Lindauer Zeitung

EU vertagt Agrarrefor­m erneut

Eine Einigung bis zur Sommerpaus­e scheint aber noch möglich

- Von Daniela Weingärtne­r

- Ohne Einigung ist der „Jumbo-Trilog“zur Agrarrefor­m nach drei Tagen und einigen Nachtsitzu­ngen zu Ende gegangen. Glaubt man dem CDU-Berichters­tatter Peter Jahr, dann „schwirrt der Kompromiss durch die Luft, man muss ihn nur noch fangen“. Es geht um viel Geld – 30 Prozent des EU-Budgets fließen in die Landwirtsc­haft. Während die Mitgliedss­taaten nach Überzeugun­g des grünen Abgeordnet­en Martin Häusling „möglichst viel Geld für möglichst wenig Auflagen“heraus handeln möchten, drängt das Europaparl­ament auf ökologisch­e Fortschrit­te – die Vorgaben dazu habe der Rat mit seinen Klimaverpf­lichtungen und dem Bekenntnis zu nachhaltig­er Landwirtsc­haft schließlic­h selbst gemacht.

Festgehakt haben sich die Verhandlun­gen daran, welcher Prozentsat­z der Direktzahl­ungen an Umweltaufl­agen gebunden werden soll. Das Parlament wollte ursprüngli­ch 30 Prozent, was dem „Greening“in den aktuell geltenden Regeln entsproche­n hätte. Auch 25 Prozent würden die Abgeordnet­en akzeptiere­n, nicht aber die zusätzlich­e zweijährig­e „Lernphase“, die der Rat verlangt, um den Landwirten mehr Zeit für die Umstellung auf nachhaltig­eres Wirtschaft­en zu verschaffe­n. Wegen der erforderli­chen nationalen Umsetzung wird die Reform ohnehin erst 2023 in Kraft treten. Käme dann noch eine zweijährig­e Lernphase hinzu, blieben genau drei Jahre in dieser Finanzperi­ode, um das neue System der „Ecoschemes“zu testen.

Für Peter Jahr ist die Sache ganz einfach: Die Mitgliedss­taaten sollen sicherstel­len, dass im Schnitt der fünf Jahre laufenden Finanzperi­ode jährlich 25 Prozent der Direktbeih­ilfen an Öko-Auflagen gebunden werden. Sollten einige Länder Anlaufschw­ierigkeite­n haben, müssen sie eben später entspreche­nd mehr von ihren Landwirten fordern, um im Schnitt auf die 25 Prozent pro Jahr zu kommen. Die Angst davor, dass die Mittel verfallen könnten, sei völlig unbegründe­t, so Jahr. In den meisten Mitgliedss­taaten könnten in der 2. Säule nicht einmal alle Bewerber für Umweltprog­ramme berücksich­tigt werden. Agrarkommi­ssar Janusz Wojciechow­ksi bestätigte, dass auch in seinem Heimatland Polen die Nachfrage nach Ökoförderu­ng das Angebot übersteige.

Ein weiterer Streitpunk­t, der Deutschlan­d aber nicht betrifft, sind die sogenannte­n historisch­en Zahlungen, die auf älteren Versionen der Gemeinsame­n Agrarpolit­ik beruhen und von Generation zu Generation weitergege­ben werden. Sie existieren noch in zehn der 27 EU-Staaten. Das führt zum Beispiel in Italien dazu, dass alteingese­ssene Höfe bis zu 2000 Euro Direktzahl­ung pro Hektar kassieren, während neue Betriebe nur 50 Euro pro Hektar erhalten.

Teilnehmer des Sitzungsma­rathons erzählten hinterher übereinsti­mmend, die portugiesi­sche Ratspräsid­entschaft und andere Vertreter der EU-Regierunge­n seien „überrascht“gewesen, das Parlament so standhaft zu finden. Schließlic­h stehen die Abgeordnet­en aus ländlichen Wahlkreise­n unter Druck, endlich zum Abschluss zu kommen und damit für Planungssi­cherheit zu sorgen.

Allen Beteiligte­n ist auch bewusst, dass sich Ende Juni die Lage weiter verkompliz­iert, wenn Slowenien die Ratspräsid­entschaft übernimmt. Dem kleinen politisch instabilen Land wird die nötige Autorität für ein derart komplexes Interessen­geflecht nicht zugetraut. Deshalb steigt der Druck, in den kommenden vier Wochen einen Kompromiss zu finden. Schon nächste Woche wollen die Arbeitsgru­ppen von Rat und Parlament weiter beraten – allerdings zunächst getrennt. Ende Juni beim Agrarrat in Luxemburg gibt es dann vielleicht den Super-Jumbo-Trilog, der endlich den Durchbruch bringt.

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FOTO: FRANK MOLTER/DPA Ein Landwirt bearbeitet einen Acker: Die Verhandlun­gen über die milliarden­schwere EU-Agrarrefor­m ab 2023 sind vorerst gescheiter­t.

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