Mehr Durchblick im Erbschaftssteuerrecht
Warum eine frühzeitige Regelung der Vermögensnachfolge in der Familie sinnvoll sein kann
- Wenn derzeit die geburtenstarke Generation der Jahrgänge 1955 bis 1965 in Rente geht, schauen diese sogenannten Babyboomer nicht nur auf ein meist erfolgreiches Arbeitsleben zurück. Gleichzeitig kann diese „Generation der Erben“oft auch noch mit einem stattlichen Nachlass der Eltern rechnen. Dies lässt sich einfach am Erbschaftssteueraufkommen ablesen, das 2020 bundesweit auf 8,6 Milliarden Euro gestiegen ist – nach knapp sieben Milliarden Euro im Vorjahr. „Diese Zunahme rührt einerseits daher, dass immer größere Vermögen übertragen werden und zum anderen die Vermögenswerte exponentiell steigen“, sagt dazu Elmar Uricher, Rechtsanwalt und Erbrechtsexperte aus Konstanz.
Getragen wird diese Entwicklung insbesondere von den Wertsteigerungen bei Immobilien in den vergangenen zehn Jahren. So ist der durchschnittliche Wert der 2019 in Baden-Württemberg übertragenen Vermögen (Erbschaften und Schenkungen) von 454 000 auf 514 000 Euro gestiegen, was der Landesregierung insgesamt 1,1 Milliarden Euro in die Kassen gespült hat. Grundsätzlich werden von der Erbschaftsteuer sowohl der Erwerb von Todes wegen wie auch der Erwerb durch Schenkung zu Lebzeiten erfasst. Wenn man also bedenkt, um welche Summen es hierbei geht, empfiehlt es sich für Familien, frühzeitig derlei Tabuthemen anzugehen.
Zwar hat der Steuergesetzgeber durch die Privilegierung des Familienwohnheims für den engsten Familienkreis eine Steuerfreiheit im Gesetz verankert. Wenn also ein Ehegatte das von den Eheleuten gemeinsam genutzte Familienwohnheim oder einen Bruchteil davon bereits zu Lebzeiten unentgeltlich an den anderen überträgt, ist diese Zuwendung
regelmäßig von der Schenkungssteuer befreit. Aktuelle Entscheidungen zeigen aber, wie schwierig es sein kann, die Gesetzgebung einzuhalten, um Steuerprivilegien nicht zu verlieren.
Grundsätzlich ist es möglich, das selbstgenutzte Heim steuerfrei zu übertragen, ohne dass der erwerbende Ehegatte diese Immobilie dann als selbstgenutzte Immobilie fortführen muss. Er kann sie also auch zeitnah veräußern oder verschenken – und zwar ohne Wegfall des Steuerprivilegs. Wenn aber ein Ehegatte vom anderen von Todes wegen ein selbstgenutztes Familienwohnheim erwirbt, muss der erwerbende Ehegatte zehn Jahre die Selbstnutzung fortführen, um eine Besteuerung zu vermeiden. Nur für den Fall, dass der erwerbende Ehegatte in ein Pflegeheim
ziehen muss, bleibt das Privileg der Steuerfreiheit erhalten. „Entscheidet er sich aber nach fünf Jahren, in eine kleinere Wohnung oder zu den Kindern zu ziehen, gibt er die Selbstnutzung auf und die Steuerfreiheit fällt rückwirkend weg“, macht Uricher klar.
Wie schwer es für den Laien sein kann, sich im Dschungel des Erbschaftsteuerrechts zurechtzufinden, machen zwei aktuelle gerichtliche Entscheidungen deutlich. Unlängst hat der Bundesfinanzhof (BFH) einer überlebenden Ehefrau ihr Steuerprivileg rückwirkend aberkannt. Zuvor hatte sie eine selbstgenutzte Immobilie von ihrem Ehemann erworben und dann diese ein Jahr nach dessen Tod gegen Vorbehalt des Nutzungsrechts an ihre Tochter übertragen. In einem anderen Fall hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass ein Sohn, der von Todes wegen die selbstgenutzte Immobilie seines Vaters erworben hatte und nicht umgehend die Selbstnutzung aufnahm, die Steuerfreiheit verloren hat. Die Selbstnutzung muss nämlich gemäß dem Erbschaftssteuergesetz innerhalb von sechs Monaten nach dem Tod aufgenommen werden.
Vor dem Hintergrund einer solchen Rechtslage ist es wichtig, sich frühzeitig etwa um den Wert einer im Familienbesitz befindlichen Immobilie zu kümmern. Denn nur mit diesem Wissen kann eine steuerrechtlich optimierte Gestaltung der Eigentumsverhältnisse gelingen – sei es nun zu Lebzeiten oder von Todes wegen.
Oft existieren völlig falsche Vorstellungen über den Wert des Familienheims, wie es Uricher immer wieder erlebt. Und sofern Eltern nicht wissen, wie sie etwa ein Einfamilienhaus unter ihren drei Kindern künftig aufteilen könnten, sollten sie rechtzeitig das Gespräch mit ihnen suchen. Weitere Schritte zur Optimierung der Vermögensübertragung finden Sie in einer Woche an derselben Stelle.