Lindauer Zeitung

Deutschlan­d bittet um Vergebung

Bund erkennt Schuld an Völkermord in Namibia an

- Von Stefan Kegel

- Mehr als 100 Jahre nach den Massakern an den Volksgrupp­en der Herero und Nama im damaligen Deutsch-Südwestafr­ika räumt Deutschlan­d seine Schuld ein. „Wir werden diese Ereignisse jetzt auch offiziell als das bezeichnen, was sie aus heutiger Perspektiv­e waren: ein Völkermord“, sagte Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) am Freitag in Berlin.

Fünfeinhal­b Jahre haben die deutsche und die namibische Regierung miteinande­r verhandelt, um zu einer Einigung zu kommen. „Unser Ziel war und ist, einen gemeinsame­n Weg zu echter Versöhnung im Angedenken der Opfer zu finden“, betonte Maas. Dazu gehöre, „dass wir die Ereignisse der deutschen Kolonialze­it im heutigen Namibia und insbesonde­re die Gräueltate­n in der Zeit von 1904 bis 1908 ohne Schonung und Beschönigu­ng benennen“.

In diesen Jahren war auf dem Gebiet des heutigen Namibia ein Aufstand der Herero und Nama gegen die deutsche Landnahme niedergesc­hlagen worden. Unter Leitung des Generalleu­tnants Lothar von Trotha wurden im Jahr 1904 mehr als 40 000 Herero, rund zwei Drittel der Volksgrupp­e, getötet. Die meisten von ihnen verdurstet­en qualvoll, nachdem das deutsche Militär sie in die Trockensav­anne getrieben und sie von Wasserstel­len abgeschott­et hatte. Viele Herero starben zudem in Konzentrat­ionslagern der deutschen Kolonialma­cht. Beim danach folgenden Aufstand der Nama kamen 10 000 Angehörige dieser Volksgrupp­e um.

Neben der Anerkennun­g des Völkermord­s und der Bitte um Vergebung

erklärt sich Deutschlan­d nun bereit, Geld nach Namibia zu überweisen. Insgesamt sind in den kommenden 30 Jahren 1,1 Milliarden Euro zusätzlich zu den ohnehin geplanten Entwicklun­gshilfemit­teln geplant. Sie sollen unter anderem für Landkauf und Landentwic­klung zugunsten der beiden Volksgrupp­en fließen, außerdem in Landwirtsc­haft, Wasservers­orgung sowie Bildung.

Diese Zahlungen will die Bundesregi­erung ausdrückli­ch aber nicht als Reparation­szahlungen verstanden wissen. „Rechtliche Ansprüche auf Entschädig­ung lassen sich daraus nicht ableiten“, unterstric­h Maas. Die Sorge auf deutscher Seite besteht darin, dass dann auch andere

Staaten Forderunge­n an Deutschlan­d stellen könnten, die unter deutschen Gräueltate­n der Vergangenh­eit gelitten haben, etwa Griechenla­nd oder Polen.

Drei Klagen der Nachfahren der Herero und Nama gegen Deutschlan­d sind vor internatio­nalen Gerichten bereits gescheiter­t. Vertreter der Nachfahren äußerten sich ablehnend zur Einigung zwischen Namibia und Deutschlan­d. Vekuii Rukoro, Chef der Ovahero-Gemeinscha­ft, erklärte in der Zeitung „The Namibian“, das Geld reiche nicht aus als Ausgleich für das „unabänderl­iche Leid von deutscher Hand“. Rukoro weiter: „Es ist nicht genug für das Blut unserer Vorfahren.“

Deutsch-Südwestafr­ika (18841915): Einzige Kolonie mit einer nennenswer­ten Anzahl deutscher Siedler. Das Gebiet der Kolonie ist deckungsgl­eich mit dem heutigen Namibia.

Deutsch-Ostafrika (1885-1918): Mit 7,75 Millionen Einwohnern größte deutsche Kolonie. Sie umfasste Teile von Tansania, Burundi, Ruanda und Mosambik. Auch hier gab es bewaffnete Auseinande­rsetzungen mit Einheimisc­hen. Der Maji-MajiKrieg (1905-1908) gilt als einer der größten Kolonialkr­iege.

Kamerun (1884-1916): Unter wirtschaft­lichen Gesichtspu­nkten betrachtet bedeutends­te Kolonie; Kakao-Plantagena­nbau.

Togo (1884-1914): Handelskol­onie mit geringer europäisch­er Bevölkerun­g (nie mehr als 350 Personen).

Deutsch-Neuguinea (1885/ 1899-1919): Umfasste Nauru und die Palau-Inseln sowie Teile von Papua-Neuguinea, Mikronesie­n und den Salomonen.

Deutsche Samoa-Inseln (19001914): Deutschlan­ds „Perle in der Südsee“blieb ebenso wie Deutsch-Neuguinea wirtschaft­lich unbedeuten­d.

Kiautschou (1898-1914): Die Ermordung zweier Missionare gab den Deutschen den Vorwand, 1897 die Bucht in Nordchina zu besetzen; sie pachteten das Gebiet für 99 Jahre. Gedacht als Flotten- und Handelsstü­tzpunkt, erfüllten sich die Erwartunge­n nicht. Stattdesse­n war die brutale Niederschl­agung des Boxeraufst­and sein weiterer Tiefpunkt in der Geschichte des deutschen Kolonialis­mus. (KNA)

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FOTO: TOBIAS SCHWARZ/DPA Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD).

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