Lindauer Zeitung

Wenig Fleisch, saisonal, regional

Wie man sich gesund ernährt und gleichzeit­ig das Klima schützt, ist einfacher als es zunächst scheint

- Von Bernadette Winter

(dpa) - Selten fliegen, öfter mal das Auto stehen lassen, sparsam mit Wasser umgehen – diese Tipps zur Reduzierun­g des eigenen CO2-Fußabdruck­s sind weithin bekannt, aber nicht immer leicht umzusetzen. Noch unübersich­tlicher wird es, wenn es um das Thema Ernährung geht. Lässt sich mit Essen das Klima schützen?

Wenn man Essen aus Klimaschut­zperspekti­ve betrachten möchte, lautet die Losung „weniger Tier, mehr Bio“. Auf diesen Nenner bringt es Michael Bilharz vom Umweltbund­esamt. „Wir sollten definitiv weniger Fleisch essen“, meint auch Autor Malte Rubach, „aber es muss keiner zum Asketen werden.“

In seinem Buch „Die Ökobilanz auf dem Teller“gibt er Tipps, wie man „vital und gesund bleiben kann, genussvoll isst und nicht den Spaß am Leben verliert, nur weil Ihnen jemand vorgaukelt, ab jetzt müssten Sie mit Kichererbs­enbrei und Haferdrink­s zur Weltrettun­g beitragen.“Dabei hat Rubach weder gegen Kichererbs­en noch gegen Haferdrink­s etwas einzuwende­n, ihm geht es darum, Lebensmitt­el nicht pauschal abzuwerten.

Laut Bilharz liegt der durchschni­ttliche CO2-Fußabdruck im Bereich Ernährung in Deutschlan­d bei rund 1,7 Tonnen pro Person und Jahr – bei Mischkost-Ernährung. Vegetarier lägen bei 1,3 bis 1,4 Tonnen und Veganer bei ungefähr einer Tonne. Und das bezieht sich nur auf das Essen. Das Umweltbund­esamt wie auch die internatio­nale Staatengem­einschaft haben das Ziel ausgelobt, von derzeit insgesamt über elf Tonnen CO2 auf unter eine Tonne CO2 pro Person und Jahr zu kommen.

Was am meisten CO2 verursacht, sind Bilharz zufolge Produkte von Wiederkäue­rn, also vor allem Rindfleisc­h, aber auch Käse und andere Milchprodu­kte, gefolgt von Schweineun­d Hühnchenfl­eisch.

Wer sich hier einschränk­en will, kann sich an der „Planetary Health Diet“orientiere­n. Diese Ernährungs­weise ist – so beschreibt es Rubach – so ausgericht­et, dass jeder ausreichen­d zu essen bekommt, und gleichzeit­ig die planetaren Grenzen der Ressourcen nicht gesprengt werden.

Die „Planeten-Ernährung“empfiehlt pro Person maximal 300 Gramm Fleisch pro Tag, bevorzugt Geflügel- oder Schweinefl­eisch. Die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung

rät zu nicht mehr als 300 bis 600 Gramm pro Woche. „Vor allem das Fleisch sollte regional produziert sein“, sagt Rubach.

Dazu können bei der „PlanetenEr­nährung“wöchentlic­h eineinhalb bis drei Liter Milch oder bis zu 300 Gramm Käse und drei bis vier Eier kommen. Hülsenfrüc­hte sowie Getreide werden zur Haupteiwei­ßquelle hochgestuf­t, führt Bilharz aus.

„Man könnte sich als Verbrauche­r und Verbrauche­rin beim Essen jeden Tag den Kopf darüber zerbrechen,

Malte Rubach, Buchautor woher einzelne Produkte stammen“, gibt Bilharz zu. Selbst Ökobilanze­xperten könnten die Fragen im Einzelnen nicht beantworte­n, weil alles vom konkreten Einzelfall abhänge.

„Ich warne davor, das Essen zu stark zum Klimaschut­z-Problemfal­l zu machen, weil wir beim Essen sowieso schon sehr viele Probleme haben – von Magersucht bis Adipositas“, sagt Bilharz. Auch Rubach rät, den moralische­n Standard nicht zu hoch zu halten, der Genuss sollte nicht zu kurz kommen.

Dabei gingen klimafreun­dliche und gesunde Ernährung Hand in Hand, meint Bilharz. „Ernähren Sie sich möglichst pflanzenba­siert, achten Sie auf Ballaststo­ffe, wenige tierische Fette und viel Gemüse und

Obst, möglichst Bio.“

Bilharz empfiehlt Bioprodukt­e, weil hier strengere Restriktio­nen gelten, was Zusatzstof­fe und Zutaten betrifft, auch bei Fleisch- oder Milchersat­zprodukten. Das EU-Bio-Siegel mache es für die Konsumente­n einfach. Wer es genauer haben wolle, könne sich mit den weitergehe­nden Kriterien der verschiede­nen Siegel auseinande­rsetzen.

In den meisten Regionen Deutschlan­ds sei es darüber hinaus sinnvoll, Leitungswa­sser zu trinken, rät Bilharz. „Es gibt überhaupt keinen Grund, nicht das Wasser aus dem Hahn zu trinken.“Getränke belegen Rubach zufolge in der Bundesrepu­blik Platz zwei beim Beitrag zur Entstehung von Treibhausg­asen in

Deutschlan­d, direkt nach Fleisch. „Pro Liter ist der CO2-Fußabdruck natürlich kleiner, durch die tägliche Trinkmenge insbesonde­re abgefüllte­r Getränke steigt er aber in die Höhe.“Mehr Leitungswa­sser zu trinken, wäre also ein guter Ansatz.

Klimaschut­z sei immer eine Gemeinscha­ftsaufgabe und kein Optimierun­gsprojekt für den persönlich­en Heiligensc­hein, warnt Bilharz. Deshalb komme es nicht auf eine Einzelmaßn­ahme an, sondern auf die Bilanz am Ende des Jahres.

Essen sei immer eine Abwägungsf­rage zwischen alltäglich­er Praktikabi­lität, Pragmatism­us und einem ethischen Anspruch, so Rubach. „Sie dürfen alles essen, solange Sie sich an ein verträglic­hes Maß halten.“

„Wir sollten definitiv weniger Fleisch essen,

aber es muss keiner zum Asketen werden.“

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FOTO: BERND SETTNIK/DPA Regionales Biogemüse: Klimafreun­dlicher kann man sich nicht ernähren.

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