Deutschland bittet um Vergebung
Bund erkennt Schuld an Völkermord in Namibia an
- Mehr als 100 Jahre nach den Massakern an den Volksgruppen der Herero und Nama im damaligen Deutsch-Südwestafrika räumt Deutschland seine Schuld ein. „Wir werden diese Ereignisse jetzt auch offiziell als das bezeichnen, was sie aus heutiger Perspektive waren: ein Völkermord“, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Freitag in Berlin.
Fünfeinhalb Jahre haben die deutsche und die namibische Regierung miteinander verhandelt, um zu einer Einigung zu kommen. „Unser Ziel war und ist, einen gemeinsamen Weg zu echter Versöhnung im Angedenken der Opfer zu finden“, betonte Maas. Dazu gehöre, „dass wir die Ereignisse der deutschen Kolonialzeit im heutigen Namibia und insbesondere die Gräueltaten in der Zeit von 1904 bis 1908 ohne Schonung und Beschönigung benennen“.
In diesen Jahren war auf dem Gebiet des heutigen Namibia ein Aufstand der Herero und Nama gegen die deutsche Landnahme niedergeschlagen worden. Unter Leitung des Generalleutnants Lothar von Trotha wurden im Jahr 1904 mehr als 40 000 Herero, rund zwei Drittel der Volksgruppe, getötet. Die meisten von ihnen verdursteten qualvoll, nachdem das deutsche Militär sie in die Trockensavanne getrieben und sie von Wasserstellen abgeschottet hatte. Viele Herero starben zudem in Konzentrationslagern der deutschen Kolonialmacht. Beim danach folgenden Aufstand der Nama kamen 10 000 Angehörige dieser Volksgruppe um.
Neben der Anerkennung des Völkermords und der Bitte um Vergebung
erklärt sich Deutschland nun bereit, Geld nach Namibia zu überweisen. Insgesamt sind in den kommenden 30 Jahren 1,1 Milliarden Euro zusätzlich zu den ohnehin geplanten Entwicklungshilfemitteln geplant. Sie sollen unter anderem für Landkauf und Landentwicklung zugunsten der beiden Volksgruppen fließen, außerdem in Landwirtschaft, Wasserversorgung sowie Bildung.
Diese Zahlungen will die Bundesregierung ausdrücklich aber nicht als Reparationszahlungen verstanden wissen. „Rechtliche Ansprüche auf Entschädigung lassen sich daraus nicht ableiten“, unterstrich Maas. Die Sorge auf deutscher Seite besteht darin, dass dann auch andere
Staaten Forderungen an Deutschland stellen könnten, die unter deutschen Gräueltaten der Vergangenheit gelitten haben, etwa Griechenland oder Polen.
Drei Klagen der Nachfahren der Herero und Nama gegen Deutschland sind vor internationalen Gerichten bereits gescheitert. Vertreter der Nachfahren äußerten sich ablehnend zur Einigung zwischen Namibia und Deutschland. Vekuii Rukoro, Chef der Ovahero-Gemeinschaft, erklärte in der Zeitung „The Namibian“, das Geld reiche nicht aus als Ausgleich für das „unabänderliche Leid von deutscher Hand“. Rukoro weiter: „Es ist nicht genug für das Blut unserer Vorfahren.“
Deutsch-Südwestafrika (18841915): Einzige Kolonie mit einer nennenswerten Anzahl deutscher Siedler. Das Gebiet der Kolonie ist deckungsgleich mit dem heutigen Namibia.
Deutsch-Ostafrika (1885-1918): Mit 7,75 Millionen Einwohnern größte deutsche Kolonie. Sie umfasste Teile von Tansania, Burundi, Ruanda und Mosambik. Auch hier gab es bewaffnete Auseinandersetzungen mit Einheimischen. Der Maji-MajiKrieg (1905-1908) gilt als einer der größten Kolonialkriege.
Kamerun (1884-1916): Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet bedeutendste Kolonie; Kakao-Plantagenanbau.
Togo (1884-1914): Handelskolonie mit geringer europäischer Bevölkerung (nie mehr als 350 Personen).
Deutsch-Neuguinea (1885/ 1899-1919): Umfasste Nauru und die Palau-Inseln sowie Teile von Papua-Neuguinea, Mikronesien und den Salomonen.
Deutsche Samoa-Inseln (19001914): Deutschlands „Perle in der Südsee“blieb ebenso wie Deutsch-Neuguinea wirtschaftlich unbedeutend.
Kiautschou (1898-1914): Die Ermordung zweier Missionare gab den Deutschen den Vorwand, 1897 die Bucht in Nordchina zu besetzen; sie pachteten das Gebiet für 99 Jahre. Gedacht als Flotten- und Handelsstützpunkt, erfüllten sich die Erwartungen nicht. Stattdessen war die brutale Niederschlagung des Boxeraufstand sein weiterer Tiefpunkt in der Geschichte des deutschen Kolonialismus. (KNA)