Niederländische Fußball-Revolution als Vorbild
Die Alten Herren des TSV Oberreitnau wollen zum gemischten Team werden
- Frauen und Männer dürfen ab der kommenden Saison künftig gemeinsam spielen. Das hat der Fußballverband KNVB in den Niederlanden beschlossen und damit eine Fußball-Revolution eingeläutet. Dort gilt die neue Regelung bis hinauf zur drittklassigen Tweede Divisie. Es ist ein aufsehenerregender Beschluss, der in Deutschland schon die ersten Amateurclubs auf den Plan gerufen hat. Wie zum Beispiel den TSV Oberreitnau. Beim Club aus Lindau öffnen sich die Alten Herren für Frauen. Sie wollen zum gemischten Team werden und starten dafür nun die Suche nach Fußballerinnen.
Den Anstoß dazu gab Markus Nöser-Baldi. Er spielt bei den Alten Herren des TSV Oberreitnau und machte Teamchef Holger Bruckmann den Vorschlag.. „Das wäre doch was für uns“, meinte NöserBaldi zu Bruckmann, nachdem er einen Artikel über die niederländische Fußball-Revolution gelesen hatte. Der Teamchef zeigte sich offen, thematisierte dies in der Mannschaft. „Es war keiner dagegen“, so Bruckmann. Für die Spieler sei die Öffnung für Frauen keine große Sache. „Ich finde das nicht weltbewegend und für mich ist es Quatsch, dass gemischte Teams im Spielbetrieb des deutschen Amateurfußballs nicht erlaubt sind“, sagte Nöser-Baldi. „Mir ist es egal, ob jemand Brigitte oder Bernd ist. Mehr Mitspieler sind gut für die Kameradschaft, warum sollen Frauen nicht mit Männern Fußball spielen dürfen? Aus meiner Sicht ist das nicht negativ.“
So laden die Alten Herren von Oberreitnau nun alle fußballbegeisterte Frauen zum lockeren, wöchentlichen Training am Freitagabend um 18.30 Uhr ein. Die Hauptzielgruppe sind Fußballerinnen ab 30 Jahren, willkommen sind aber auch jüngere Spielerinnen. „Eine fußballerische Vergangenheit ist durchaus wünschenswert und das gesellige Miteinander wird groß geschrieben“, sagte Bruckmann. Am Sportplatz an der Bodenseestraße 50 in Lindau-Oberreitnau seien die Bedingungen gegeben. „Getrennte Duschen sind selbstverständlich auch vorhanden“, berichtete der 57-jährige TSV-Teamchef. Unter Corona-Vorschriften steht der TSV aktuell auch schon wieder auf dem Fußballplatz. Selbst bezeichnet sich das Team als die „Attraktiven Herren“und würde sich bei Zulauf von Frauen aber in „Attraktive Damen und Herren“umbenennen. „Wir hoffen mit diesem ernstzunehmenden Projekt einen großen Stein ins Rollen zu bringen“, so Bruckmann.
Allerdings geht es bei Oberreitnau lediglich um Training in einem gemischten Team. Die Alten Herren spielen in keiner Liga mit und nehmen nur hin und wieder mal an einem Turnier teil. Mehr ist in Deutschland momentan auch noch gar nicht erlaubt, bislang dürfen Frauen nur bis zu den B-Junioren bei den Männerteams mitspielen. Diese Möglichkeit nutzen auch viele talentierte Spielerinnen. Wie auch die Lindauerin Valeria Kleiner, die bei den männlichen Junioren des TSV Oberreitnau mit Fußball begann und später in der Frauen-Bundesliga landete.
Nach der Fußball-Revolution in den Niederlanden hat es jedoch auch beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) sofort erste Stimmen gegeben, die ein Nachziehen fordern und einen entsprechenden Antrag mit Blick auf den nächsten DFB-Bundestag vorbereiten. „Die strikte Trennung zwischen Frauen und Männern ist mit Blick auf die Geschlechtergerechtigkeit
auch im Amateurfußball nicht mehr zeitgemäß“, wird Günter Distelrath, DFB-Vizepräsident und Präsident des Niedersächsischen Fußballverbands (NFV), in einer Pressemitteilung des NFV zitiert. Seiner Meinung nach sollen ab der Oberliga abwärts „so schnell wie möglich“Frauen in Männermannschaften mitspielen dürfen.
In Deutschlands Nachbarland hat der KNVB die Entscheidung, gemischte
Teams im Amateurfußball zu erlauben, nicht aus heiterem Himmel getroffen. In Gang gebracht wurde das durch die Personalie Ellen Fokkema. Sie spielte bis zu ihrem 18. Lebensjahr beim Amateurclub VV Foarut in einem Team mit Männern, nach den bisherigen Regularien hätte sie das Team danach verlassen müssen. Fokkema und der Verein stellten aber den Antrag, dass sie weiter im Männerteam spielen darf. Im dritten Durchgang genehmigte der KNVB diesen auch – und gab dem Ganzen den Namen „Pilotprojekt Genderneutralität“. Offensichtlich ist das Experiment geglückt. Denn ab der kommenden Saison 2021/2022 dürfen nun alle Frauen in einem Männerteam bis zur 3. Liga mitspielen. „Wir sehen auf Basis des heutigen Zeitgeistes und von Untersuchungsergebnissen keinen Grund mehr, uns an alte Regeln zu halten und wählen Gleichwertigkeit und Diversität“, sagte KNVBAmateurfußball-Direktor Jan Dirk van der Zee. Die Alten Herren des TSV Oberreitnau nehmen sich das als Vorbild und wollen nun auch gerne Frauen in ihren Reihen begrüßen.