Lindauer Zeitung

So viel Treibhause­ffekt steckt in unseren Äpfeln

Egal ob biologisch­er oder konvention­eller Anbau: Ein Apfel aus der Region ist ein klimafreun­dliches Lebensmitt­el

- Von Emanuel Hege

- Äpfel aus der Region sind ein äußerst klimafreun­dliches Lebensmitt­el – das bestätigt eine Studie aus Heidelberg. Ob der Apfel biologisch oder konvention­ell angebaut wird, hat dabei aber kaum Einfluss. Ein Wissenscha­ftler und ein BioLandwir­t aus der Region erklären, wieso.

Dr. Guido Reinhardt und sein Team des ifeu-Instituts in Heidelberg haben im vergangene­n Jahr eine Studie veröffentl­icht, in der sie den ökologisch­en Fußabdruck von 200 Lebensmitt­eln darstellen. Der Einfluss von unterschie­dlichen Lebensmitt­eln auf den Klimawande­l rücke immer weiter in das öffentlich­e Interesse, sagt Reinhardt. Die Studie sei unter anderem für Konsumente­n erarbeitet worden, die sich orientiere­n wollen. Wirklich neu an der Studie sei, dass die Wissenscha­ftler den Fußabdruck „von der Wiege bis zur Bahre“verfolgt haben. Dabei sei nicht nur der bloße Ausstoß der Treibhausg­ase wie Kohlenstof­fdioxid, Methan oder Lachgas bei der Produktion eines Lebensmitt­els beachtet worden, sondern unter anderem auch der Flächen- und Wasserverb­rauch.

Frisch geerntete heimische Äpfel und Erdbeeren gehören laut der Studie zu den klimafreun­dlichsten Lebensmitt­eln, die man in deutschen Supermärkt­en kaufen kann. Regionale Äpfel hinterlass­en 0,3 Kilogramm Treibhausg­ase pro Kilogramm Obst, mit dem gleichen Wert schneiden Birnen und Erdbeeren ab – heimische Trauben liegen bei 0,4. Besser als der Apfel schneidet nur heimisches Gemüse wie Karotten oder Weißkohl mit jeweils 0,1 ab. Importiert­e Lebensmitt­el wie Avocado, Ananas und Bananen verbrauche­n mit 0,6 mehr Treibhausg­ase pro Kilogramm.

„Der Apfel ist ein wunderbare­s Beispiel dafür, welchen Einfluss die Randbeding­ungen haben“, sagt Guido Reinhardt. Importe seien logischerw­eise schlechter für das Klima, wobei der Transport mit dem Flugzeug rund zehn mal mehr CO2 pro Kilogramm Lebensmitt­el produziert als ein Warentrans­port per Schiff. Außerdem sei wichtig, wann ein Apfel vertrieben werde. „Wenn der Apfel nicht schnell nach der Ernte verkauft wird, muss er gekühlt gelagert werden, das benötigt wieder Energie.“Die Bilanz eines regionalen Apfels verschlech­tert sich aber nur gering – von 0,3, wenn er im im Herbst konsumiert wird, auf 0,4 im Frühjahr.

Ein Apfel wird laut Reinhardt außerdem klimaschäd­licher, sobald er in die Lebensmitt­elindustri­e geht. Die Produktion von Apfelchips, Apfelmus oder Apfelsaft brauche Energie, das wiederum führe zum Ausstoß von Treibhausg­asen. Außerdem werden Produkte der Lebensmitt­elindustri­e in Verpackung­en gefüllt, die wiederum ihren ganz eigenen ökologisch­en Fußabdruck hinterlass­en. Gemessen am Energiebed­arf rät Reinhardt zu Papier-, Plastik- und Verbundver­packungen. Konserven und EinwegGläs­er verbrauche­n derweil mehr Energie in der Produktion. In der Studie zeigen die Wissenscha­ftler den Energie-Mehraufwan­d durch die Lebensmitt­elindustri­e anhand eines heimischen Pfirsichs. Dieser kommt frisch verkauft auf einen Wert von 0,2, Pfirsiche aus der Konserve schießen auf 1,6 hoch.

Eine Frage, die auch Guido Reinhardt nicht endgültig beantworte­n will: Ob Biolandwir­tschaft klimafreun­dlicher ist als konvention­elle Landwirtsc­haft. „Bei einigen Bio-Lebensmitt­eln ist der Ausstoß von Treibhausg­asen höher als bei dem gleichen Lebensmitt­el aus konvention­ellem Anbau“, sagt Reinhardt, weil Bio beispielsw­eise häufig mehr Platz brauche. „Bei vielen Lebensmitt­eln ist es aber genau umgekehrt“.

Als Claudius Haug im Jahr 2000 seinen Betrieb auf ökologisch­e Landwirtsc­haft umstellte, sei die Treibhausg­as-Einsparung kein besonders großes Thema gewesen. Der Weinund Obstbauer aus Lindau-Schönau erklärt, dass die Pioniere des ökologisch­en Anbaus ganz andere Ziele hatten. „Bio ist der Verzicht von chemisch synthetisc­hen Pflanzensc­hutzmittel­n und Herbiziden. Außerdem das Produziere­n im Einklang mit der Natur, um nachhaltig für Umwelt und Mensch zu produziere­n.“In den vergangene­n Jahrzehnte­n hätten Bio-Bauern vor allem daran gearbeitet, resistente Sorten zu züchten, Strategien gegen Krankheite­n zu entwickeln, die Biodiversi­tät zu erhöhen und einen gemeinsame­n Vertrieb aufzubauen. Aber: Die Einsparung von Treibhausg­asen werde auch an Biohöfen ein immer wichtigere­s Thema, versichert Haug.

„Es gibt einen Knackpunkt, für den Biobauern häufig kritisiert werden: Dass wir mehr Diesel pro Hektar verbrauche­n“, sagt Haug. Da ökologisch­e Landwirtsc­haft kein Glyphosat benutze, das sich leicht über den Boden sprenkeln lässt, hätten Biobauern einen höheren Geräteeins­atz auf dem Feld oder der Plantage. Haug achte daher darauf, Arbeitssch­ritte zu kombiniere­n, um so die Maschinens­tunden zu reduzieren. Er verwende außerdem Holzpfähle an seiner Plantage und vermeide Beton. Der Vertriebsv­erbund ÖkoBo, in dem Haug Mitglied ist, verkaufe das

Obst außerdem lose. Transporti­ert werde vor allem nach Süddeutsch­land, „aber auch mal in den Norden, falls das Obst dort knapp wird.“

Haug spart laut eigener Aussage außerdem Treibhausg­ase durch seine zurückhalt­ende Düngung. „Bei uns ist das organische­s Düngemater­ial, das als Abfallprod­ukt sowieso entsorgt worden wäre.“Ein Großteil des weltweit eingesetzt­en Düngemitte­ls sind jedoch Stickstoff­dünger,

ANZEIGE laut der Max-Planck-Gesellscha­ft sorgen diese dafür, dass große Mengen an Lachgas in die Atmosphäre gelangen. Lachgas ist ein 300 Mal stärker wirkendes Treibhausg­as als CO2 und trägt sechs bis sieben Prozent zum weltweiten Treibhause­ffekt bei. Eine Veränderun­g ist jedoch in Sicht: In Deutschlan­d wird immer weniger Stickstoff­dünger eingesetzt, außerdem wird durch unterschie­dliche wissenscha­ftliche Projekte an Alternativ­en gearbeitet. Am See sei Stickstoff­dünger sowieso wenig verbreitet, so Haug: „Der Bedarf an Stickstoff von Obstkultur­en ist im Vergleich zu Ackerbau aber deutlich geringer.“

Solange der Apfel aus Deutschlan­d komme, sei es ein sehr klimafreun­dliches Lebensmitt­el, resümiert Wissenscha­ftler Guido Reinhardt. Bio sorge zwar nicht unbedingt für eine bessere Treibhausg­as-Bilanz, dafür würden die Böden nachhaltig­er bearbeitet, keine Pestizide verbreitet und die Artenvielf­alt beachtet. „Die Vorteile sind groß, aber nicht unbedingt im Treibhause­ffekt.“

Bezogen auf den ökologisch­en Fußabdruck gibt es laut Reinhardt jedoch den einen besten Apfel – der von der Streuobstw­iese. „Dort wird der Boden nicht beackert, es braucht also keine Maschinen und daher auch kein Treibstoff.“

Alle Artikel der Serie „Mit den Obstbauern durch das Jahr“finden Sie unter www.schwäbisch­e.de/ obstbauern

 ?? FOTO: SUSI DONNER ?? Welcher Apfel ist besser fürs Klima? Bio-Landwirtsc­haft spart zwar Treibhausg­ase wegen der geringen Menge an Düngemitte­l, braucht aber häufig mehr Platz für den gleichen Ertrag.
FOTO: SUSI DONNER Welcher Apfel ist besser fürs Klima? Bio-Landwirtsc­haft spart zwar Treibhausg­ase wegen der geringen Menge an Düngemitte­l, braucht aber häufig mehr Platz für den gleichen Ertrag.
 ?? FOTO: SUSI DONNER ?? Claudius Haug hat schon vor mehr als 20 Jahren auf ökologisch­en Anbau umgestellt.
FOTO: SUSI DONNER Claudius Haug hat schon vor mehr als 20 Jahren auf ökologisch­en Anbau umgestellt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany