Streit um Kinder-Impfung
Stiko-Empfehlung lässt weiter auf sich warten
- Im Streit um das Impfen von Kindern rückt eine Frage in den Mittelpunkt: Schafft es Deutschland, ohne die Impfung der Kinder eine Herdenimmunität zu erreichen? Denn nur wenn genügend Menschen immun gegen das Coronavirus sind, wären nach Expertenmeinung die Voraussetzungen für eine Rückkehr zu einem normalen Leben gegeben.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach blickt skeptisch Richtung Herbst. Nur wenn sich bis dahin 80 Prozent der Menschen in Deutschland impfen ließen, sei eine Rückkehr der Pandemie mit einem weiteren Lockdown unwahrscheinlich, erklärte er in der „Bild am Sonntag“. „Unser Impfziel von 80 Prozent schaffen wir nicht, ohne auch die zwölf bis 18-Jährigen zu impfen“, ergänzte er. Für diese Altersgruppe strebt er eine Impfquote von 65 Prozent an – und plädiert für eine Immunisierung auch in den Schulen, um es Familien möglichst leicht zu machen. Zwar hatte die Europäische Arzneimittelbehörde EMA am Freitag grünes Licht für die EU-Zulassung des Biontech-Impfstoffs für Kinder von zwölf bis 15 Jahren gegeben. Allerdings steht die Entscheidung für Deutschland noch aus, denn die Empfehlung der Ständigen
Impfkommission (Stiko) lässt weiter auf sich warten. Nach Stiko-Chef Thomas Mertens äußerte sich auch Mitglied Christian Bogdan zurückhaltend. „Eine Impfempfehlung kann nicht einfach deswegen ausgesprochen werden, weil es gerade gesellschaftlich oder politisch opportun erscheint“, sagte er den „Nürnberger Nachrichten“. Für die Einschätzung von Nebenwirkungen fehlten noch Daten. Währenddessen sprach sich Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) dafür aus, wenigstens vorerkrankten Kindern bis zum Beginn des nächsten Schuljahres ein Impfangebot zu machen.
Dies würde „dem Gesundheitsschutz dieser Gruppe sehr dienen“, sagte Karliczek dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das sieht auch Virologe Hendrik Streeck so. „Kinder erkranken erfreulicherweise sehr selten schwer an Covid-19“, betonte er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. „Diejenigen, die einen schweren Verlauf hatten, hatten in der Regel auch schwere Vorerkrankungen.“Daher sei nur bei Kindern mit Vorerkrankungen eine Impfung sinnvoll. Er räumte ein, dass für das Erreichen einer Herdenimmunität eine Impfung vieler Kinder erforderlich wäre. „Aber deshalb jetzt alle Kinder zu impfen, hielte ich für den falschen Ansatz.“