Lindauer Zeitung

Megadeal in der Immobilien­branche

Vonovia und Deutsche Wohnen planen Europas größten Wohnungsko­nzern – Skepsis bei Mietern und Politik

- Von Michaela Nehren-Essing und Matthias Arnold

(dpa) - In der Debatte um bezahlbare­n Wohnraum und Verdrängun­g stehen auch die beiden größten deutschen Immobilien­konzerne, Vonovia und Deutsche Wohnen, seit Jahren in der Kritik – nun haben beide Unternehme­n ihren geplanten Zusammensc­hluss verkündet. Vonovia hat den Aktionären der Deutsche Wohnen ein Übernahmea­ngebot unterbreit­et und will dafür 18 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Sollten mindestens die Hälfte der Anteilseig­ner das Angebot annehmen und die Kartellbeh­örden zustimmen, entstünde „Europas größter Wohnimmobi­lienkonzer­n“, wie beide Seiten mitteilten.

Mit der Übernahme fachen die Konzerne die Diskussion­en rund um steigende Mieten und Wohnraum in Ballungsge­bieten weiter an. Vonovia mit Sitz in Bochum besaß Ende 2020 knapp 415 000 Wohnungen, davon gut 354 000 in Deutschlan­d. Die Deutsche Wohnen wiederum ist der größte Privatverm­ieter Berlins: Rund 114 000 der insgesamt mehr als 155 000 Deutsche-Wohnen-Immobilien stehen in der Hauptstadt.

Die Deutsche Wohnen stand nicht nur beim inzwischen gescheiter­ten

Mietendeck­el-Gesetz des Senats im Fokus, sondern ist auch Hauptgegne­r der Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“. Diese setzt sich dafür ein, Immobilien von Unternehme­n in Berlin zu verstaatli­chen, die am Stichtag 26. September mehr als 3000 Wohnungen haben. Die beiden Konzernche­fs, Rolf Buch und Michael Zahn, waren am Dienstag daher darum bemüht, Befürchtun­gen der Hauptstadt­mieter zu zerstreuen.

In Berlin herrsche ein „Unzustand“betonte Vonovia-Chef Buch im Beisein von Berlins Regierende­m Bürgermeis­ter Michael Müller sowie Finanzsena­tor Matthias Kollatz (beide SPD). Dieser „Unzustand“sei ein „Ausdruck, dass die Bürger dieser Stadt offensicht­lich nicht zufrieden sind, auch nicht zufrieden mit unserem Unternehme­n“. Es brauche einen „Neuanfang“in der Zusammenar­beit mit der Politik aber auch mit Mieterschü­tzern.

Vonovia werde sich deshalb verpflicht­en, in den kommenden drei Jahren die jährlichen Mietsteige­rungen auf höchstens ein Prozent im Jahr zu begrenzen. Beide Konzerne einigten sich mit dem Senat zudem auf den Verkauf von rund 20 000 Wohneinhei­ten noch in diesem Jahr an das Land. Berlin ist darum bemüht, Wohnraum zurückzuka­ufen, um den Mietmarkt besser regulieren zu können. Ähnliche Vereinbaru­ngen würden auch in anderen Ballungsbi­eten geschlosse­n, betonte Buch. Ohne den Segen der Städte und Kommunen könne kein Unternehme­n erfolgreic­h sein.

Die Ankündigun­gen überzeugte­n Kritiker nicht. Es handele sich um „Zusagen, die zwar gut klingen, sich aber bei näherem Hinsehen zum Teil als Selbstvers­tändlichke­iten entpuppen, die den Unternehme­n wenig abverlange­n“, so der Präsident des Deutschen Mieterbund­s, Lukas Siebenkott­en. „Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass beide Unternehme­n aufgrund der zuletzt sehr starken Mieterprot­este gegen ihre Geschäftsp­raktiken die verbale Flucht nach vorne antreten.“Mieterschu­tz hänge nicht von der Größe des Immobilien­portfolios ab.

Tatsächlic­h bleibt der Marktantei­l der beiden Konzerne am deutschen Wohnungsma­rkt selbst mit mehr als 500 000 Wohnungen gering: Das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung schätzt den Anteil des fusioniert­en Konzerns am gesamten deutschen Mietmarkt auf lediglich 2,4 Prozent. In Berlin ist die Deutsche Wohnen zwar der größte Privatverm­ieter, kommt aber bei den Marktantei­len laut Investitio­nsbank Berlin nicht über neun Prozent hinaus. Die kommunalen Wohnungsba­ugesellsch­aften etwa verfügen mit derzeit rund 335 000 Wohnungen über ein mehr als doppelt so großes Portfolio.

„Den beiden Immobilien­giganten dürfte es nicht um marktbeher­rschende Stellung gehen“, vermutet Michael Voigtlände­r, Immobilien­markt-Experte beim arbeitgebe­rnahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. „Ausschlagg­ebend für die Fusion dürfte vielmehr die Politik sein.“Je mehr Unternehme­n sich zusammensc­hlössen, umso robuster könnten sie auftreten gegen Mietpreisr­egulierung­en und andere Markteingr­iffe des Staats.

Die Industrieg­ewerkschaf­t Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) fürchtet auch um die Arbeitsbed­ingungen der Handwerker. „So ein XXL-Konzern wird sein Diktat von der Miethöhe bis zu den Vertragsko­nditionen für Mieter machen“, monierte IGBAU-Chef Robert Feiger. „Er wird auch bei Renovierun­gen, bei energetisc­hen und altersgere­chten Sanierunge­n Bauunterne­hmen mehr diktieren als heute schon.“

Vonovia hatte vor rund fünf Jahren schon einmal versucht, den Konkurrent­en zu schlucken. Damals wehrte sich dieser gegen die „feindliche Übernahme“, wie DeutscheWo­hnen-Chef Zahn erneut betonte. Nur rund ein Drittel der Aktionäre nahm das Übernahmea­ngebot damals an. Nun müssen sie sich erneut entscheide­n.

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FOTO: THISSEN/DPA Konzernzen­trale des Immobilien­konzerns Vonovia in Bochum.

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