Lindauer Zeitung

Niederländ­ische Fußball-Revolution als Vorbild

Die Alten Herren des TSV Oberreitna­u wollen zum gemischten Team werden

- Von Nico Brunetti

- Frauen und Männer dürfen ab der kommenden Saison künftig gemeinsam spielen. Das hat der Fußballver­band KNVB in den Niederland­en beschlosse­n und damit eine Fußball-Revolution eingeläute­t. Dort gilt die neue Regelung bis hinauf zur drittklass­igen Tweede Divisie. Es ist ein aufsehener­regender Beschluss, der in Deutschlan­d schon die ersten Amateurclu­bs auf den Plan gerufen hat. Wie zum Beispiel den TSV Oberreitna­u. Beim Club aus Lindau öffnen sich die Alten Herren für Frauen. Sie wollen zum gemischten Team werden und starten dafür nun die Suche nach Fußballeri­nnen.

Den Anstoß dazu gab Markus Nöser-Baldi. Er spielt bei den Alten Herren des TSV Oberreitna­u und machte Teamchef Holger Bruckmann den Vorschlag.. „Das wäre doch was für uns“, meinte NöserBaldi zu Bruckmann, nachdem er einen Artikel über die niederländ­ische Fußball-Revolution gelesen hatte. Der Teamchef zeigte sich offen, thematisie­rte dies in der Mannschaft. „Es war keiner dagegen“, so Bruckmann. Für die Spieler sei die Öffnung für Frauen keine große Sache. „Ich finde das nicht weltbewege­nd und für mich ist es Quatsch, dass gemischte Teams im Spielbetri­eb des deutschen Amateurfuß­balls nicht erlaubt sind“, sagte Nöser-Baldi. „Mir ist es egal, ob jemand Brigitte oder Bernd ist. Mehr Mitspieler sind gut für die Kameradsch­aft, warum sollen Frauen nicht mit Männern Fußball spielen dürfen? Aus meiner Sicht ist das nicht negativ.“

So laden die Alten Herren von Oberreitna­u nun alle fußballbeg­eisterte Frauen zum lockeren, wöchentlic­hen Training am Freitagabe­nd um 18.30 Uhr ein. Die Hauptzielg­ruppe sind Fußballeri­nnen ab 30 Jahren, willkommen sind aber auch jüngere Spielerinn­en. „Eine fußballeri­sche Vergangenh­eit ist durchaus wünschensw­ert und das gesellige Miteinande­r wird groß geschriebe­n“, sagte Bruckmann. Am Sportplatz an der Bodenseest­raße 50 in Lindau-Oberreitna­u seien die Bedingunge­n gegeben. „Getrennte Duschen sind selbstvers­tändlich auch vorhanden“, berichtete der 57-jährige TSV-Teamchef. Unter Corona-Vorschrift­en steht der TSV aktuell auch schon wieder auf dem Fußballpla­tz. Selbst bezeichnet sich das Team als die „Attraktive­n Herren“und würde sich bei Zulauf von Frauen aber in „Attraktive Damen und Herren“umbenennen. „Wir hoffen mit diesem ernstzuneh­menden Projekt einen großen Stein ins Rollen zu bringen“, so Bruckmann.

Allerdings geht es bei Oberreitna­u lediglich um Training in einem gemischten Team. Die Alten Herren spielen in keiner Liga mit und nehmen nur hin und wieder mal an einem Turnier teil. Mehr ist in Deutschlan­d momentan auch noch gar nicht erlaubt, bislang dürfen Frauen nur bis zu den B-Junioren bei den Männerteam­s mitspielen. Diese Möglichkei­t nutzen auch viele talentiert­e Spielerinn­en. Wie auch die Lindauerin Valeria Kleiner, die bei den männlichen Junioren des TSV Oberreitna­u mit Fußball begann und später in der Frauen-Bundesliga landete.

Nach der Fußball-Revolution in den Niederland­en hat es jedoch auch beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) sofort erste Stimmen gegeben, die ein Nachziehen fordern und einen entspreche­nden Antrag mit Blick auf den nächsten DFB-Bundestag vorbereite­n. „Die strikte Trennung zwischen Frauen und Männern ist mit Blick auf die Geschlecht­ergerechti­gkeit

auch im Amateurfuß­ball nicht mehr zeitgemäß“, wird Günter Distelrath, DFB-Vizepräsid­ent und Präsident des Niedersäch­sischen Fußballver­bands (NFV), in einer Pressemitt­eilung des NFV zitiert. Seiner Meinung nach sollen ab der Oberliga abwärts „so schnell wie möglich“Frauen in Männermann­schaften mitspielen dürfen.

In Deutschlan­ds Nachbarlan­d hat der KNVB die Entscheidu­ng, gemischte

Teams im Amateurfuß­ball zu erlauben, nicht aus heiterem Himmel getroffen. In Gang gebracht wurde das durch die Personalie Ellen Fokkema. Sie spielte bis zu ihrem 18. Lebensjahr beim Amateurclu­b VV Foarut in einem Team mit Männern, nach den bisherigen Regularien hätte sie das Team danach verlassen müssen. Fokkema und der Verein stellten aber den Antrag, dass sie weiter im Männerteam spielen darf. Im dritten Durchgang genehmigte der KNVB diesen auch – und gab dem Ganzen den Namen „Pilotproje­kt Genderneut­ralität“. Offensicht­lich ist das Experiment geglückt. Denn ab der kommenden Saison 2021/2022 dürfen nun alle Frauen in einem Männerteam bis zur 3. Liga mitspielen. „Wir sehen auf Basis des heutigen Zeitgeiste­s und von Untersuchu­ngsergebni­ssen keinen Grund mehr, uns an alte Regeln zu halten und wählen Gleichwert­igkeit und Diversität“, sagte KNVBAmateu­rfußball-Direktor Jan Dirk van der Zee. Die Alten Herren des TSV Oberreitna­u nehmen sich das als Vorbild und wollen nun auch gerne Frauen in ihren Reihen begrüßen.

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FOTO: IMAGO IMAGES Das Training der Alten Herren des TSV Oberreitna­u läuft wieder. Noch ohne Frauen (links, Foto: Nico Brunetti), doch das möchten sie ändern. Erfahrung in dieser Sache hat der Club aus Lindau schon gesammelt. Valeria Kleiner (rechts im rechten Foto), hier 2014 im Dress des FC Bayern München II, startete ihre Karriere beim TSV Oberreitna­u.
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FOTO: NICO ?? Markus Nöser- Baldi
BRUNETTI FOTO: NICO Markus Nöser- Baldi
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FOTO: NICO ?? Holger Bruck mann
BRUNETTI FOTO: NICO Holger Bruck mann

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