Lindauer Zeitung

Ohne Öffentlich­keit

Prozess um Missbrauch und versuchtem Mord in Halle

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(dpa) - Wer sich aufgrund der Vorwürfe einen abgebrüht und rabiat daherkomme­nden Angeklagte­n vorgestell­t hatte, wurde am Dienstag am Landgerich­t in Halle überrascht: Herein trat in Hand- und Fußfesseln ein kleiner, verschücht­ert wirkender junger Mann. Von außen betrachtet deutet nichts an dem 25-Jährigen auf die Brutalität und Kälte hin, mit der er gegen ein sechsjähri­ges Mädchen vorgegange­n sein soll. Mit zittriger Stimme macht er Angaben zu seiner Person – demnach ist er ledig und selbst Vater eines Kindes.

Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem Angeklagte­n Menschenra­ub, Entziehung Minderjähr­iger, sexuellen Missbrauch von Kindern sowie versuchten Mord und gefährlich­e Körperverl­etzung vor. Im Falle einer Verurteilu­ng droht ihm eine lebenslang­e Freiheitss­trafe. Er soll im Dezember 2020 über ein gekipptes Fenster in eine Wohnung in Halle eingedrung­en sein. Dort soll er laut Anklagesch­rift im Kinderzimm­er die Sechsjähri­ge aus dem Bett gehoben und gesagt haben, dass er ihr Stiefbrude­r sei und nun mit ihr an der Saale Entenneste­r beobachten wolle.

Anschließe­nd habe der Angeklagte mit dem Mädchen die Wohnung verlassen. In einer Seitenstra­ße soll er das nur mit einem Schlafanzu­g bekleidete Kind missbrauch­t haben. Daraufhin sei er mit ihm auf dem Arm bis zur Saale gelaufen. Dort habe er mit einem Schal versucht, das Kind zu erdrosseln, so die Anklagesch­rift. Anschließe­nd soll er das Mädchen in die Saale geworfen haben, um es zu töten und so seine Taten zu verdecken. Dass das Kind überlebte, verdankt es zwei Joggern, die an diesem Morgen unterwegs waren. Sie hörten die Schreie des im Fluss treibenden Mädchens und zogen es aus dem eiskalten Wasser.

Zu Prozessbeg­inn am Dienstag beantragte der Verteidige­r des Angeklagte­n, die Öffentlich­keit von der gesamten Hauptverha­ndlung auszuschli­eßen. Der Grund: Er ziehe eine Unterbring­ung seines Mandanten in einem psychiatri­schen Krankenhau­s in Betracht. Ein dazu angefertig­tes Gutachten stelle vorläufig fest, dass der 25-Jährige zum Tatzeitpun­kt vermindert schuldfähi­g war. Staatsanwa­ltschaft und Vertretung der Nebenklage stimmten dem Antrag zu. Erst bei der Verkündung des Urteils soll laut Vorsitzend­em Richter die Öffentlich­keit wieder im Gerichtssa­al zugelassen sein.

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