Mit dem EM-Titel im Rücken Richtung Olympia
Karatekämpferin Johanna Kneer vom KJC Ravensburg ist Team-Europameisterin – Jetzt geht es ums Tokio-Ticket
- Mit dem klaren Ziel, mit der Mannschaft den Titel zu gewinnen, ist Johanna Kneer zur Karate-Europameisterschaft nach Porec gefahren. Dieses Ziel hat die Kämpferin des KJC Ravensburg auch erreicht. Dass es im Einzel in Kroatien nicht so lief wie erhofft, konnte die 23-Jährige daher verschmerzen. In Paris will sie nun aber ihr großes Ziel schaffen: das Ticket für die Olympischen Spiele in Tokio. Die Chancen stehen gut.
Beim Turnier in Paris vom 11. bis 13. Juni fallen die endgültigen Entscheidungen, welche Karatekämpfer zu den Sommerspielen nach Japan fliegen dürfen. Johanna Kneer kämpft in der Gewichtsklasse über 61 Kilogramm um das deutsche Ticket für Tokio. „Das ist mein riesiges Ziel“, sagt die Ravensburgerin. Vier Poolgruppen, eine Art Vorrunde, gibt es bei der Olympia-Qualifikation in der französischen Hauptstadt. Die vier Poolsieger kommen weiter und kämpfen dann im Modus „jeder gegen jeden“– die besten drei fahren nach Tokio, die Viertplatzierte ist raus aus dem Rennen. „Ich fühle mich wohl und bereit“, sagt Kneer. „Jetzt liegt es an mir.“
Sie muss in Paris ihre Topleistung abrufen. „Die Konkurrenz ist groß“, weiß die 23-Jährige. Die gerade zu Ende gegangene Europameisterschaft in der kroatischen Küstenstadt Porec hat ihr weiteres Selbstvertrauen gegeben. Nicht unbedingt im Einzel. „Da war mein Ziel eigentlich auch eine Medaille, aber ich bin in der ersten Runde unglücklich ausgeschieden.“Nach einer 2:0-Führung verlor Kneer noch mit 2:3 – auch, weil der Trainer ihrer Gegnerin einen Videobeweis angefordert hatte und seine Kämpferin so nachträglich eine Wertung zugesprochen bekam. Von der Enttäuschung im Einzel konnte sich Johanna Kneer im Teamwettkampf aber schnell erholen. „Da wollte ich auf jeden Fall ein paar gute Kämpfe zeigen und die EM nicht ohne Medaille beenden.“
Das klappte. Im Finale des Kumite-Wettbewerbs der Frauen setzte sich Deutschland mit Jana Messerschmidt (bis 55 kg), Shara Hubrich (über 50 kg) und Johanna Kneer gegen die Türkei durch. Messerschmidt hatte die Deutschen in Führung gebracht, Kneer legte mit einem 0:0 nach. Dadurch hätte die Türkei im letzten Duell
Johanna Kneer vom KJC Ravensburg
einen Sieg mit drei Punkten Vorsprung benötigt. Hubrich ließ aber gar keine Zweifel aufkommen und siegte mit 10:4. „Als Einzelsportler ist eine Medaille mit der Mannschaft immer etwas Besonderes“, sagt Kneer. „Dieser Titel bedeutet mir genauso viel wie ein Einzeltitel.“Vor zwei Jahren hatten die deutschen Kämpferinnen in Spanien die Silbermedaille gewonnen, nun folgte die Steigerung zur goldenen Medaille.
Für den Deutschen Karate Verband (DKV) war es die erfolgreichste Europameisterschaft seiner Geschichte – fünf Medaillen gewannen die deutschen Kämpferinnen und Kämpfer bei dieser EM. „So etwas“, lobte auch DKV-Präsident Wolfgang Weigert, „hat es noch nicht gegeben.“
Jonathan Horne hat durch seinen EM-Titel in Kroatien das Olympiaticket schon gelöst. Weitere Deutsche, darunter eben auch Johanna Kneer, wollen in Paris nachziehen.
Bis kommenden Mittwoch ist die 23-Jährige zu Hause in Ravensburg und trainiert beim KJC mit weiteren Bundes- und Landeskaderathleten. „Wir haben hier einige gute Athleten, da war immer gutes Training möglich“, blickt Kneer auf die vergangenen Monate zurück. Die Karatekämpferin kam daher laut eigener Aussage ganz gut durch den Lockdown. Nur die Wettkampfpraxis litt. 2020 gab es gar keine Turniere, erst seit Januar gibt es wieder Wettkämpfe und Turniere. Bei der Premier League in Istanbul gewann Kneer Bronze,
bei Testwettkämpfen in Österreich gab es zweimal Silber. „Es lief ganz gut“, sagt die Ravensburgerin.
An die Umstände musste sie sich aber auch erst gewöhnen. Wie in anderen Profisportarten müssen auch die Karatekas bei Turnieren in sogenannte Blasen – zum Schutz vor dem Coronavirus. Bei der EM in Kroatien wurden die Kämpferinnen und Kämpfer täglich getestet und mussten die meiste Zeit im Hotel verbringen. „Es durften auch nur die in die Halle, die tatsächlich gekämpft haben, Unterstützung gab es leider nicht“, sagt Kneer. „Es war speziell.“Und es wird auch eine Weile noch speziell bleiben. Vom Weg zum großen Ziel will sich die 23-Jährige aber auch davon nicht abbringen lassen.
„Als Einzelsportler ist eine Medaille mit der Mannschaft immer etwas Besonderes.“