Die Mischung macht den guten Gin
Produkt aus Nonnenhorn zweimal prämiert – Erfolgsrezept: zwei gegensätzliche Brenner
- Gin ist Trend. Die Supermarktregale sind voll mit schicken Flaschen mit stylische Etiketten. Und auch die Do-it Yourself-Sets für den eigenen Craft-Gin haben nicht nur zu Weihnachten oder Vatertag Hochkonjunktur. Aber hält das Getränk tatsächlich was der Kult darum verspricht?
Mitnichten, fanden der Biologe Rudi Walser und der Winzer Oliver Schaugg und entwickelten kurzerhand ihren eigenen Gin. Dieser schlug nicht nur im Freundeskreis ein, sondern auch bei den Juroren eines deutschen und eines internationalen Wettbewerbsgremiums. Das Ergebnis: zweimal Gold.
Angefangen hat alles mit einer Party, und noch einer und noch einer und noch einer. „Es war immer das gleiche: Je später der Abend, umso mehr verschiedene Gins standen auf dem Tisch“, erinnert sich Oliver Schaugg. Obwohl der Winzer aus Nonnenhorn eigentlich nie ein sonderlich begeisterter Gin-Trinker gewesen war und er den Hype auf das Getränk mit seinem „rasierwassermäßigen Geschmack“nie wirklich nachvollziehen konnte, übte die trendige Wacholderspirituose dann doch einen unheimlichen Reiz auf ihn aus. Er startete einen Aufruf: Wer Lust hätte mit ihm einen eigenen Gin zu entwickeln, solle sich melden – „gemeldet hat sich dann der Rudi“.
Das passte. Denn abgesehen davon, dass sich die beiden Männer sowieso schon seit Jahren kannten, ist Rudi Walser Biologe, und hat obendrein auch noch ein gehöriges Faible für Kräuter. Schaugg hatte derweil eine Schnapsbrennerei und das dazu gehörige Wissen. Die beiden hatten sich also gefunden und „dann sind wir halt ins Spintisieren gekommen. Was würde uns schmecken, was müsste da drin sein, in welche Richtung sollte das gehen“, erklärt Schaugg. „Die Idee war schon, dass wir wirklich was anderes machen als das Übliche“, ergänzt Walser.
Dann sei es ans Ausprobieren verschiedener Rezepte gegangen, was allerdings schon etwas gedauert habe, „weil wir das im kleineren Maßstab gemacht haben und geschaut haben, was kommt da unterm Strich auch wirklich raus.“Es sei darum gegangen, zu schauen, welche Aromen sich wann durchsetzen. „Nützt es was, wenn du das Kräutle da rein schmeißt, macht es sich überhaupt bemerkbar und wenn ja, wie?“, beschreibt Schaugg. „Wenn du die Komposition im Groben hast, dann geht das Feintuning erst los“, fügt Walser hinzu. Das Resultat waren dann schließlich fünf verschiedene Gins. Die zwei Brenner ließen ihre Freunde reihum probieren und aussuchen, welcher der Beste von den Fünfen ist. Das Rennen machte eindeutig der Frucht-Gin.
Während Rudi noch davon erzählt, ist Oliver Schaugg schon aufgestanden und holt unter dem Tresen seiner Vinothek eine Flasche ihres 4ChickenGins und Gläser hervor. Orangig, zitronig, grapefruitig ist der Duft, der aus der Flasche strömt, als er den Korken zieht. „Uns war wichtig, dass das nicht nur was Interessantes wird, sondern auch was Spannendes: Die mediterrane Welt und die heimische Welt zu verquicken. Und das alles mit Bioprodukten“, sagt Walser und erklärt, dass nichts im Gin nicht Bio sei. Sei es der Rohalkohol, die Zitrusfrüchte oder all die verschiedenen
Kräutern aus seinem eigenen Garten.
„Das machen wir so, weil wir denken, das gibt dem Gin nochmal eine andere innere Qualität“, sagt Schaugg und lacht: „Es gibt ja den berühmten Monkey 47 aus dem Schwarzwald, darum haben wir gedacht, die bayerische Antwort auf Monkey 47 muss der 4Chicken werden.“Das Produkt sei außerdem nicht nur bio, sondern auch Handarbeit. So werden die Kräuter frisch geerntet, von Hand zerkleinert, geschnitten und gemahlen. Gleiches passiert auch mit den Früchten, beziehungsweise deren Schalen. „Wir sind ja nur an den Aromen interessiert“, sagt Oliver Schaugg und erklärt, dass sie die Früchte nicht wegwerfen, sondern Saft aus ihnen machen.
Von ihrem geheimen Gin-Rezept verraten sie nur so viel, als dass bei den heimischen Kräutern solche „exotischen“, wie etwa Eisenkraut dabei sind oder Gundermann. Letzteres ist eine einfache Pflanze, die wild an allen Ecken und Gärten wächst
Oliver Schaugg und die Rudi wegen ihrer ätherischen Bestandteile schätzt. Aber ganz gleich welches Kraut es ist, es gehe bei aller Komposition, bei jeder Zutat nur um das Eine: Darum der zitrushaften Dominanz etwas entgegenzuhalten, was das Ganze in den Kontext mit den anderen Aromen einbinde.
Dass der fruchtig-frische Gin der beiden Freunde der Hammer ist, fanden nicht nur sie selbst und ihr Freundeskreis, sondern auch die Juroren zweier Fachgremien. Zuerst hatte eine deutsche Feinschmeckerzeitung den 4Chicken bei voller Punktzahl mit Gold ausgezeichnet, dann kam auch noch der London Award als internationaler Wettbewerb zum gleichen Ergebnis. „Da waren wir völlig beglückt von unserem Erstlingswerk. Das zeigt, dass nicht nur wir uns einreden, dass unser Gin besonders toll ist, sondern, dass das auch offiziell ist“, sagt Schaugg. Ihr Erfolgsrezept ist wohl ihre Gegensätzlichkeit: „Wir ergänzen uns da gut, weil ich der eher Freidenkende bin und Rudi der strukturierte ist. Der, der das Ganze wissenschaftlich zusammenhält und protokolliert und guckt, dass das auch wiederholbar ist, damit es nicht nur bei einer guten Charge bleibt, sondern dass man den nächsten Brand in der gleichen Qualität hin kriegt“erklärt Schaugg und Walser ergänzt: „Das eine ist der kreative Prozess, das andere ist, dass man die Produktionsseite im Griff haben muss.“Außerdem kommt ihnen der Umstand zugute, dass Rudi Walser ein akribischer Molekularbiologe ist, der viele Jahre im Labor verbracht und gelernt hat, dass jede noch so kleine Nuance, eine riesengroße Wirkung hat.
Am Ende verraten die zwei, wie der Gin zu seinem Namen gekommen ist. Die Schauggs hatten einmal vier Schopfhühner, die mit ihren imposanten Federbuschen auf dem Kopf stets für Aufregung sorgten. Und eines davon ganz besonders, das Huhn Mosi. „Das war anders als die anderen. Das ist immer derart seltsam stolziert und hektisch über den Hof gelaufen, dass oftmals Leute von der Straße kamen und nach dem Huhn geschaut haben, weil sie es so bizarr und außergewöhnlich fanden“, schildert Schaugg. Mittlerweile sind Mosi und ihre drei Freundinnen verstorben. Einzig ihr Konterfei erinnert an sie und ziert das Etikett auf dem Flaschenhals – als Symbol für die spezielle Geschichte hinter dem Nonnenhorner Gin.
„Wir ergänzen uns da gut, weil ich der eher Freidenkende bin und Rudi der strukturierte
ist.“