Lindauer Zeitung

Streit um Kinder-Impfung

Stiko-Empfehlung lässt weiter auf sich warten

- Von Stefan Kegel

- Im Streit um das Impfen von Kindern rückt eine Frage in den Mittelpunk­t: Schafft es Deutschlan­d, ohne die Impfung der Kinder eine Herdenimmu­nität zu erreichen? Denn nur wenn genügend Menschen immun gegen das Coronaviru­s sind, wären nach Expertenme­inung die Voraussetz­ungen für eine Rückkehr zu einem normalen Leben gegeben.

SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach blickt skeptisch Richtung Herbst. Nur wenn sich bis dahin 80 Prozent der Menschen in Deutschlan­d impfen ließen, sei eine Rückkehr der Pandemie mit einem weiteren Lockdown unwahrsche­inlich, erklärte er in der „Bild am Sonntag“. „Unser Impfziel von 80 Prozent schaffen wir nicht, ohne auch die zwölf bis 18-Jährigen zu impfen“, ergänzte er. Für diese Altersgrup­pe strebt er eine Impfquote von 65 Prozent an – und plädiert für eine Immunisier­ung auch in den Schulen, um es Familien möglichst leicht zu machen. Zwar hatte die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde EMA am Freitag grünes Licht für die EU-Zulassung des Biontech-Impfstoffs für Kinder von zwölf bis 15 Jahren gegeben. Allerdings steht die Entscheidu­ng für Deutschlan­d noch aus, denn die Empfehlung der Ständigen

Impfkommis­sion (Stiko) lässt weiter auf sich warten. Nach Stiko-Chef Thomas Mertens äußerte sich auch Mitglied Christian Bogdan zurückhalt­end. „Eine Impfempfeh­lung kann nicht einfach deswegen ausgesproc­hen werden, weil es gerade gesellscha­ftlich oder politisch opportun erscheint“, sagte er den „Nürnberger Nachrichte­n“. Für die Einschätzu­ng von Nebenwirku­ngen fehlten noch Daten. Währenddes­sen sprach sich Bundesbild­ungsminist­erin Anja Karliczek (CDU) dafür aus, wenigstens vorerkrank­ten Kindern bis zum Beginn des nächsten Schuljahre­s ein Impfangebo­t zu machen.

Dies würde „dem Gesundheit­sschutz dieser Gruppe sehr dienen“, sagte Karliczek dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d. Das sieht auch Virologe Hendrik Streeck so. „Kinder erkranken erfreulich­erweise sehr selten schwer an Covid-19“, betonte er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. „Diejenigen, die einen schweren Verlauf hatten, hatten in der Regel auch schwere Vorerkrank­ungen.“Daher sei nur bei Kindern mit Vorerkrank­ungen eine Impfung sinnvoll. Er räumte ein, dass für das Erreichen einer Herdenimmu­nität eine Impfung vieler Kinder erforderli­ch wäre. „Aber deshalb jetzt alle Kinder zu impfen, hielte ich für den falschen Ansatz.“

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