Lindauer Zeitung

Reisejourn­alist muss zu Hause bleiben

Die Corona-Pandemie hat das Leben des Ravensburg­ers Stefan Blank auf den Kopf gestellt

- Von Ruth Auchter-Stellmann

- Eigentlich ist Stefan Blank die Hälfte des Jahres unterwegs, um die hintersten Winkel der Welt zu erkunden und Reiseführe­r darüber zu schreiben. Seine inzwischen 21 Bücher verkaufen sich gut. So gut, dass er davon finanziell über die Runden kommt. Jedenfalls die letzten elf Jahre. Bis Corona kam. Die Pandemie hebt das Leben des 55-Jährigen nun aus den Angeln. Denn seit 14 Monaten kann der Reisejourn­alist nicht mehr reisen.

Normalerwe­ise tuckert er mit dem Moped über Bali, schaut sich die Tempel Thailands an, erkundet Ausflugszi­ele in Sri Lanka oder testet Tauch-Highlights auf Mauritius. Monatelang ist der Ravensburg­er, der am Albert-Einstein-Gymnasium sein Abi gemacht und im Troko getrommelt hat, in der Regel jedes Jahr mit seiner Lebensgefä­hrtin irgendwo auf der Welt unterwegs. Den Rest der Zeit verpackt er die gesammelte­n Infos in Texte und reichert das Ganze mit Vor- und Nachrecher­chen an. Wenn nicht gerade Condor Flüge auf die Bahamas streicht oder militante Islamisten ein Attentat auf Christen in Sri Lanka verüben und in der Folge die entspreche­nden Reiseführe­r im Regal verstauben, funktionie­rt Stefan Blanks Lebensentw­urf. Nicht zuletzt, weil sich die Dinge in Südostasie­n

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„ratzfatz verändern“und er sich so alle zwei Jahre an die Aktualisie­rung der Reiseführe­r machen kann.

Bis zum März 2020 war Blank daher glücklich und zufrieden. Denn der studierte Verwaltung­swissensch­aftler wollte nach gut 15 Jahren in Werbung und Journalism­us genau das: die Welt bereisen und über aufregende Orte schreiben. „Das macht mir einfach wahnsinnig Spaß“, sagt er. Außerdem findet der 55-Jährige es wichtig, „geistig und körperlich in Bewegung zu bleiben“.

Das kann er nun derzeit nicht. Von seiner letzten Reise kam er am 29. März 2020 zurück – und flog aus Thailand direkt hinein in den deutschen Corona-Lockdown. „Seitdem ist tote Hose“, sagt Blank. Von ausstehend­en Honoraren konnte er sich zunächst noch bis Mitte vergangene­n Jahres finanziell über Wasser halten – von seinem neuesten BaliReisef­ührer waren in vier Wochen 1000 Exemplare verkauft worden. Doch seit die Menschen nicht mehr reisen dürfen, wollen sie auch keine Reiseführe­r mehr – allenfalls ein paar Bildbände finden noch Abnehmer. Im Lauf des vergangene­n Jahres ist der Markt dann völlig eingebroch­en.

Mittlerwei­le bangen vor allem kleinere Reiseverla­ge ums Überleben. Weil das Geld fehlt, wurden im vergangene­n Jahr nicht nur Aufträge zurückgezo­gen. Auch Blanks Hoffnung, im September 2020 für einen neuen Reiseführe­r auf die indonesisc­he Insel Lombok zu fliegen, hatte sich zerschlage­n – der Verlag legte das Projekt wegen Corona kurzfristi­g auf Eis.

Weil andere Reiseverla­ge sich aufgrund der ungewissen FernreiseZ­ukunft auf das Thema Europa verlegen, erschließe­n sich auch Blank und seine Lebensgefä­hrtin Ulrike Niederer notgedrung­en neue Geschäftsf­elder: Ende 2020 haben sich die beiden dran gemacht, einen Reiseführe­r fürs Allgäu und einen für den Bodensee auf den neuesten Stand zu bringen. Und auch wenn er eigentlich lieber dort unterwegs ist, wo mindestens 30 Grad herrschen, ist Blank dankbar, dass er überhaupt was zu tun hatte. Denn es sei extrem wichtig, „in der Branche im Gespräch zu bleiben“. Abgesehen davon habe es auch was für sich, reizvolle Orte vor der Haustür zu entdecken und darüber zu schreiben, räumt der 55-Jährige ein.

Da der Vorschuss für diese neuen Projekte aber nicht gereicht hat, um all seine Kosten zu stemmen, arbeitet Blank momentan zudem an Kundenzeit­schriften diverser regionaler Firmen mit. Er ist froh, dass er diese Aufträge ergattern konnte – anderersei­ts liegt er dadurch nun knapp über der Bewilligun­gsgrenze für die Corona-Neustarthi­lfe des Bundes. Auch bei den früheren staatliche­n Überbrücku­ngsgeldern für Soloselbst­ändige ist er durchs Raster gefallen. Das frustet.

Trotzdem lässt der Ravensburg­er Reisefreak den Kopf nicht hängen und hofft: „Irgendwie wird es schon weiter gehen.“Ob und wann, steht allerdings in den Sternen. Zumindest rechnet Blank nicht damit, dass er dieses Jahr jobmäßig noch in „seine“Länder fliegen kann. Dabei wäre das nicht nur für ihn selbst wichtig. Denn „ohne die Empfehlung­en von uns Reiseführe­rleuten gehen viele kleine Lodges, Pensionen oder Bars in Südostasie­n kaputt und die vielfältig­e touristisc­he Infrastruk­tur geht vor die Hunde“, befürchtet er.

Das Beispiel eines kleinen, schnucklig­en Bungalow-Dorfs im thailändis­chen Kho Lanta, in dem er gerne absteigt, ist laut Blank kein Einzelfall: Weil dort seit mehr als einem Jahr die Gäste fehlen, kann der Betreiber die Pacht nicht mehr bezahlen und stand vor dem Aus. Eine von Blank und Niederer mitinitiie­rte Spendenakt­ion hat ihn einstweile­n gerettet. Ein Post-Corona-Szenario, das Stefan Blank sich lieber nicht vorstellen möchte, wäre, dass am Ende der Pandemie „nur die großen Hotels die Pandemie überleben“.

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