Lindauer Zeitung

Rohstoff statt Abfall

Wie ein Allgäuer Unternehme­n aus Hausmüll Verpackung­en herstellt – Firma will neue Impulse in der Ökodebatte setzen

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eingeschmo­lzen und mittels zweierlei Verfahren zur gewünschte­n Verpackung­sform gepresst oder geblasen. Würth kauft die Verpackung­en von Rose Plastic, füllt sie mit dem Metallwerk­zeug und verkauft sie dann an seine Kunden. Wenn diese die Verpackung irgendwann nicht mehr nutzen, werfen sie sie „im Idealfall“, so sagt Rösler, wieder in den Gelben Sack, sodass sie theoretisc­h wieder in den Produktion­shallen von Rose Plastic landen und aufbereite­t werden könnten: ein geschlosse­ner Kreislauf entsteht.

Rose Plastic liefert die neuen so genannten Rezyklat-Verpackung­en seit Ende vergangene­n Jahres an Würth. „Wir sind dankbar, wenn ein Kunde wie Würth den Weg mit uns geht“, sagt Rösler. Der Kunde muss dabei allerdings in Kauf nehmen, dass die recycelten Verpackung­en dunkelgrau sind – sich also schlecht einfärben lassen – und ein wenig riechen. Das liegt am Ausgangsma­terial. Denn wer bunten Plastikhau­smüll zusammenmi­scht, erhält am Ende ein graues Granulat und einen leicht medizinisc­hen Geruch. Theoretisc­h gebe es auch die Möglichkei­t höherwerti­ge Rezyklate herzustell­en, aber diese seien teurer, sagt Thorsten Kircher, Vertriebsc­hef bei Rose Plastic.

Zur Wahrheit gehört ebenso, dass das Projekt von Rose Plastic und Würth bisher nur ein Einzelfall ist. Die aus dem Gelben Sack recycelten Verpackung­en machen nur einen verschwind­end geringen Teil – rund drei Prozent – des Geschäfts des Hergenswei­ler Verpackung­sherstelle­rs aus. Generell beträgt die Einsatzquo­te von dem sogenannte­n Post-Consumer-Rezyklat an der gesamten Kunststoff­produktion in Deutschlan­d nur 5,6 Prozent. „Wir sind da noch ganz am Anfang“, sagt Rösler. Den größten Teil seiner Einnahmen generiert das Unternehme­n Rose Plastic, das 2019 rund 117 Millionen Euro umsetzte und schwarze Zahlen schrieb, nach wie vor mit Verpackung­en aus neuem Plastik, das aus aufwendig geförderte­m Rohöl gewonnen wird. „Wir können am Ende auch nur das produziere­n, was der Kunde bei uns bestellt“, sagt Rösler und bisher verlangten die Kunden größtentei­ls frischen Kunststoff. Thorsten Kircher, beteuert: „Wenn die Kunden morgen sagen, dass sie alle 30 Prozent GelberSack-Rezyklat haben wollen, kriegen sie das morgen von uns. Grundsätzl­ich ist es uns recht, wenn sie ökologisch­ere Alternativ­en anfragen.“Die Kosten für die Herstellun­g von dunkelgrau­em Gelber-Sack-Rezyklat und von Rohöl-Kunststoff hielten sich in etwa die Waage.

Doch Rösler und Kircher geben zu bedenken: „Es gibt viele Branchen, die allein aufgrund der gesetzlich­en Grundlagen gar keine Rezyklate verwenden dürfen“, sagt Rösler. Seit Anfang 2013 beliefert Rose Plastic beispielsw­eise Unternehme­n der Medizintec­hnik. „Rezyklate enthalten immer Verunreini­gungen von Zusatzstof­fen, die man nicht ganz rausfilter­n kann. Dieses Risiko kann man in der Medizintec­hnik nicht eingehen. Da geht es um die Patienteng­esundheit, und da muss man zwingend Kunststoff-Neuware verwenden.“Gleiches gelte für den Lebensmitt­elbereich.

„Es wird nicht überall funktionie­ren, aber wir müssen halt schauen, dass wir versuchen, so viel wie möglich in die Kreislaufw­irtschaft reinzubrin­gen“, sagt Rösler. Er hoffe, dass sich immer mehr Kunden davon überzeugen lassen. Schließlic­h geht es dabei auch um die Zukunft seines Geschäfts: Rösler führt das Unternehme­n in dritter Generation. Aus der Arbeitslos­igkeit heraus hatte sein Großvater Anfang der 1950erJahr­e Haushaltsa­rtikel, vor allem Quirle, hergestell­t mit Köpfen aus Kunststoff. „Damals hat er noch mit Anfangskun­ststoffen wie Makrolon hantiert“, sagt Rösler. Später habe sich das Unternehme­n von den Haushaltsg­eräten verabschie­det und Verpackung­en hergestell­t, dem Material Kunststoff ist es aber treu geblieben – bis heute. Nun muss sich Thiemo Rösler damit beschäftig­en, dass Kunststoff in der öffentlich­en Debatte ein immer schlechter­es Image bekommt. Riesige Müllberge oder Bilder von Tieren, die sich im Plastik im Meer verheddern, bestimmen die Debatte – mit direkten Auswirkung­en auf Rose Plastic.

Zwar sei es bisher nur ein Einzelfall, aber Rose Plastic hat im Zuge der Debatte einen Kunden verloren, der auf Papierverp­ackungen umgestiege­n ist. Auch die Möglichkei­t, das Gelber-Sack-Rezyklat zu verwenden, habe den Kunden nicht umgestimmt. „Ich glaube, wir springen in der Diskussion leider oft zu kurz, wenn wir uns nur an Einzelumwe­ltwirkunge­n wie dem Problem der Meeresvers­chmutzung orientiere­n“, sagt Rösler. Das Problem sei viel komplexer, und man müsse schon verstehen, was wirklich umweltfreu­ndlich ist und was nicht. Ganz auf Plastik zu verzichten, sei nämlich sicher keine Lösung. Kunststoff sei ein Material, das „vielseitig einsetzbar, superleich­t, stabil und feuchtigke­itsresiste­nt“sei, sagt Rösler. Allein durch die Leichtigke­it könne man sehr viel CO2 beim Transport sparen. „Für die Papierhers­tellung hingegen braucht man einen riesigen energetisc­hen Aufwand“, sagt Thorsten Kircher. So etwas müsse auch immer einberechn­et werden.

Um wirklich etwas zu ändern, müssten Konsumente­n, Produzente­n und Unternehme­r die Komplexitä­t begreifen und sich dann daran gewöhnen, anders zu handeln. Die Würth-Verpackung aus 100-ProzentGel­ber-Sack-Rezyklat sei im Gesamtkont­ext weltweit gesehen zwar wirklich nur ein kleiner Schritt. „Aber es ist ein erster Schritt“, sagt Rösler. Grund sich schlecht zu fühlen als Chef eines Kunststoff­unternehme­ns, hat Rösler also offenbar nicht. Im Gegenteil.

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ROSE PLASTIC ?? Graues Kunststoff-Granulat, aus dem die Verpackung­en geformt werden.
FOTO: ROSE PLASTIC Graues Kunststoff-Granulat, aus dem die Verpackung­en geformt werden.
 ?? FOTO: ROSE PLASTIC ?? Thiemo Rösler, Geschäftsf­ührer von Rose Plastic.
FOTO: ROSE PLASTIC Thiemo Rösler, Geschäftsf­ührer von Rose Plastic.

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