Die Torregel muss bleiben, weil sie das kleinste Übel ist
Der Zeitpunkt verdeutlicht den Fehler. Denn dass die Abschaffung der Auswärtstorregel gerade in Pandemiezeiten erwogen wird, zeigt, wie kurzfristig die Entscheider denken. Natürlich ist es unsinnig diese Regel anzusetzen, wenn beide Spiele fernab der jeweiligen Heimat der Mannschaften, zum Beispiel in Budapest stattfinden. Auch wenn etwa in Paris und in München vor leeren Rängen gespielt wird, ist es möglicherweise
Kokolores, beinahe identische Bedingungen unterschiedlich zu gewichten. Dabei wird anscheinend aber etwas vergessen: Aktuell ist alles anders. Die Normalität auch im Fußball sieht Gott sei Dank anders aus. Da brüllen 60 000 Kehlen ihr Team etwa in Istanbul fanatisch nach vorne, da schlägt den heißblütigen Spaniern mitunter russische Kälte entgegen, müssen Auswärtsprofis viele Stunden anreisen, um dann im
Wir Fußballer und Fans haben alle gelernt: „Auswärtstor zählt doppelt.“Dieser Satz ist fast so alt wie die Regel selbst – auch wenn er eigentlich völliger Unsinn ist. Schließlich zählt ein Treffer im fremden Stadion nicht doppelt bei Hinspiel 1:0, Rückspiel 3:1, sondern nur bei Punkt- und Torgleichheit. Und dennoch ist der Stellenwert eines Auswärtstors im K.-o.-Modus extrem hoch, die Verhältnismäßigkeit zum eigentlichen Spiel nicht gewahrt – vor allem wenn es in die Verlängerung geht. Warum wird die Auswärtsmannschaft nach 180 ausgeglichenen Minuten bevorzugt? Das ist nicht fair. Auch die Argumentation, dass die Regel zu attraktiverem Spielen führt, da die Gastmannschaften in fremden Stadien von reiner Defensivstrategie abrücken, ist längst widerlegt. Schließlich treten Heimmannschaften vor allem in Hinspielen häufig viel defensiver auf als nötig,
Spielort des Nachts von skrupellosen Heimfans in ihren Hotels wachgehalten zu werden. Und all das soll nun nicht mehr berücksichtigt werden? Ein Team, das sich zuhause etwa zu einem 1:1 müht, alle Kräfte immer wieder bündelt, zusammensteht und sich auswärts in der Höhle des Löwen ein 3:3 erkämpft, soll nicht mehr belohnt werden? Die Bedingungen sind nun einmal unterschiedlich und werden es immer bleiben. Standortnachteile durch Torvorteile auszugleichen, ist nur gerecht und hat sich nicht umsonst seit 55 Jahren bewährt. Die Frage ist zudem, wenn die Auswärtstorregel abgeschafft wird, was tritt an ihre Stelle? Das jetzige Verfahren mag Schwächen haben, doch ist es unter allen denkbaren Variationen immer noch das kleinste Übel.
„Bedingungen bleiben nunmal unterschiedlich.“
um ein vermaledeites Auswärtstor des Gegners zu vermeiden. Deshalb ist der Vorstoß der UEFA zur Abschaffung der Regel klar zu begrüßen: Ein Tor muss wieder ein Tor sein. Keines sollte mehr zählen als ein anderes. Zumal die Gründe, die 1965 zur Einführung führten, längst nicht mehr aktuell sind. Einst sollte sie Nachteile ausgleichen, da Auswärtsteams oft erst am Spieltag anreisten und in fremden Städten auf fremde Stadien mit fremden Bällen trafen. Heute reisen die Gäste Tage im Voraus an, trainieren auf derselben Spielfläche und mit demselben Spielgerät. Beide Mannschaften sind gleich gut vorbereitet – und liefern sich ein hoffentlich spannendes Duell, das am Ende der Bessere gewinnt und nicht der Profiteur einer aus der Zeit gefallenen Regel.
„Die Regel ist unzeitgemäß und unfair.“