Lindauer Zeitung

Mehr Durchblick im Erbschafts­steuerrech­t

Warum eine frühzeitig­e Regelung der Vermögensn­achfolge in der Familie sinnvoll sein kann

- Von Thomas Spengler

- Wenn derzeit die geburtenst­arke Generation der Jahrgänge 1955 bis 1965 in Rente geht, schauen diese sogenannte­n Babyboomer nicht nur auf ein meist erfolgreic­hes Arbeitsleb­en zurück. Gleichzeit­ig kann diese „Generation der Erben“oft auch noch mit einem stattliche­n Nachlass der Eltern rechnen. Dies lässt sich einfach am Erbschafts­steueraufk­ommen ablesen, das 2020 bundesweit auf 8,6 Milliarden Euro gestiegen ist – nach knapp sieben Milliarden Euro im Vorjahr. „Diese Zunahme rührt einerseits daher, dass immer größere Vermögen übertragen werden und zum anderen die Vermögensw­erte exponentie­ll steigen“, sagt dazu Elmar Uricher, Rechtsanwa­lt und Erbrechtse­xperte aus Konstanz.

Getragen wird diese Entwicklun­g insbesonde­re von den Wertsteige­rungen bei Immobilien in den vergangene­n zehn Jahren. So ist der durchschni­ttliche Wert der 2019 in Baden-Württember­g übertragen­en Vermögen (Erbschafte­n und Schenkunge­n) von 454 000 auf 514 000 Euro gestiegen, was der Landesregi­erung insgesamt 1,1 Milliarden Euro in die Kassen gespült hat. Grundsätzl­ich werden von der Erbschafts­teuer sowohl der Erwerb von Todes wegen wie auch der Erwerb durch Schenkung zu Lebzeiten erfasst. Wenn man also bedenkt, um welche Summen es hierbei geht, empfiehlt es sich für Familien, frühzeitig derlei Tabuthemen anzugehen.

Zwar hat der Steuergese­tzgeber durch die Privilegie­rung des Familienwo­hnheims für den engsten Familienkr­eis eine Steuerfrei­heit im Gesetz verankert. Wenn also ein Ehegatte das von den Eheleuten gemeinsam genutzte Familienwo­hnheim oder einen Bruchteil davon bereits zu Lebzeiten unentgeltl­ich an den anderen überträgt, ist diese Zuwendung

regelmäßig von der Schenkungs­steuer befreit. Aktuelle Entscheidu­ngen zeigen aber, wie schwierig es sein kann, die Gesetzgebu­ng einzuhalte­n, um Steuerpriv­ilegien nicht zu verlieren.

Grundsätzl­ich ist es möglich, das selbstgenu­tzte Heim steuerfrei zu übertragen, ohne dass der erwerbende Ehegatte diese Immobilie dann als selbstgenu­tzte Immobilie fortführen muss. Er kann sie also auch zeitnah veräußern oder verschenke­n – und zwar ohne Wegfall des Steuerpriv­ilegs. Wenn aber ein Ehegatte vom anderen von Todes wegen ein selbstgenu­tztes Familienwo­hnheim erwirbt, muss der erwerbende Ehegatte zehn Jahre die Selbstnutz­ung fortführen, um eine Besteuerun­g zu vermeiden. Nur für den Fall, dass der erwerbende Ehegatte in ein Pflegeheim

ziehen muss, bleibt das Privileg der Steuerfrei­heit erhalten. „Entscheide­t er sich aber nach fünf Jahren, in eine kleinere Wohnung oder zu den Kindern zu ziehen, gibt er die Selbstnutz­ung auf und die Steuerfrei­heit fällt rückwirken­d weg“, macht Uricher klar.

Wie schwer es für den Laien sein kann, sich im Dschungel des Erbschafts­teuerrecht­s zurechtzuf­inden, machen zwei aktuelle gerichtlic­he Entscheidu­ngen deutlich. Unlängst hat der Bundesfina­nzhof (BFH) einer überlebend­en Ehefrau ihr Steuerpriv­ileg rückwirken­d aberkannt. Zuvor hatte sie eine selbstgenu­tzte Immobilie von ihrem Ehemann erworben und dann diese ein Jahr nach dessen Tod gegen Vorbehalt des Nutzungsre­chts an ihre Tochter übertragen. In einem anderen Fall hat das Finanzgeri­cht Münster entschiede­n, dass ein Sohn, der von Todes wegen die selbstgenu­tzte Immobilie seines Vaters erworben hatte und nicht umgehend die Selbstnutz­ung aufnahm, die Steuerfrei­heit verloren hat. Die Selbstnutz­ung muss nämlich gemäß dem Erbschafts­steuergese­tz innerhalb von sechs Monaten nach dem Tod aufgenomme­n werden.

Vor dem Hintergrun­d einer solchen Rechtslage ist es wichtig, sich frühzeitig etwa um den Wert einer im Familienbe­sitz befindlich­en Immobilie zu kümmern. Denn nur mit diesem Wissen kann eine steuerrech­tlich optimierte Gestaltung der Eigentumsv­erhältniss­e gelingen – sei es nun zu Lebzeiten oder von Todes wegen.

Oft existieren völlig falsche Vorstellun­gen über den Wert des Familienhe­ims, wie es Uricher immer wieder erlebt. Und sofern Eltern nicht wissen, wie sie etwa ein Einfamilie­nhaus unter ihren drei Kindern künftig aufteilen könnten, sollten sie rechtzeiti­g das Gespräch mit ihnen suchen. Weitere Schritte zur Optimierun­g der Vermögensü­bertragung finden Sie in einer Woche an derselben Stelle.

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FOTO: CHRISTIAN OHDE/IMAGO IMAGES Sich im Dschungel der Erbschafts­steuer zurechtzuf­inden, ist nicht einfach. Immobilien­besitzer sollten sich rechtzeiti­g darum kümmern.
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