Einer, der sich plagen kann
Bürgermeister Johannes Aschauer beendet seine Amtszeit – Ein Rückblick auf Erfolge und Auseinandersetzungen
- Johannes Aschauer war 24 Jahre lang Bürgermeister von Achberg, kommende Woche legt er sein Amt nieder. Der passionierte Bergsteiger hat erneuert, investiert, und sich in Streitereien verwickelt. Ein Rückblick auf seine Erfolge mit einigen Eingeständnissen.
In den kommenden Wochen will Johannes Aschauer wieder in die Berge, das sei in seiner Amtszeit als Bürgermeister Achbergs immer wieder zu kurz gekommen. „Ich weiß nicht, ob ich direkt wieder den Mont Blanc besteigen kann“, sagt Aschauer und lacht, „aber früher hat das ja auch funktioniert“. Ich bin schon einer, der sich plagen kann, hat Aschauer 1997 über sich selbst gesagt, als er als recht unerfahrener Gemeinderat zum ersten Mal für das Bürgermeisteramt kandidierte.
Der gelernte Geowissenschaftler war damals nicht unumstritten. „Es wurde durchaus kritisch gesehen, dass sich ein der Grünen-Partei zugehöriger, Evangelischer, von Beruf Geologe, als Bürgermeister von Achberg bewirbt“, blickt sein Stellvertreter Manfred Vogler auf die Zeit zurück.
Aschauer gewann damals mit knapper Mehrheit, „im Dorf war so eine 50/50 Stimmung“, erinnert er sich. Am Anfang sei es daher wichtig gewesen, dass er seine Motivation und Lernbereitschaft präsentiere. Unter anderem mit kleinen Verschönerungsarbeiten an der Schule habe er damals Akzeptanz gewonnen.
Als nächstes griff Aschauer das Thema ÖPNV auf. Nachmittagsunterricht sei Ende der 1990er Jahre immer wichtiger geworden, die wenigen Busverbindungen nach Lindau und Wangen seien nicht mehr zeitgemäß gewesen, sagt Aschauer heute. Die Gemeinde setzte sich mit Erfolg für den Stundentakt ein. Es habe außerdem Testphasen mit Fahrten an Sommerabenden oder am Wochenende gegeben. „Das hat aber wenig gebracht, die Fahrgastzahlen sind bei uns einfach zu niedrig.“
Auch an der Grundschule und dem Kindergarten werkelte Aschauers in seiner Amtszeit immer wieder. Mitte der 2000er Jahre baute die Gemeinde neue Räume auf die Achberghalle auf, „das Lehrerzimmer und Rektorat waren bis dahin nur ein kleines Kabuff.“2009 folgte dann die thermische Sanierung, unter anderem mit neuen Fenstern. „Ich glaube die Kinder fühlen sich in unserer Schule wohl“, sagt Aschauer. Das habe ihm auch das Rupert-Ness-Gymnasium in Wangen bestätigt, „die meinten einmal, dass die Schüler aus Achberg doch ganz schön was drauf haben“, so Aschauer stolz.
Zwei mal wurde er wiedergewählt, zuletzt 2013 als er sich deutlich
ANZEIGE gegen den jetzigen Gemeinderat Klaus Wirthwein durchsetzte. Aschauer sei halt einer, der auch selbst Hand angelegt hat, sagt Gemeinderat Manfred Vogler – sei es bei Bauhofarbeiten, Feuerwehreinsätzen oder der Pflege des Gemeindewaldes. Aschauer habe Vereine gefördert, Schule, Kindergarten, Infrastruktur, Bauplätze und Gewerbeflächen weiterentwickelt, so Vogler. „Er hat die Gemeinde im Jahr 1997 schuldenfrei übernommen und übergibt sie trotz vieler Investitionen jetzt immer noch schuldenfrei an seinen Nachfolger Tobias Walch.“Und das trotz der teuren Renovierung des Martin-Grisar-Hauses – Aschauers wohl größtes und umstrittenstes Projekt.
Nach Verspätungen, Nachzahlungen und Ärger mit dem Planungsbüro, wird das neue Bürgerhaus in diesem Sommer fertig – die neue Kindergartengruppe ist schon seit über einem Jahr im Erdgeschoss eingezogen. Nicht nur bei diesem Thema gerieten Johannes Aschauer und Achberger Bürger aneinander. Auch bei einer Ansägeaktion an einer Grundstücksgrenze 2003 oder vor rund fünf Jahren, als Geflüchtete nach Achberg zogen, stritt Aschauer beharrlich für seine Ansichten.
„Ich konnte nicht ruhig bleiben, wenn ich Unrecht gegen andere oder gegen mich wahrnahm“, sagt er am Ende seiner Amtszeit. Es sei ihm schwer gefallen, eine angemessene, deeskalierende Reaktion zu finden. „Ich habe auch versucht, Gegenargumente und Klarstellungen zu bringen. Aber in vielen Fällen führte dies zu weiteren Komplikationen.“Es wäre oft besser gewesen, überhaupt nicht zu reagieren und den Dingen ihren Lauf zu lassen, sagt Aschauer.
Er habe manche Konflikte einfach zu emotional ausgetragen, sagt auch sein Wegbegleiter Manfred Vogler. „Dadurch wurde so manches persönliche Verhältnis langfristig geschädigt.“Die vereinzelten Konflikte gipfelten im vergangenen Jahr in der Auseinandersetzung mit den sogenannten „Kritischen Bürgern Achbergs“,
was auch zum frühzeitigen Ruhestand Aschauers führte. Diese anonyme Person oder Gruppe verschickt seit über einem Jahr Briefe an Achberger, Unternehmen und Zeitungen – darin attackiert die Gruppe Aschauer und die Verwaltung. Es sei ein „seelisch als auch körperlich nicht schmerzfreier und meiner Gesundheit zeitweilig belastender Prozess“gewesen, mit den Angriffen umzugehen. Er habe versucht, die anonymen Kritiker kennen zu lernen, sagt Aschauer. „Im Ergebnis wünschen diese Menschen keinen Dialog sondern wollen ihren Frust nur laut in die Welt hinaus rufen“, resümiert Aschauer. Allerdings konnte er selbst es auch nicht lassen, immer wieder das Amtsblatt zu nutzen, um der Kritik seine Ansichten entgegen zu stellen.
Aschauer sieht darin nicht nur ein Angriff auf seine Person, unsachliche Kritik an Lokalpolitikern und Hassbotschaften seien eine Gefahr für die Demokratie. „Ich sehe das Problem verstärkt in den Sozialen Medien, wo heraus geschriene Informationen ohne Kontext verbreitet werden“, sagt Aschauer, der kein Smartphone besitzt. Die verkürzten Infos und Anfeindungen würden sich gut lesen lassen und bekommen direkt digitalen Beifall – eine echte Meinungsbildung sei dadurch aber nicht möglich. „Die Art mit Informationen umzugehen hat sich stark verändert. Das kommt wie ein Boomerang auf die Amtsträger zurück.“
Umso dankbarer sei er für das „Wir-Gefühl“, mit dem er auf seine 24 Jahre und 298 Gemeinderatssitzungen als Bürgermeister zurück blickt. Im Rathaus mit den Verwaltungsmitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe er sich immer heimisch gefühlt, seine Stellvertreter seien immer eine Unterstützung gewesen. Auch bei der Feuerwehr, bei den Erzieherinnen, der Gebäudereinigung und dem Bauhofmitarbeitern bedankt er sich.
„Die ersten Wochen werden sich wie Urlaub anfühlen“, sagt Aschauer über die Rente, „dem Urlaubsgefühl wird man aber irgendwann überdrüssig.“Er stecke sich bereits Ziele fürs Bergsteigen – 100 000 Höhenmeter will er bald pro Jahr schaffen, „und zehn Kilo weniger wären auch noch gut“. Der bergsteigende Geowissenschaftler, der 24 Jahre Bürgermeister von Achberg war, scheint immer noch der Alte zu sein: Einer, der sich plagen kann.
„In vielen Fällen führte dies zu weiteren
Komplikationen.“
Johannes Aschauer
„Das bedeutet aber auch, dass wir den Bürgern nicht nach dem Mund reden.“
Tobias Walch