Lindauer Zeitung

Regieren ohne Rechtsradi­kale

Die Landtagswa­hl in Sachsen-Anhalt stellt die CDU einmal mehr vor die Frage, ob die Brandmauer zur AfD hält

- Von André Bochow und Ellen Hasenkamp

- CDU vorn, AfD knapp dahinter, Grüne verbessert, dann SPD und Linke, bei je um die zehn Prozent, und die FDP wieder drin im Landtag. So könnte der Wahlausgan­g am Sonntag sein. Muss aber nicht. In Sachsen-Anhalt haben Überraschu­ngen am Wahlabend Tradition. Bundespoli­tisch liegt das Augenmerk vor allem auf der Frage, wie stark die AfD wird – und welche Machtoptio­nen abseits der Rechtspopu­listen der bislang regierende CDU-Ministerpr­äsident Reiner Haseloff überhaupt hat.

„Corona überlagert alles. Aber je besser es mit dem Impfen klappt, desto besser für uns alle.“So sieht es Anna Kreye, Vorsitzend­e der Jungen Union in Sachsen-Anhalt und Mitglied im Bundesvors­tand der CDU. Tatsächlic­h scheint die gebrochene dritte Corona-Welle vor allem den Christdemo­kraten zu nutzen. Eine der letzten beiden Umfragen sah die CDU deutlich vor der AfD. Mögen im Bund die Grünen Hauptkonku­rrenten der Union sein, in SachsenAnh­alt heißt der wichtigste Gegner AfD. Beim Namen genannt wird die Konkurrenz von rechts im Wahlaufruf der CDU-Bundespitz­e nicht, die Botschaft ist auch so deutlich: „Nur wer CDU wählt, garantiert, dass nicht Rechtspopu­listen auf Platz eins liegen“, heißt es da.

Bei der anderen Umfrage, die am Freitag veröffentl­icht wurde, ist die AfD dagegen dicht hinter der CDU. Was geschieht also, wenn eine Fortsetzun­g der Kenia-Koalition aus Union, SPD und Grünen unmöglich wird? „Es wird keine Zusammenar­beit mit der AfD und den Linken geben. Dafür stehen der Ministerpr­äsident, der Landespart­eivorsitze­nde und auch ich“, sagt Kreye.

Doch die bisherigen Koalitions­partner sind misstrauis­ch. „Die CDU war in der Vergangenh­eit immer wieder unzuverläs­sig“sagt der grüne Landesvors­itzende Sebastian Striegel. „Starke Kräfte in der Fraktion suchen die Zusammenar­beit mit der AfD.“Katja Pähle, Spitzenkan­didatin der SPD, stößt in dasselbe Horn: „Die ablehnende Haltung, die Reiner Haseloff zur AfD bekundet, ist glaubhaft.“Aber Pähle erinnerte auch daran, dass „Haseloff vor gerade einmal einem halben Jahr seinen Innenminis­ter Holger Stahlknech­t entlassen musste, weil der eine von der AfD tolerierte Minderheit­sregierung propagiert hatte“. Auch die Denkschrif­t aus dem engsten CDU-Führungskr­eis, die das „Soziale mit dem Nationalen versöhnen“wollte, sei unvergesse­n. Schlussfol­gerung: „Wer in dieser Situation CDU wählt, weiß nicht, was er bekommt: Brandmauer oder Brandbesch­leuniger?“

Jan Korte, Bundestags­geschäftsf­ührer der Linken und Abgeordnet­er aus Sachsen-Anhalt, meint, die CDU sei „völlig kaputt. Es gibt den zur AfD offenen rechten Flügel in der Partei, der beim Einsetzen einer Kommission zur Untersuchu­ng des Linksextre­mismus mit der AfD gegen die Koalitions­partner votiert und sich mit der AfD gegen den Rundfunkst­aatsvertra­g gestellt hat.“

Die AfD in Sachsen-Anhalt ist stramm auf dem besonders rechten „Flügel-Kurs“des Thüringer AfDChefs Björn Höcke. Auch in SachsenAnh­alt ist die Partei auf den Corona„Querdenker“-Zug aufgesprun­gen, wirbt aber nicht zuletzt dafür, dass alles wieder „normal“wird. Denn „die Welt um uns herum, die ist irgendwie so verrückt geworden“, heißt es in einem Wahlkampfs­pot, in dem zum Satz „Normal ist eine Heimat“ein Gartenzwer­g eingeblend­et wird. Normal sind für die AfD laut Wahlprogra­mm verpflicht­ende Ultraschal­laufnahmen von Föten für Frauen, die abtreiben wollen, und eine Kulturförd­erung „nur noch für Kunst, die ihrer eigenen deutschen Kultur bejahend gegenübers­teht“. Zusätzlich die üblichen Pläne für Migranten, mehr Polizei und mehr deutsches Brauchtum.

Vor den Blauen zu landen, ist erklärtes Ziel der Union. Es geht um den Erfolg von Regierungs­chef Reiner Haseloff, es geht aber auch um den Erfolg von Bundespart­eichef Armin Laschet. Die Landtagswa­hl ist die erste seit seiner Kür zum Kanzlerkan­didaten. Noch immer trauern viele, gerade auch im Osten, dem unterlegen­en Markus Söder hinterher.

Die eigentlich­e Herausford­erung für Laschet ist aber womöglich nicht das Ergebnis der Wahl, sondern das Ergebnis der anschließe­nden Koalitions­gespräche in Magdeburg. Denn hier stellt sich die Gretchenfr­age mit der AfD je nach Ausgang sofort. Und vor allem das anschließe­nde Mitglieder­votum der CDU-Landesbasi­s über eine Koalition. Das Geraune allerdings, die Union könne nach einer Pleite in Sachsen-Anhalt noch einmal ihren Kanzlerkan­didaten wechseln, ist kaum noch zu hören. Begeisteru­ng allerdings ebenfalls nicht. Und die dürfte wohl auch am Sonntagabe­nd nicht aufkommen.

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FOTO: FLORIAN GAERTNER/IMAGO IMAGES Die Regierungs­bildung in Sachsen-Anhalt dürfte schwierig werden, sollten sich die Umfragen bestätigen.

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