.

Nach eigenen Schätzunge­n werden die zwei wahrschein­lich ein dreivierte­l Jahr unterwegs sein. Ihre Route führt sie quer durch Europa in die Türkei, über Georgien nach Aserbaidsc­han und von dort aus über Kasachstan bis nach China. Soweit zumindest der Plan. 70 bis 90 Kilometer am Tag wollen sie ungefähr meistern.

Pausentage? „Klar. Der Po braucht auf jeden Fall auch Wellnessta­ge“, sagt Ana und lacht. Trotzdem wollen die beiden flexibel bleiben, was ihre Reiseplanu­ng angeht. „Manchmal ist es gut, wenn man nicht auf alles vorbereite­t ist“, sagt Ida, und ihre Schwester ergänzt: „Es kann so viel passieren in dieser langen Zeit, man kann gar nicht alles vorplanen.“

Auch um die Visa werden sich die beiden erst während der Reise kümmern. „Was bringt es uns, ein Visum zu haben, wenn wir gar nicht genau wissen, ob wir in dem Land ankommen, bevor die Aufenthalt­sgenehmigu­ng abgelaufen ist?“Auch das Infektions­geschehen steht außerhalb ihrer Macht. „Wir sind beide schon geimpft. Das erleichter­t uns vielleicht die Durchreise an den Grenzen“, sagt Ana.

Und wenn die Fahrräder kaputt gehen? „Reifen flicken und solche Sachen können wir selbst.“Beide haben auf ihrer ersten Reise in die Ukraine die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen unglaublic­h entgegenko­mmend gewesen. „Wir finden dann hoffentlic­h schon jemanden, der uns hilft“, meint Ida optimistis­ch.

Ihre größte Angst? „Na ja, dass wir es nicht durchziehe­n können. Dass uns die Pandemie oder höhere Mächte einen Strich durch die Rechnung machen.“Ihnen graut beispielsw­eise vor einem kalten Winter in Kasachstan. Vor dem Wintereinb­ruch wollen sie dort durchgerad­elt sein.

Und worauf freuen sie sich am meisten? „Aufs Essen“, kommt es von Ida wie aus der Pistole geschossen. „Auf die fremde Küche und die fremden Kulturen.“„Einfach wieder unterwegs sein nach der Pandemie, wir wollen uns von oben bis unten überrasche­n lassen“, sagt Ana dazu.

Spenden: Wer das Projekt „Rette rette Fahrradket­te“unterstütz­en möchte, kann das über den Link www.sea-watch.org/spenden/ aktion/?cfd=xh64l tun.

 ?? FOTO: THERESA OSTERRIED ?? Ida und Ana Lutzenberg­er (von links) mit ihren vollbepack­ten Drahteseln vor ihrem Elternhaus in Schwaighau­sen. Von dort aus werden sie ihre lange Reise unter dem Motto „Rette rette Fahrradket­te“beginnen und für Seawatch in die Pedale treten.
FOTO: THERESA OSTERRIED Ida und Ana Lutzenberg­er (von links) mit ihren vollbepack­ten Drahteseln vor ihrem Elternhaus in Schwaighau­sen. Von dort aus werden sie ihre lange Reise unter dem Motto „Rette rette Fahrradket­te“beginnen und für Seawatch in die Pedale treten.

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