So viel Treibhauseffekt steckt in unseren Äpfeln
Egal ob biologischer oder konventioneller Anbau: Ein Apfel aus der Region ist ein klimafreundliches Lebensmittel
- Äpfel aus der Region sind ein äußerst klimafreundliches Lebensmittel – das bestätigt eine Studie aus Heidelberg. Ob der Apfel biologisch oder konventionell angebaut wird, hat dabei aber kaum Einfluss. Ein Wissenschaftler und ein BioLandwirt aus der Region erklären, wieso.
Dr. Guido Reinhardt und sein Team des ifeu-Instituts in Heidelberg haben im vergangenen Jahr eine Studie veröffentlicht, in der sie den ökologischen Fußabdruck von 200 Lebensmitteln darstellen. Der Einfluss von unterschiedlichen Lebensmitteln auf den Klimawandel rücke immer weiter in das öffentliche Interesse, sagt Reinhardt. Die Studie sei unter anderem für Konsumenten erarbeitet worden, die sich orientieren wollen. Wirklich neu an der Studie sei, dass die Wissenschaftler den Fußabdruck „von der Wiege bis zur Bahre“verfolgt haben. Dabei sei nicht nur der bloße Ausstoß der Treibhausgase wie Kohlenstoffdioxid, Methan oder Lachgas bei der Produktion eines Lebensmittels beachtet worden, sondern unter anderem auch der Flächen- und Wasserverbrauch.
Frisch geerntete heimische Äpfel und Erdbeeren gehören laut der Studie zu den klimafreundlichsten Lebensmitteln, die man in deutschen Supermärkten kaufen kann. Regionale Äpfel hinterlassen 0,3 Kilogramm Treibhausgase pro Kilogramm Obst, mit dem gleichen Wert schneiden Birnen und Erdbeeren ab – heimische Trauben liegen bei 0,4. Besser als der Apfel schneidet nur heimisches Gemüse wie Karotten oder Weißkohl mit jeweils 0,1 ab. Importierte Lebensmittel wie Avocado, Ananas und Bananen verbrauchen mit 0,6 mehr Treibhausgase pro Kilogramm.
„Der Apfel ist ein wunderbares Beispiel dafür, welchen Einfluss die Randbedingungen haben“, sagt Guido Reinhardt. Importe seien logischerweise schlechter für das Klima, wobei der Transport mit dem Flugzeug rund zehn mal mehr CO2 pro Kilogramm Lebensmittel produziert als ein Warentransport per Schiff. Außerdem sei wichtig, wann ein Apfel vertrieben werde. „Wenn der Apfel nicht schnell nach der Ernte verkauft wird, muss er gekühlt gelagert werden, das benötigt wieder Energie.“Die Bilanz eines regionalen Apfels verschlechtert sich aber nur gering – von 0,3, wenn er im im Herbst konsumiert wird, auf 0,4 im Frühjahr.
Ein Apfel wird laut Reinhardt außerdem klimaschädlicher, sobald er in die Lebensmittelindustrie geht. Die Produktion von Apfelchips, Apfelmus oder Apfelsaft brauche Energie, das wiederum führe zum Ausstoß von Treibhausgasen. Außerdem werden Produkte der Lebensmittelindustrie in Verpackungen gefüllt, die wiederum ihren ganz eigenen ökologischen Fußabdruck hinterlassen. Gemessen am Energiebedarf rät Reinhardt zu Papier-, Plastik- und Verbundverpackungen. Konserven und EinwegGläser verbrauchen derweil mehr Energie in der Produktion. In der Studie zeigen die Wissenschaftler den Energie-Mehraufwand durch die Lebensmittelindustrie anhand eines heimischen Pfirsichs. Dieser kommt frisch verkauft auf einen Wert von 0,2, Pfirsiche aus der Konserve schießen auf 1,6 hoch.
Eine Frage, die auch Guido Reinhardt nicht endgültig beantworten will: Ob Biolandwirtschaft klimafreundlicher ist als konventionelle Landwirtschaft. „Bei einigen Bio-Lebensmitteln ist der Ausstoß von Treibhausgasen höher als bei dem gleichen Lebensmittel aus konventionellem Anbau“, sagt Reinhardt, weil Bio beispielsweise häufig mehr Platz brauche. „Bei vielen Lebensmitteln ist es aber genau umgekehrt“.
Als Claudius Haug im Jahr 2000 seinen Betrieb auf ökologische Landwirtschaft umstellte, sei die Treibhausgas-Einsparung kein besonders großes Thema gewesen. Der Weinund Obstbauer aus Lindau-Schönau erklärt, dass die Pioniere des ökologischen Anbaus ganz andere Ziele hatten. „Bio ist der Verzicht von chemisch synthetischen Pflanzenschutzmitteln und Herbiziden. Außerdem das Produzieren im Einklang mit der Natur, um nachhaltig für Umwelt und Mensch zu produzieren.“In den vergangenen Jahrzehnten hätten Bio-Bauern vor allem daran gearbeitet, resistente Sorten zu züchten, Strategien gegen Krankheiten zu entwickeln, die Biodiversität zu erhöhen und einen gemeinsamen Vertrieb aufzubauen. Aber: Die Einsparung von Treibhausgasen werde auch an Biohöfen ein immer wichtigeres Thema, versichert Haug.
„Es gibt einen Knackpunkt, für den Biobauern häufig kritisiert werden: Dass wir mehr Diesel pro Hektar verbrauchen“, sagt Haug. Da ökologische Landwirtschaft kein Glyphosat benutze, das sich leicht über den Boden sprenkeln lässt, hätten Biobauern einen höheren Geräteeinsatz auf dem Feld oder der Plantage. Haug achte daher darauf, Arbeitsschritte zu kombinieren, um so die Maschinenstunden zu reduzieren. Er verwende außerdem Holzpfähle an seiner Plantage und vermeide Beton. Der Vertriebsverbund ÖkoBo, in dem Haug Mitglied ist, verkaufe das
Obst außerdem lose. Transportiert werde vor allem nach Süddeutschland, „aber auch mal in den Norden, falls das Obst dort knapp wird.“
Haug spart laut eigener Aussage außerdem Treibhausgase durch seine zurückhaltende Düngung. „Bei uns ist das organisches Düngematerial, das als Abfallprodukt sowieso entsorgt worden wäre.“Ein Großteil des weltweit eingesetzten Düngemittels sind jedoch Stickstoffdünger,
ANZEIGE laut der Max-Planck-Gesellschaft sorgen diese dafür, dass große Mengen an Lachgas in die Atmosphäre gelangen. Lachgas ist ein 300 Mal stärker wirkendes Treibhausgas als CO2 und trägt sechs bis sieben Prozent zum weltweiten Treibhauseffekt bei. Eine Veränderung ist jedoch in Sicht: In Deutschland wird immer weniger Stickstoffdünger eingesetzt, außerdem wird durch unterschiedliche wissenschaftliche Projekte an Alternativen gearbeitet. Am See sei Stickstoffdünger sowieso wenig verbreitet, so Haug: „Der Bedarf an Stickstoff von Obstkulturen ist im Vergleich zu Ackerbau aber deutlich geringer.“
Solange der Apfel aus Deutschland komme, sei es ein sehr klimafreundliches Lebensmittel, resümiert Wissenschaftler Guido Reinhardt. Bio sorge zwar nicht unbedingt für eine bessere Treibhausgas-Bilanz, dafür würden die Böden nachhaltiger bearbeitet, keine Pestizide verbreitet und die Artenvielfalt beachtet. „Die Vorteile sind groß, aber nicht unbedingt im Treibhauseffekt.“
Bezogen auf den ökologischen Fußabdruck gibt es laut Reinhardt jedoch den einen besten Apfel – der von der Streuobstwiese. „Dort wird der Boden nicht beackert, es braucht also keine Maschinen und daher auch kein Treibstoff.“
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