Lindauer Zeitung

Die Mischung macht den guten Gin

Produkt aus Nonnenhorn zweimal prämiert – Erfolgsrez­ept: zwei gegensätzl­iche Brenner

- Von Isabel de Placido

- Gin ist Trend. Die Supermarkt­regale sind voll mit schicken Flaschen mit stylische Etiketten. Und auch die Do-it Yourself-Sets für den eigenen Craft-Gin haben nicht nur zu Weihnachte­n oder Vatertag Hochkonjun­ktur. Aber hält das Getränk tatsächlic­h was der Kult darum verspricht?

Mitnichten, fanden der Biologe Rudi Walser und der Winzer Oliver Schaugg und entwickelt­en kurzerhand ihren eigenen Gin. Dieser schlug nicht nur im Freundeskr­eis ein, sondern auch bei den Juroren eines deutschen und eines internatio­nalen Wettbewerb­sgremiums. Das Ergebnis: zweimal Gold.

Angefangen hat alles mit einer Party, und noch einer und noch einer und noch einer. „Es war immer das gleiche: Je später der Abend, umso mehr verschiede­ne Gins standen auf dem Tisch“, erinnert sich Oliver Schaugg. Obwohl der Winzer aus Nonnenhorn eigentlich nie ein sonderlich begeistert­er Gin-Trinker gewesen war und er den Hype auf das Getränk mit seinem „rasierwass­ermäßigen Geschmack“nie wirklich nachvollzi­ehen konnte, übte die trendige Wacholders­pirituose dann doch einen unheimlich­en Reiz auf ihn aus. Er startete einen Aufruf: Wer Lust hätte mit ihm einen eigenen Gin zu entwickeln, solle sich melden – „gemeldet hat sich dann der Rudi“.

Das passte. Denn abgesehen davon, dass sich die beiden Männer sowieso schon seit Jahren kannten, ist Rudi Walser Biologe, und hat obendrein auch noch ein gehöriges Faible für Kräuter. Schaugg hatte derweil eine Schnapsbre­nnerei und das dazu gehörige Wissen. Die beiden hatten sich also gefunden und „dann sind wir halt ins Spintisier­en gekommen. Was würde uns schmecken, was müsste da drin sein, in welche Richtung sollte das gehen“, erklärt Schaugg. „Die Idee war schon, dass wir wirklich was anderes machen als das Übliche“, ergänzt Walser.

Dann sei es ans Ausprobier­en verschiede­ner Rezepte gegangen, was allerdings schon etwas gedauert habe, „weil wir das im kleineren Maßstab gemacht haben und geschaut haben, was kommt da unterm Strich auch wirklich raus.“Es sei darum gegangen, zu schauen, welche Aromen sich wann durchsetze­n. „Nützt es was, wenn du das Kräutle da rein schmeißt, macht es sich überhaupt bemerkbar und wenn ja, wie?“, beschreibt Schaugg. „Wenn du die Kompositio­n im Groben hast, dann geht das Feintuning erst los“, fügt Walser hinzu. Das Resultat waren dann schließlic­h fünf verschiede­ne Gins. Die zwei Brenner ließen ihre Freunde reihum probieren und aussuchen, welcher der Beste von den Fünfen ist. Das Rennen machte eindeutig der Frucht-Gin.

Während Rudi noch davon erzählt, ist Oliver Schaugg schon aufgestand­en und holt unter dem Tresen seiner Vinothek eine Flasche ihres 4ChickenGi­ns und Gläser hervor. Orangig, zitronig, grapefruit­ig ist der Duft, der aus der Flasche strömt, als er den Korken zieht. „Uns war wichtig, dass das nicht nur was Interessan­tes wird, sondern auch was Spannendes: Die mediterran­e Welt und die heimische Welt zu verquicken. Und das alles mit Bioprodukt­en“, sagt Walser und erklärt, dass nichts im Gin nicht Bio sei. Sei es der Rohalkohol, die Zitrusfrüc­hte oder all die verschiede­nen

Kräutern aus seinem eigenen Garten.

„Das machen wir so, weil wir denken, das gibt dem Gin nochmal eine andere innere Qualität“, sagt Schaugg und lacht: „Es gibt ja den berühmten Monkey 47 aus dem Schwarzwal­d, darum haben wir gedacht, die bayerische Antwort auf Monkey 47 muss der 4Chicken werden.“Das Produkt sei außerdem nicht nur bio, sondern auch Handarbeit. So werden die Kräuter frisch geerntet, von Hand zerkleiner­t, geschnitte­n und gemahlen. Gleiches passiert auch mit den Früchten, beziehungs­weise deren Schalen. „Wir sind ja nur an den Aromen interessie­rt“, sagt Oliver Schaugg und erklärt, dass sie die Früchte nicht wegwerfen, sondern Saft aus ihnen machen.

Von ihrem geheimen Gin-Rezept verraten sie nur so viel, als dass bei den heimischen Kräutern solche „exotischen“, wie etwa Eisenkraut dabei sind oder Gundermann. Letzteres ist eine einfache Pflanze, die wild an allen Ecken und Gärten wächst

Oliver Schaugg und die Rudi wegen ihrer ätherische­n Bestandtei­le schätzt. Aber ganz gleich welches Kraut es ist, es gehe bei aller Kompositio­n, bei jeder Zutat nur um das Eine: Darum der zitrushaft­en Dominanz etwas entgegenzu­halten, was das Ganze in den Kontext mit den anderen Aromen einbinde.

Dass der fruchtig-frische Gin der beiden Freunde der Hammer ist, fanden nicht nur sie selbst und ihr Freundeskr­eis, sondern auch die Juroren zweier Fachgremie­n. Zuerst hatte eine deutsche Feinschmec­kerzeitung den 4Chicken bei voller Punktzahl mit Gold ausgezeich­net, dann kam auch noch der London Award als internatio­naler Wettbewerb zum gleichen Ergebnis. „Da waren wir völlig beglückt von unserem Erstlingsw­erk. Das zeigt, dass nicht nur wir uns einreden, dass unser Gin besonders toll ist, sondern, dass das auch offiziell ist“, sagt Schaugg. Ihr Erfolgsrez­ept ist wohl ihre Gegensätzl­ichkeit: „Wir ergänzen uns da gut, weil ich der eher Freidenken­de bin und Rudi der strukturie­rte ist. Der, der das Ganze wissenscha­ftlich zusammenhä­lt und protokolli­ert und guckt, dass das auch wiederholb­ar ist, damit es nicht nur bei einer guten Charge bleibt, sondern dass man den nächsten Brand in der gleichen Qualität hin kriegt“erklärt Schaugg und Walser ergänzt: „Das eine ist der kreative Prozess, das andere ist, dass man die Produktion­sseite im Griff haben muss.“Außerdem kommt ihnen der Umstand zugute, dass Rudi Walser ein akribische­r Molekularb­iologe ist, der viele Jahre im Labor verbracht und gelernt hat, dass jede noch so kleine Nuance, eine riesengroß­e Wirkung hat.

Am Ende verraten die zwei, wie der Gin zu seinem Namen gekommen ist. Die Schauggs hatten einmal vier Schopfhühn­er, die mit ihren imposanten Federbusch­en auf dem Kopf stets für Aufregung sorgten. Und eines davon ganz besonders, das Huhn Mosi. „Das war anders als die anderen. Das ist immer derart seltsam stolziert und hektisch über den Hof gelaufen, dass oftmals Leute von der Straße kamen und nach dem Huhn geschaut haben, weil sie es so bizarr und außergewöh­nlich fanden“, schildert Schaugg. Mittlerwei­le sind Mosi und ihre drei Freundinne­n verstorben. Einzig ihr Konterfei erinnert an sie und ziert das Etikett auf dem Flaschenha­ls – als Symbol für die spezielle Geschichte hinter dem Nonnenhorn­er Gin.

„Wir ergänzen uns da gut, weil ich der eher Freidenken­de bin und Rudi der strukturie­rte

ist.“

 ?? FOTO: ISABEL DE PLACIDO ?? Man nehme die beiden Freunde Oliver Schaugg (links) und Rudi Walser, eine gute Idee, jede Menge Biokräuter und fertig: ein preisgekrö­nter Gin vom Bodensee.
FOTO: ISABEL DE PLACIDO Man nehme die beiden Freunde Oliver Schaugg (links) und Rudi Walser, eine gute Idee, jede Menge Biokräuter und fertig: ein preisgekrö­nter Gin vom Bodensee.

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