Flucht aus Angst vor dem Vulkan
In der kongolesischen Millionenstadt Goma müssen Zehntausende ihr Zuhause verlassen
(AFP/dpa) - Fünf Tage nach dem Ausbruch des Vulkans Nyiragongo in der Demokratischen Republik Kongo haben die Behörden aus Furcht vor einer abermaligen Eruption eine Teil-Evakuierung der Millionenstadt Goma angeordnet. „Wir können einen Ausbruch im Moment nicht ausschließen“, sagte der Militärgouverneur der Provinz Nord-Kivu am Donnerstag. Zehntausende Menschen ergriffen daraufhin die Flucht. Seit dem Vulkanausbruch am Wochenende wird die Umgebung von Erdstößen erschüttert, auch der nahegelegene Kivu-See ist betroffen.
Der Nyiragongo ist Afrikas aktivster Vulkan. Durch den Ausbruch am Samstagabend kamen nach UNAngaben 32 Menschen ums Leben, rund 5000 weitere wurden obdachlos. Goma liegt nur rund zwölf Kilometer von dem knapp 3500 Meter hohen Vulkan entfernt.
Am Wochenende waren bereits Tausende Menschen aus der Stadt geflohen. Einige Bewohner, die bereits zurückgekehrt waren, flüchteten nun erneut. Die Evakuierungsanordnung betrifft nach Angaben von Militärgouverneur Constant Ndima zehn Stadtbezirke. Der Vulkan könne „sehr bald und ohne Vorwarnung“wieder ausbrechen, warnte der General. Möglich sei eine Eruption an Land oder unter dem Kivu-See.
In den vergangenen Tagen hatten Vulkanologen rund um den Nyiragongo Hunderte Erdstöße registriert. Militärgouverneur Ndima sagte, Bodenverformungen deuteten auf „die Präsenz von Magma unter dem Stadtgebiet von Goma mit einem Ausläufer unter dem Kivu-See“hin. Aus dem See könnten daher gefährliche Gase austreten, warnte der General in einer Rundfunkansprache.
Die Behörden richteten den Angaben zufolge einen Shuttle-Service aus den zehn betroffenen Stadtbezirken von Goma in die nahegelegene Stadt Sake ein. „Die Menschen sollten nur das Nötigste mitnehmen, damit alle mitfahren können“, sagte Ndima. Unmittelbar nach der Evakuierungsanordnung verließen Zehntausende die Stadt. Viele flüchteten ins Nachbarland Ruanda. An den Grenzübergängen stauten sich die Fahrzeuge. In manche Autos hatten sich ganze Familien gequetscht. Auch in Goma selbst waren viele Straßen verstopft. Die Menschen liefen oder rannten, viele trugen Kinder auf dem Arm und hatten ihre Habseligkeiten in Sporttaschen oder Plastiktüten gesteckt.
In den zehn betroffenen Stadtbezirken könne Lava aus dem Boden austreten, warnte General Ndima. „Es ist sehr wichtig, sich von den Lavaströmen fernzuhalten. Es besteht Todesgefahr durch Erstickung oder Verbrennungen.“Der Militärgouverneur
schloss seine Ansprache mit den Worten: „Möge Gott uns beschützen.“
Nach dem ersten Schrecken über den Ausbruch des Nyiragongo setzte zumindest bei Andrew Seguya das große Aufatmen ein. „Unsere Gorillas sind sicher, aber sie haben die Erdstöße ähnlich wie die Menschen auch gespürt“, sagte der Generalsekretär des grenzüberschreitenden VirungaSchutzgebietes. Dabei ereignete sich die Eruption weit weg im Osten des Nationalparks, der im Dreiländereck von Uganda, Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo liegt. Ähnliche Erleichterung gab es auch beim Dian Fossey Gorilla Fund: „Glücklicherweise sind die Gorillas und ihr wichtiges Habitat sicher.“
Die Lavaströme flossen vor allem durch Teile des Schutzgebiets, hatte der Leiter des vulkanologischen Observatoriums von Goma, Celestin Mahinda, erklärt. Es liegt in einer krisengeplagten Region und gilt als Afrikas artenreichster und ältester
Nationalpark. Das Gebiet von der Größe Schleswig-Holsteins mit seiner Kombination aus Regenwäldern, Savannen und Vulkanen gehört zum Unesco-Weltnaturerbe und ist zudem Heimat der vom Aussterben bedrohten Berggorillas. Weltweit gibt es von ihnen der Naturschutzunion IUCN zufolge nur etwas mehr als 1000 Tiere. Sie leben in nur zwei Gebieten Ostafrikas: im Virunga-Massiv und der Region Bwindi-Sarambwe.
Bei der letzten großen Eruption des Nyiragongo im Jahr 2002 waren mehr als 100 Menschen getötet und fast der gesamte östliche Teil von Goma mit Lava bedeckt worden. Die bisher folgenschwerste Eruption ereignete sich 1977, damals starben mehr als
600 Menschen. In der Region an der Grenze zu Ruanda und Uganda gibt es insgesamt sechs über
3000 Meter hohe Vulkane.