Schwarze Schafe bei Corona-Teststationen
Möglicher Betrug zieht Kreise – Gesundheitsminister Spahn kündigt mehr Kontrollen an
(dpa) - Das Netz an privaten Corona-Teststellen in Deutschland ist immer dichter geworden – darunter scheint es aber auch „schwarze Schafe“zu geben. Ein möglicher Abrechnungsbetrug bei Bürgertests zieht immer weitere Kreise, die Justiz ermittelt. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kündigte am Wochenende „stichprobenartig mehr Kontrollen“an.
„Egal ob bei Masken oder beim Testen – jeder, der die Pandemie nutzt, um sich kriminell zu bereichern, sollte sich schämen“, schrieb der Minister im Kurznachrichtendienst Twitter. Die SPD attackierte Spahn, die Grünen verlangten die Nachbesserung der Testverordnung, die FDP sogar einen Sonderermittler. Auch der Deutsche Städtetag drängt auf Konsequenzen.
In den vergangenen Monaten sind Testzentren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Getestet wird unbürokratisch. Der Bund übernimmt die Kosten für mindestens einen Schnelltest pro Bürger und Woche. Die Teststellen erhalten 18 Euro pro Test. Eine mangelnde Kontrolle könnte ein Einfallstor für Abrechnungsbetrug bieten, wie Recherchen von WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung“ergeben hatten. Stichproben hätten etwa an einer Teststelle in Köln ergeben, dass statt 70 wirklich genommener Proben fast 1000 abgerechnet worden seien. Ähnliches hätten Stichproben unter anderem in Essen und in Münster zutage gefördert. Der Bericht verweist auf mangelnde Kontrollmöglichkeiten seitens der Behörden. Wie die dpa aus dem bayerischen Gesundheitsministerium erfuhr, ermitteln auch bayerische Behörden wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug bei CoronaTests. Dem Gesundheitsministerium sei „konkret ein Fall bekannt, in dem die Behörden ermitteln“. Um welche Teststelle es sich handelt, wollte ein Sprecher „wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens und der noch geltenden Unschuldsvermutung“nicht sagen.
Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaftskriminalität in Bochum nahm mittlerweile Ermittlungen gegen zwei Verantwortliche eines in Bochum ansässigen Unternehmens auf, das an mehreren Standorten Teststellen betreibt. Demnach wurden im Ruhrgebiet bereits Geschäftsräume und Privatwohnungen durchsucht. Dabei seien
Unterlagen beschlagnahmt worden. Den Namen des Unternehmens wollte die Behörde nicht nennen. Das Kölner Gesundheitsamt befürchtet, dass es sich nur um die Spitze des Eisbergs handelt. Man habe die Sorge, „dass noch weitere Fälle uns in Zukunft beschäftigen werden“, sagte Behördenleiter Johannes Nießen in der ARD.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPDBundestagsfraktion, Carsten Schneider, sagte der dpa: „Nach den Masken jetzt die Schnelltests. Das Managementversagen im Gesundheitsministerium hat inakzeptable Ausmaße angenommen.“Spahn habe Warnungen und Hinweise von Abgeordneten der Koalitionsfraktionen für die Testbedingungen ignoriert. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria KleinSchmeink,
sagte dem „Handelsblatt“, Spahn müsse „unverzüglich die Testverordnung nachbessern und die Lücken schließen“. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer, forderte die Einsetzung eines Sonderermittlers. CDU-Gesundheitspolitiker Erwin Rüddel wies im „Handelsblatt“darauf hin, dass aus Datenschutzgründen keinen Daten von Getesteten erhoben würden, „sodass die abgerechnete Anzahl an Tests kaum kontrolliert werden kann.“Die badenwürttembergische Landesregierung fordert verlässliche Angaben des Bundes. Das Thema werde bei der Gesundheitsministerkonferenz am Montag zur Sprache gebracht, kündigte der Amtschef des Landesgesundheitsministeriums, Uwe Lahl, der „Stuttgarter Zeitung“und den „Stuttgarter Nachrichten“an. „Wir brauchen vom Bund jetzt Fakten, um zu entscheiden, wie wir weiter vorgehen“,
Bundesgesundheitsminister Jens
Spahn (CDU) so Lahl. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, forderte, es müsse „rasch geklärt werden, wie Kontrollen verstärkt und ob Abrechnungsverfahren verändert werden müssen“. Ein dichtes Netz an Testmöglichkeiten sei wichtig, weil es in der Pandemie mehr Normalität ermögliche. Die Gesundheitsämter beauftragten die Testzentren mit der Aufgabe des Testens und kontrollierten stichprobenartig die Einhaltung von Hygienestandards. „In die Abwicklung von Zahlungen sind sie dagegen nicht eingebunden. Sie können daher dazu keine Prüfungen vornehmen.“
Spahn sagte dazu, dass eine nachträgliche Kontrolle bereits vorgesehen sei. Anbieter müssten damit rechnen, dass Unterlagen bis Ende 2024 überprüft werden können. Ohnehin geplant gewesen sei, die Vergütung demnächst zu senken. Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums sagte am Samstag auf Anfrage, dass gewerbsmäßiger Betrug nach dem Strafgesetzbuch mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden könne.
„Jeder, der die Pandemie nutzt, um
sich kriminell zu bereichern, sollte sich
schämen“