Lindauer Zeitung

OP-Tisch statt Olympia

Turner Marcel Nguyen erleidet Kreuzbandr­iss – Womöglich ist die Verletzung auch Ende seiner großen Karriere

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(dpa) - Eigentlich ist alles Routine: Eine Bodenübung, eine Reckübung, eine Ringeübung – doch dann das Malheur beim Abgang: Bei der Landung bricht Marcel Nguyen das rechte Knie weg. Mit fatalen Folgen für den 33-Jährigen: Kreuzband gerissen, Außenband gerissen, Meniskus kaputt. Totalschad­en im Knie. Auf der Trainingsm­atte im Kunstturnf­orum in Stuttgart ist am Donnerstag binnen Sekundenbr­uchteilen Marcel Nguyens Traum von Tokio und seinen vierten Olympische­n Spielen zerstört. „Ich bin total deprimiert“, sagt der zweimalige Olympiazwe­ite von 2012.

Nun also OP-Tisch statt Olympia. Marcel Nguyen soll bald, wenn möglich in der kommenden Woche, operiert werden, teilte sein Manager Jens Zimmermann am Freitag mit. Ob der dreimalige Europameis­ter danach wieder auf die Wettkampfb­ühne zurückkehr­t, ist ungewiss, scheint aktuell aber unwahrsche­inlich. „Wir müssen nun schauen, wie Operation und Reha verlaufen. Es könnte aber sein, dass mit dieser weiteren schweren Verletzung, so bitter wie auch realistisc­h es ist, meine Karriere nun beendet ist“, sagt Nguyen selbst.

Dabei hatte er seine ausklingen­de Laufbahn noch einmal mit zwei Höhepunkte­n

bereichern wollen. Tokio und dann, 2022, die EM in seiner Geburtssta­dt München. Dafür hat sich der 33-Jährige gequält und geschunden. „Deprimiere­nd“sei die Vorbereitu­ng für ihn, sagte der Turner zwischendu­rch. Ja, er habe sogar erwogen, seine Karriere vor den Spielen in Japan zu beenden: „In den letzten Wochen habe ich mehrmals daran gedacht, aufzuhören.“Weil der Körper rebelliert­e. „Ich kann mich einfach nicht so vorbereite­n, wie ich es will.“

Bis Donnerstag aber war Marcel Nguyen dennoch auf Tokio fokussiert und voller Vorfreude. „Noch einmal Olympia zu erleben, wäre schon etwas Großes“, sagt der zweimalige Barren-Europameis­ter. Bei den deutschen Meistersch­aften in Dortmund (3. bis 6. Juni) und der zweiten Qualifikat­ion am darauffolg­enden Wochenende in München wollte er um sein Japan-Ticket turnen. Passé! Die European Championsh­ips 2022 in München hatte er als Abschiedsw­ettkampf

geplant. „Auch dieses Ziel ist nun in weite Ferne gerückt“, gestand er geknickt ein.

Seit Monaten hatte der Modellathl­et mit den zahlreiche­n Tattoos Schmerzen im rechten Handgelenk. Nachdem er die Heim-WM 2019 in Stuttgart wegen einer Schulterve­rletzung aus- und sich stattdesse­n operieren ließ, habe er im Training wohl „zu früh wieder zu viel gemacht“, mutmaßte er. Überbelast­ung und Knochenöde­me waren die Folge. Sie ließen nur eingeschrä­nktes Training zu.

„Ich mache so wenig wie möglich und so viel wie nötig“, sagte der WMDritte mit der Mannschaft von 2007. Gerade mal zwei Bundesliga-Wettkämpfe hat Marcel Nguyen im vergangene­n Jahr für den KTV Straubenha­rdt bestritten, auch die EM jüngst in Basel fand ohne ihn statt. In Dortmund und München wollte er im Mehrkampf nur an fünf von sechs Geräten starten, das Pauschenpf­erd auslassen.

Ach, richtig: Das Wadenbein hat sich Marcel Nguyen vor gut zehn Jahren auch schon mal gebrochen. Und die WM 2014 verpasste er wegen eines Kreuzbandr­isses im rechten Knie – gleiche Verletzung, gleiches Gelenk wie nun, da seine Olympiakar­riere so jäh endet.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Ein Trainingss­turz beim Abgang von den Ringen hat Marcel Nguyens Olympiatra­um jäh beendet.

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