EU vertagt Agrarreform erneut
Eine Einigung bis zur Sommerpause scheint aber noch möglich
- Ohne Einigung ist der „Jumbo-Trilog“zur Agrarreform nach drei Tagen und einigen Nachtsitzungen zu Ende gegangen. Glaubt man dem CDU-Berichterstatter Peter Jahr, dann „schwirrt der Kompromiss durch die Luft, man muss ihn nur noch fangen“. Es geht um viel Geld – 30 Prozent des EU-Budgets fließen in die Landwirtschaft. Während die Mitgliedsstaaten nach Überzeugung des grünen Abgeordneten Martin Häusling „möglichst viel Geld für möglichst wenig Auflagen“heraus handeln möchten, drängt das Europaparlament auf ökologische Fortschritte – die Vorgaben dazu habe der Rat mit seinen Klimaverpflichtungen und dem Bekenntnis zu nachhaltiger Landwirtschaft schließlich selbst gemacht.
Festgehakt haben sich die Verhandlungen daran, welcher Prozentsatz der Direktzahlungen an Umweltauflagen gebunden werden soll. Das Parlament wollte ursprünglich 30 Prozent, was dem „Greening“in den aktuell geltenden Regeln entsprochen hätte. Auch 25 Prozent würden die Abgeordneten akzeptieren, nicht aber die zusätzliche zweijährige „Lernphase“, die der Rat verlangt, um den Landwirten mehr Zeit für die Umstellung auf nachhaltigeres Wirtschaften zu verschaffen. Wegen der erforderlichen nationalen Umsetzung wird die Reform ohnehin erst 2023 in Kraft treten. Käme dann noch eine zweijährige Lernphase hinzu, blieben genau drei Jahre in dieser Finanzperiode, um das neue System der „Ecoschemes“zu testen.
Für Peter Jahr ist die Sache ganz einfach: Die Mitgliedsstaaten sollen sicherstellen, dass im Schnitt der fünf Jahre laufenden Finanzperiode jährlich 25 Prozent der Direktbeihilfen an Öko-Auflagen gebunden werden. Sollten einige Länder Anlaufschwierigkeiten haben, müssen sie eben später entsprechend mehr von ihren Landwirten fordern, um im Schnitt auf die 25 Prozent pro Jahr zu kommen. Die Angst davor, dass die Mittel verfallen könnten, sei völlig unbegründet, so Jahr. In den meisten Mitgliedsstaaten könnten in der 2. Säule nicht einmal alle Bewerber für Umweltprogramme berücksichtigt werden. Agrarkommissar Janusz Wojciechowksi bestätigte, dass auch in seinem Heimatland Polen die Nachfrage nach Ökoförderung das Angebot übersteige.
Ein weiterer Streitpunkt, der Deutschland aber nicht betrifft, sind die sogenannten historischen Zahlungen, die auf älteren Versionen der Gemeinsamen Agrarpolitik beruhen und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Sie existieren noch in zehn der 27 EU-Staaten. Das führt zum Beispiel in Italien dazu, dass alteingesessene Höfe bis zu 2000 Euro Direktzahlung pro Hektar kassieren, während neue Betriebe nur 50 Euro pro Hektar erhalten.
Teilnehmer des Sitzungsmarathons erzählten hinterher übereinstimmend, die portugiesische Ratspräsidentschaft und andere Vertreter der EU-Regierungen seien „überrascht“gewesen, das Parlament so standhaft zu finden. Schließlich stehen die Abgeordneten aus ländlichen Wahlkreisen unter Druck, endlich zum Abschluss zu kommen und damit für Planungssicherheit zu sorgen.
Allen Beteiligten ist auch bewusst, dass sich Ende Juni die Lage weiter verkompliziert, wenn Slowenien die Ratspräsidentschaft übernimmt. Dem kleinen politisch instabilen Land wird die nötige Autorität für ein derart komplexes Interessengeflecht nicht zugetraut. Deshalb steigt der Druck, in den kommenden vier Wochen einen Kompromiss zu finden. Schon nächste Woche wollen die Arbeitsgruppen von Rat und Parlament weiter beraten – allerdings zunächst getrennt. Ende Juni beim Agrarrat in Luxemburg gibt es dann vielleicht den Super-Jumbo-Trilog, der endlich den Durchbruch bringt.