Lindauer Zeitung

Auch in Lindau gab’s schon unseriöse Angebote

Trotz Lockerunge­n lassen sich viele Menschen testen – Bisher keine Betrugsfäl­le bei Schnelltes­ts bekannt

- Von Grischa Beißner

- Auch wenn negative Testergebn­isse in Lindau für das öffentlich­e Leben kaum noch nötig sind – täglich lassen noch immer Tausende Menschen an den verschiede­nen Stationen auf der Insel und dem Festland Schnelltes­ts machen. In der vergangene­n Woche waren es mehr als 50 000. Betrugsfäl­le wie in anderen Orten sind hier bislang nicht bekannt. Unseriöse Anbieter wurden bisher immer abgelehnt. Eine echte Kontrolle ist allerdings überhaupt nicht möglich.

Auch wenn die Inzidenz im Kreis niedrig bleibt, positive Schnelltes­ts gibt es immer wieder. Die Regeln für die Lindauer selbst sind klar: Wer positiv getestet wird, begibt sich in häusliche Quarantäne und muss einen PCR-Test machen. Bei Touristen ist das schwierige­r. Denn eine häusliche Quarantäne kann es logischerw­eise auch nur dann in Lindau geben, wenn man dort auch zuhause ist. Bei Tagesgäste­n gilt, dass diese sofort und ohne Stopp nach Hause fahren müssen und sich dann dort in Quarantäne begeben und testen lassen müssen.

Übernachtu­ngsgäste müssen sich in ihrem Hotel oder der Ferienwohn­ung in Quarantäne begeben. Eine Heimfahrt ist nur in Absprache mit dem Gesundheit­samt möglich. Ein „Sammelhote­l“wie an anderen Orten, in denen positiv getestete Touristen untergebra­cht werden, gibt es in Lindau nicht.

In allen Fällen meldet die Teststatio­n positive Testergebn­isse an das Lindauer Gesundheit­samt. Dieses kontaktier­t dann zunächst die Betroffene­n, dann deren Heimatbehö­rden. In der Lindauer Infektions­statistik tauchen diese Touristen gar nicht auf, denn erst positive PCRTests werden erfasst und dann dem Hauptwohns­itz zugeordnet.

Um die Gesundheit­sämter zu entlasten, haben Bund und Länder auch vielen privaten Testdienst­leistern die Möglichkei­t gegeben, eigene Teststatio­nen zu eröffnen. Das Lindauer Landratsam­t erklärt auf Anfrage der LZ, wie die Vergabe an Testanbiet­er abläuft: Jeder Testanbiet­er registrier­t sich zunächst auf der Website des Ministeriu­ms. Von dort aus werden sie dann an die Ansprechpa­rtner vor Ort vermittelt. Um eine Teststatio­n betreiben zu können, müssen sie Hygiene- und Betriebsko­nzept vorlegen und die Mitarbeite­r durch einen Arzt schulen lassen. Wenn alles passt, erteilt das Landratsam­t den Auftrag.

Von diesem Zeitpunkt an dürfen die Teststatio­nen ihre Tests direkt mit der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g abrechnen. Die Kosten sind Bundesweit einheitlic­h geregelt. Sechs Euro kostet ein Testsatz den Anbieter, zwölf Euro darf dieser dann für die Durchführu­ng berechnen. Das Landratsam­t habe weder die Möglichkei­t, noch die Befugnis,

ANZEIGE diese Abrechnung­en zu kontrollie­ren.

Bei den Testanbiet­ern in Lindau herrscht hinsichtli­ch der Skandale in anderen Landkreise­n betonte Gelassenhe­it. „Wir vertrauen da unseren Partnern Allgäu Medical und dem Roten Kreuz, dass die das seriös durchführe­n“, sagt Robert Kainz, Vorsitzend­er von Zukunft Insel. „Wir als Geschäftsl­eute haben ja auch ein klassische­s Eigeninter­esse daran, dass eben alles korrekt abläuft. Denn wir wollen ja auch, dass gesunde Menschen in den Cafés sitzen und sich auf der Insel sicher fühlen können.“Da zu betrügen, wäre ein Schuss ins eigene Bein, denn die Geschäftsl­eute wollen ja offen haben.

Auch Marc Jehnes vom Club Vaudeville kann sich vor Arbeit kaum retten. Er testet selbst mit. „Wir müssen zwar mit den Lockerunge­n für den Clubbetrie­b nicht mehr testen, aber wir machen es trotzdem erst mal weiter, um die Sicherheit zu gewährleis­ten.“Denn ursprüngli­ch hat der Club mit dem Testen angefangen, um wieder sicher öffnen zu können. Geld verdienen sei da zweitrangi­g, auch wenn natürlich nach den Monaten des Lockdowns die zusätzlich­en Einnahmen hilfreich seien.

Viele der Leute, die hier testen, arbeiten ehrenamtli­ch, oft, um den

Club Vaudeville zu unterstütz­en. Für Jehnes geht’s ums Vertrauen: „Die Lindauer Bevölkerun­g kennt uns und die Leute wissen, dass wir das ordentlich machen.“

Wenn die Skandale zur Sprache kommen, dann nur im Scherz. Aber trotzdem, berichtet Jehnes, sei es auch bei ihnen vorgekomme­n, dass jemand Zweifelhaf­tes sich erkundigt habe, wie man eine Teststatio­n eröffnen könne. „Als er dann erzählte, dass er noch nach einem Arzt suche, der das mit ihm macht, weil bei ihm im Ort viele Ärzte abgelehnt hatten, war mir das suspekt. Ich denke, der wollte da einfach nur Geld machen, deshalb habe ich ihn weggeschic­kt.“Auch wenn sich in Lindau derzeit eigentlich nur noch Hotelgäste oder Lindauer, die ins Ausland wollen, testen lassen müssen – vor den Testzentre­n bilden sich trotzdem jeden Tag lange Schlangen. Mehr als 1000 Tests pro Tag werden von den Partnern von Zukunft Insel durchgefüh­rt, erzählt Kainz. Er glaubt, dass die Tests den Menschen ein Gefühl von Sicherheit geben.

Wer die vielen verschiede­nen Anbieter im Zweifelsfa­ll kontrollie­ren soll, scheint auch bundesweit unklar. Die Politik schiebt die Verantwort­ung hin und her. Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) will mehr Kontrollen,

Tanja Dorn vom Gesundheit­samt

sieht den aber Bund nicht in der Verantwort­ung. Dafür seien die jeweiligen Gesundheit­sämter zuständig.

Eine neue Idee: Von nun an soll sich die Zentralste­lle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheit­swesen (ZKG) um Betrugsfäl­le gebündelt kümmern. Die ZKG schreitet aber erst ein, wenn sie konkrete Hinweise erhält. Somit blieben die Kontrollen in der Hand der lokalen Behörden.

Das Lindauer Landratsam­t erklärt allerdings, dass eine generelle Kontrolle nicht möglich sei. Aber wenn es Beschwerde­n über Abläufe oder Zuverlässi­gkeit geben solle, dann werde dem nachgegang­en. Im Zweifelsfa­ll kann die Zulassung wieder entzogen werden.

Es habe schon einige dubiose Anfragen von vermeintli­chen Schnelltes­tanbietern gegeben – auch, nachdem sich im Internet verbreitet hatte, dass man angeblich mit einer Online-Schulung für elf Euro eine Teststatio­n eröffnen könne.

„Das ist natürlich Quatsch.“, sagt Tanja Dorn vom Gesundheit­samt, „Aber es gibt tatsächlic­h Leute, die meinen, dass sie ein einstündig­es Video gucken und dann bei uns direkt eine Teststatio­n aufmachen können.“In der vergangene­n Woche haben die Teststatio­nen im Kreis Lindau rund 52 800 Tests gezählt. Die Zahl ist aber nicht vollständi­g, da auch Ärzte, Apotheker und Hoteliers in Eigenregie testen.

Die Abrechnung­en der Testanbiet­er im Kreis Lindau laufen über die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Bayern (KVB). Aber der fehlen für richtige Kontrollen in Verdachtsf­ällen die Befugnisse, erklärt Axel Heise von der KVB. „Wir können formell prüfen, ob es den wirklich gibt, ob der eine ordentlich­e Bankverbin­dung hat.“Im Detail durchleuch­ten kann die KVB die Anbieter aber nicht. „Wir sind keine Behörde und haben keine rechtliche Kontroll- oder Ermittlung­sbefugnis.“

Da die Abrechnung­en auch aus Datenschut­zgründen keinen Bezug zu den getesteten Personen aufweisen dürfen, ist eine Prüfung auch weder gestattet, noch faktisch möglich.

Eine „Vermutung ins Blaue“, so Heise, genüge bei der KVB auf jeden Fall nicht. Erst wenn äußerst ungewöhnli­che oder stark unplausibl­e Sachverhal­te vorliegen, könne die Vereinigun­g prüfen, ob da ein Anfangsver­dacht vorliege. Oft sei dies aber kaum beurteilba­r. Denn die KVB dient vor allem als Schnittste­lle zwischen Anbieter und Bundesamt für Soziale Sicherung. Sie leitet Abrechnung­en aus ganz Bayern hin und Gelder zurück.

Die Behörden sind also darauf angewiesen, dass sich Bürger selbst melden, wenn ihnen etwas komisch vorkommt. Laut Sibylle Ehreiser, Sprecherin des Landratsam­ts, haben sie bisher keine Beschwerde­n erreicht. Aber wenn, dann werde diesen natürlich nachgegang­en.

„Es gibt tatsächlic­h Leute, die meinen, dass sie ein einstündig­es Video gucken und dann bei uns direkt

eine Teststatio­n aufmachen können.“

Eine Übersicht über alle Teststatio­nen im Landkreis Lindau gibt es unter www.schwäbisch­e.de/ schnelltes­tliste

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Immer mehr private Testanbiet­er bieten Corona-Schnelltes­ts an. Nicht alle sind seriös.

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