Noch mal 30 Tage sind nicht zu lang
Deutschlandweit sind die Inzidenzen unter 50 gesunken. Biergärten öffnen, die ersten Konzerte haben stattgefunden, Reisen werden wieder möglich. Nur in einem Bereich bleibt die Regierung bislang hart: Büros dürfen nicht generell öffnen. Bis Ende Juni gilt weiterhin die beschlossene HomeofficePflicht. Es dreht sich um 30 Tage, die nun in der Großen Koalition einen überflüssigen Streit entfachen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier redet gemeinsam mit den Wirtschaftsverbänden zügigen Lockerungen das Wort, Finanzminister Olaf Scholz warnt vor einem Rückschlag in der Corona-Bekämpfung.
Im ersten Jahr der Pandemie hat sich die Wirtschaft sehr lange sehr erfolgreich gegen eine Homeofficeund eine Test-Pflicht gewehrt. Das war zum Teil nachvollziehbar. Viele Unternehmen waren auf das digitale Arbeiten nicht vorbereitet, auch gab es zu wenig Schnelltests für die Belegschaften. Bis heute räumt die Regierung großzügige Ausnahmen für jene Unternehmen oder Firmenbereiche ein, in denen Homeoffice für Büromitarbeiter nicht möglich ist.
All diese Rücksicht wurde genommen, obwohl früh feststand, dass Großraumbüros zu den Pandemietreibern schlechthin gehören. Im Lichte dessen sollte die Wirtschaft ruhig sein, wenn es darum geht, noch 30 Tage durchzuhalten. Denn wer jetzt im Homeoffice arbeitet, hat bewiesen, dass dies in seiner Firma möglich ist. Im besten Fall hat sie sogar einen Digitalisierungsschub geschafft. Die Homeoffice-Pflicht schnell abzuschaffen, nur damit der Chef seine Schäfchen wieder alle im Blick hat, stellt keine stichhaltige Begründung für eine Lockerung dar.
Das wichtigste Argument ist allerdings dieses: Es ist ein Unterschied, ob man sich an der frischen Luft in den Biergarten setzt, wo das Ansteckungsrisiko gegen null tendiert oder im Büro seine Aerosole verströmt. Nichts wäre für die Wirtschaft schädlicher, als wenn die Inzidenzen durch unkontrollierte Büroöffnungen jetzt wieder steigen und regionale Lockdowns zurückkämen. Dafür kann man auch noch mal 30 Tage durchhalten.