Auch in Lindau gab’s schon unseriöse Angebote
Trotz Lockerungen lassen sich viele Menschen testen – Bisher keine Betrugsfälle bei Schnelltests bekannt
- Auch wenn negative Testergebnisse in Lindau für das öffentliche Leben kaum noch nötig sind – täglich lassen noch immer Tausende Menschen an den verschiedenen Stationen auf der Insel und dem Festland Schnelltests machen. In der vergangenen Woche waren es mehr als 50 000. Betrugsfälle wie in anderen Orten sind hier bislang nicht bekannt. Unseriöse Anbieter wurden bisher immer abgelehnt. Eine echte Kontrolle ist allerdings überhaupt nicht möglich.
Auch wenn die Inzidenz im Kreis niedrig bleibt, positive Schnelltests gibt es immer wieder. Die Regeln für die Lindauer selbst sind klar: Wer positiv getestet wird, begibt sich in häusliche Quarantäne und muss einen PCR-Test machen. Bei Touristen ist das schwieriger. Denn eine häusliche Quarantäne kann es logischerweise auch nur dann in Lindau geben, wenn man dort auch zuhause ist. Bei Tagesgästen gilt, dass diese sofort und ohne Stopp nach Hause fahren müssen und sich dann dort in Quarantäne begeben und testen lassen müssen.
Übernachtungsgäste müssen sich in ihrem Hotel oder der Ferienwohnung in Quarantäne begeben. Eine Heimfahrt ist nur in Absprache mit dem Gesundheitsamt möglich. Ein „Sammelhotel“wie an anderen Orten, in denen positiv getestete Touristen untergebracht werden, gibt es in Lindau nicht.
In allen Fällen meldet die Teststation positive Testergebnisse an das Lindauer Gesundheitsamt. Dieses kontaktiert dann zunächst die Betroffenen, dann deren Heimatbehörden. In der Lindauer Infektionsstatistik tauchen diese Touristen gar nicht auf, denn erst positive PCRTests werden erfasst und dann dem Hauptwohnsitz zugeordnet.
Um die Gesundheitsämter zu entlasten, haben Bund und Länder auch vielen privaten Testdienstleistern die Möglichkeit gegeben, eigene Teststationen zu eröffnen. Das Lindauer Landratsamt erklärt auf Anfrage der LZ, wie die Vergabe an Testanbieter abläuft: Jeder Testanbieter registriert sich zunächst auf der Website des Ministeriums. Von dort aus werden sie dann an die Ansprechpartner vor Ort vermittelt. Um eine Teststation betreiben zu können, müssen sie Hygiene- und Betriebskonzept vorlegen und die Mitarbeiter durch einen Arzt schulen lassen. Wenn alles passt, erteilt das Landratsamt den Auftrag.
Von diesem Zeitpunkt an dürfen die Teststationen ihre Tests direkt mit der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen. Die Kosten sind Bundesweit einheitlich geregelt. Sechs Euro kostet ein Testsatz den Anbieter, zwölf Euro darf dieser dann für die Durchführung berechnen. Das Landratsamt habe weder die Möglichkeit, noch die Befugnis,
ANZEIGE diese Abrechnungen zu kontrollieren.
Bei den Testanbietern in Lindau herrscht hinsichtlich der Skandale in anderen Landkreisen betonte Gelassenheit. „Wir vertrauen da unseren Partnern Allgäu Medical und dem Roten Kreuz, dass die das seriös durchführen“, sagt Robert Kainz, Vorsitzender von Zukunft Insel. „Wir als Geschäftsleute haben ja auch ein klassisches Eigeninteresse daran, dass eben alles korrekt abläuft. Denn wir wollen ja auch, dass gesunde Menschen in den Cafés sitzen und sich auf der Insel sicher fühlen können.“Da zu betrügen, wäre ein Schuss ins eigene Bein, denn die Geschäftsleute wollen ja offen haben.
Auch Marc Jehnes vom Club Vaudeville kann sich vor Arbeit kaum retten. Er testet selbst mit. „Wir müssen zwar mit den Lockerungen für den Clubbetrieb nicht mehr testen, aber wir machen es trotzdem erst mal weiter, um die Sicherheit zu gewährleisten.“Denn ursprünglich hat der Club mit dem Testen angefangen, um wieder sicher öffnen zu können. Geld verdienen sei da zweitrangig, auch wenn natürlich nach den Monaten des Lockdowns die zusätzlichen Einnahmen hilfreich seien.
Viele der Leute, die hier testen, arbeiten ehrenamtlich, oft, um den
Club Vaudeville zu unterstützen. Für Jehnes geht’s ums Vertrauen: „Die Lindauer Bevölkerung kennt uns und die Leute wissen, dass wir das ordentlich machen.“
Wenn die Skandale zur Sprache kommen, dann nur im Scherz. Aber trotzdem, berichtet Jehnes, sei es auch bei ihnen vorgekommen, dass jemand Zweifelhaftes sich erkundigt habe, wie man eine Teststation eröffnen könne. „Als er dann erzählte, dass er noch nach einem Arzt suche, der das mit ihm macht, weil bei ihm im Ort viele Ärzte abgelehnt hatten, war mir das suspekt. Ich denke, der wollte da einfach nur Geld machen, deshalb habe ich ihn weggeschickt.“Auch wenn sich in Lindau derzeit eigentlich nur noch Hotelgäste oder Lindauer, die ins Ausland wollen, testen lassen müssen – vor den Testzentren bilden sich trotzdem jeden Tag lange Schlangen. Mehr als 1000 Tests pro Tag werden von den Partnern von Zukunft Insel durchgeführt, erzählt Kainz. Er glaubt, dass die Tests den Menschen ein Gefühl von Sicherheit geben.
Wer die vielen verschiedenen Anbieter im Zweifelsfall kontrollieren soll, scheint auch bundesweit unklar. Die Politik schiebt die Verantwortung hin und her. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will mehr Kontrollen,
Tanja Dorn vom Gesundheitsamt
sieht den aber Bund nicht in der Verantwortung. Dafür seien die jeweiligen Gesundheitsämter zuständig.
Eine neue Idee: Von nun an soll sich die Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) um Betrugsfälle gebündelt kümmern. Die ZKG schreitet aber erst ein, wenn sie konkrete Hinweise erhält. Somit blieben die Kontrollen in der Hand der lokalen Behörden.
Das Lindauer Landratsamt erklärt allerdings, dass eine generelle Kontrolle nicht möglich sei. Aber wenn es Beschwerden über Abläufe oder Zuverlässigkeit geben solle, dann werde dem nachgegangen. Im Zweifelsfall kann die Zulassung wieder entzogen werden.
Es habe schon einige dubiose Anfragen von vermeintlichen Schnelltestanbietern gegeben – auch, nachdem sich im Internet verbreitet hatte, dass man angeblich mit einer Online-Schulung für elf Euro eine Teststation eröffnen könne.
„Das ist natürlich Quatsch.“, sagt Tanja Dorn vom Gesundheitsamt, „Aber es gibt tatsächlich Leute, die meinen, dass sie ein einstündiges Video gucken und dann bei uns direkt eine Teststation aufmachen können.“In der vergangenen Woche haben die Teststationen im Kreis Lindau rund 52 800 Tests gezählt. Die Zahl ist aber nicht vollständig, da auch Ärzte, Apotheker und Hoteliers in Eigenregie testen.
Die Abrechnungen der Testanbieter im Kreis Lindau laufen über die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB). Aber der fehlen für richtige Kontrollen in Verdachtsfällen die Befugnisse, erklärt Axel Heise von der KVB. „Wir können formell prüfen, ob es den wirklich gibt, ob der eine ordentliche Bankverbindung hat.“Im Detail durchleuchten kann die KVB die Anbieter aber nicht. „Wir sind keine Behörde und haben keine rechtliche Kontroll- oder Ermittlungsbefugnis.“
Da die Abrechnungen auch aus Datenschutzgründen keinen Bezug zu den getesteten Personen aufweisen dürfen, ist eine Prüfung auch weder gestattet, noch faktisch möglich.
Eine „Vermutung ins Blaue“, so Heise, genüge bei der KVB auf jeden Fall nicht. Erst wenn äußerst ungewöhnliche oder stark unplausible Sachverhalte vorliegen, könne die Vereinigung prüfen, ob da ein Anfangsverdacht vorliege. Oft sei dies aber kaum beurteilbar. Denn die KVB dient vor allem als Schnittstelle zwischen Anbieter und Bundesamt für Soziale Sicherung. Sie leitet Abrechnungen aus ganz Bayern hin und Gelder zurück.
Die Behörden sind also darauf angewiesen, dass sich Bürger selbst melden, wenn ihnen etwas komisch vorkommt. Laut Sibylle Ehreiser, Sprecherin des Landratsamts, haben sie bisher keine Beschwerden erreicht. Aber wenn, dann werde diesen natürlich nachgegangen.
„Es gibt tatsächlich Leute, die meinen, dass sie ein einstündiges Video gucken und dann bei uns direkt
eine Teststation aufmachen können.“
Eine Übersicht über alle Teststationen im Landkreis Lindau gibt es unter www.schwäbische.de/ schnelltestliste