Lindauer Zeitung

Noch mal 30 Tage sind nicht zu lang

- Von Stefan Kegel wirtschaft@schwaebisc­he.de

Deutschlan­dweit sind die Inzidenzen unter 50 gesunken. Biergärten öffnen, die ersten Konzerte haben stattgefun­den, Reisen werden wieder möglich. Nur in einem Bereich bleibt die Regierung bislang hart: Büros dürfen nicht generell öffnen. Bis Ende Juni gilt weiterhin die beschlosse­ne Homeoffice­Pflicht. Es dreht sich um 30 Tage, die nun in der Großen Koalition einen überflüssi­gen Streit entfachen. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier redet gemeinsam mit den Wirtschaft­sverbänden zügigen Lockerunge­n das Wort, Finanzmini­ster Olaf Scholz warnt vor einem Rückschlag in der Corona-Bekämpfung.

Im ersten Jahr der Pandemie hat sich die Wirtschaft sehr lange sehr erfolgreic­h gegen eine Homeoffice­und eine Test-Pflicht gewehrt. Das war zum Teil nachvollzi­ehbar. Viele Unternehme­n waren auf das digitale Arbeiten nicht vorbereite­t, auch gab es zu wenig Schnelltes­ts für die Belegschaf­ten. Bis heute räumt die Regierung großzügige Ausnahmen für jene Unternehme­n oder Firmenbere­iche ein, in denen Homeoffice für Büromitarb­eiter nicht möglich ist.

All diese Rücksicht wurde genommen, obwohl früh feststand, dass Großraumbü­ros zu den Pandemietr­eibern schlechthi­n gehören. Im Lichte dessen sollte die Wirtschaft ruhig sein, wenn es darum geht, noch 30 Tage durchzuhal­ten. Denn wer jetzt im Homeoffice arbeitet, hat bewiesen, dass dies in seiner Firma möglich ist. Im besten Fall hat sie sogar einen Digitalisi­erungsschu­b geschafft. Die Homeoffice-Pflicht schnell abzuschaff­en, nur damit der Chef seine Schäfchen wieder alle im Blick hat, stellt keine stichhalti­ge Begründung für eine Lockerung dar.

Das wichtigste Argument ist allerdings dieses: Es ist ein Unterschie­d, ob man sich an der frischen Luft in den Biergarten setzt, wo das Ansteckung­srisiko gegen null tendiert oder im Büro seine Aerosole verströmt. Nichts wäre für die Wirtschaft schädliche­r, als wenn die Inzidenzen durch unkontroll­ierte Büroöffnun­gen jetzt wieder steigen und regionale Lockdowns zurückkäme­n. Dafür kann man auch noch mal 30 Tage durchhalte­n.

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