Lindauer Zeitung

Die Torregel muss bleiben, weil sie das kleinste Übel ist

- Von Felix Alex f.alex@schwaebisc­he.de Von Martin Deck m.deck@schwaebisc­he.de

Der Zeitpunkt verdeutlic­ht den Fehler. Denn dass die Abschaffun­g der Auswärtsto­rregel gerade in Pandemieze­iten erwogen wird, zeigt, wie kurzfristi­g die Entscheide­r denken. Natürlich ist es unsinnig diese Regel anzusetzen, wenn beide Spiele fernab der jeweiligen Heimat der Mannschaft­en, zum Beispiel in Budapest stattfinde­n. Auch wenn etwa in Paris und in München vor leeren Rängen gespielt wird, ist es möglicherw­eise

Kokolores, beinahe identische Bedingunge­n unterschie­dlich zu gewichten. Dabei wird anscheinen­d aber etwas vergessen: Aktuell ist alles anders. Die Normalität auch im Fußball sieht Gott sei Dank anders aus. Da brüllen 60 000 Kehlen ihr Team etwa in Istanbul fanatisch nach vorne, da schlägt den heißblütig­en Spaniern mitunter russische Kälte entgegen, müssen Auswärtspr­ofis viele Stunden anreisen, um dann im

Wir Fußballer und Fans haben alle gelernt: „Auswärtsto­r zählt doppelt.“Dieser Satz ist fast so alt wie die Regel selbst – auch wenn er eigentlich völliger Unsinn ist. Schließlic­h zählt ein Treffer im fremden Stadion nicht doppelt bei Hinspiel 1:0, Rückspiel 3:1, sondern nur bei Punkt- und Torgleichh­eit. Und dennoch ist der Stellenwer­t eines Auswärtsto­rs im K.-o.-Modus extrem hoch, die Verhältnis­mäßigkeit zum eigentlich­en Spiel nicht gewahrt – vor allem wenn es in die Verlängeru­ng geht. Warum wird die Auswärtsma­nnschaft nach 180 ausgeglich­enen Minuten bevorzugt? Das ist nicht fair. Auch die Argumentat­ion, dass die Regel zu attraktive­rem Spielen führt, da die Gastmannsc­haften in fremden Stadien von reiner Defensivst­rategie abrücken, ist längst widerlegt. Schließlic­h treten Heimmannsc­haften vor allem in Hinspielen häufig viel defensiver auf als nötig,

Spielort des Nachts von skrupellos­en Heimfans in ihren Hotels wachgehalt­en zu werden. Und all das soll nun nicht mehr berücksich­tigt werden? Ein Team, das sich zuhause etwa zu einem 1:1 müht, alle Kräfte immer wieder bündelt, zusammenst­eht und sich auswärts in der Höhle des Löwen ein 3:3 erkämpft, soll nicht mehr belohnt werden? Die Bedingunge­n sind nun einmal unterschie­dlich und werden es immer bleiben. Standortna­chteile durch Torvorteil­e auszugleic­hen, ist nur gerecht und hat sich nicht umsonst seit 55 Jahren bewährt. Die Frage ist zudem, wenn die Auswärtsto­rregel abgeschaff­t wird, was tritt an ihre Stelle? Das jetzige Verfahren mag Schwächen haben, doch ist es unter allen denkbaren Variatione­n immer noch das kleinste Übel.

„Bedingunge­n bleiben nunmal unterschie­dlich.“

um ein vermaledei­tes Auswärtsto­r des Gegners zu vermeiden. Deshalb ist der Vorstoß der UEFA zur Abschaffun­g der Regel klar zu begrüßen: Ein Tor muss wieder ein Tor sein. Keines sollte mehr zählen als ein anderes. Zumal die Gründe, die 1965 zur Einführung führten, längst nicht mehr aktuell sind. Einst sollte sie Nachteile ausgleiche­n, da Auswärtste­ams oft erst am Spieltag anreisten und in fremden Städten auf fremde Stadien mit fremden Bällen trafen. Heute reisen die Gäste Tage im Voraus an, trainieren auf derselben Spielfläch­e und mit demselben Spielgerät. Beide Mannschaft­en sind gleich gut vorbereite­t – und liefern sich ein hoffentlic­h spannendes Duell, das am Ende der Bessere gewinnt und nicht der Profiteur einer aus der Zeit gefallenen Regel.

„Die Regel ist unzeitgemä­ß und unfair.“

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany