„Es darf keinen Kampf ums Wasser geben“
Bundesumweltministerin Schulze über drohende Dürren, Wasserpreise und den Vorbildcharakter des Südwestens
- Wasser gilt als wichtigster Rohstoff der Erde, doch als Folge des Klimawandels wird es auch in Deutschland zeitweise knapp. Was die Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD, Foto: Imago Images) dagegen unternehmen will und was auf Verbraucher und Verbraucherinnen zukommt.
Wissenschaftler sagen für dieses Jahr wieder einen Dürresommer voraus. Müssen wir uns darauf einstellen, dass in manchen Orten erneut das Wasser knapp wird?
In Deutschland war Wasserknappheit bis vor wenigen Jahren kein großes Thema. Der Klimawandel stellt diese Gewissheit nach drei Dürrejahren infrage. Das zeigt, warum eine Nationale Wasserstrategie notwendig ist, die das Bundesumweltministerium jetzt vorlegt. Die zentrale Botschaft lautet: Es muss jetzt vorgesorgt werden, damit es zukünftig ausreichend Wasser gibt.
Was genau muss geschehen?
Zentral ist, wieder einen naturnahen Wasserhaushalt zu gewährleisten. Natürliche Wasserspeicher müssen sich auch natürlich anreichern können. Ein Weg ist, die Versiegelung in Städten zurückzudrängen, damit das Wasser wieder versickern kann. Und es gilt, die Wasserrückhaltung in der Landschaft zu stärken, indem Flussränder natürlich gestaltet und Böden so bewirtschaftet werden, dass sie Wasser aufsaugen können. Beides hilft nicht nur bei Trockenheit, sondern auch bei Starkregen. Außerdem braucht es mehr Wissen und Daten darüber, wie sich Wasserdargebot und -nachfrage an welchen Orten zu welcher Zeit entwickeln.
Haben Swimmingpools in trockenen Gegenden noch eine Zukunft?
Das Problem ist weniger die Wassermenge, sondern der Leitungsdruck, wenn die Nachfrage an heißen Sommertagen besonders groß ist. Pools sollten am besten in den Nachtstunden befüllt werden, nicht tagsüber.
Dafür wollen wir Anreize schaffen.
Heißt das, Wasser soll tagsüber teurer werden?
Nicht unbedingt. „Smarte Wassertarife“könnten eine neue Lösung sein, um flexibler auf die jeweilige Nachfrage zur reagieren. Wenn man weiß, wann die Nachfrage gering ist, kann Wasser günstiger angeboten werden. Im Ergebnis würden die Menschen ihre Waschmaschine zu Zeiten laufen lassen, in denen weniger Wasser gebraucht wird. Das klingt einfacher als es ist, denn im Alltag gibt es zahlreiche Facetten zu berücksichtigen. In einem Pilotprojekt soll daher ausprobiert werden, wie solche „smarten“Lösungen aussehen können.
Sollten sich wasserintensive Unternehmen nur noch wasserreiche Standorte aussuchen?
Wasser wird künftig ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sein. Länder und
Kommunen müssen daher frühzeitig passende Konzepte für die Wasserversorgung von morgen erstellen. Am Grundsatz der ortsnahen Versorgung wollen wir festhalten. Aber für die Zukunft ist es nicht selbstverständlich, dass es überall Wasser im Überfluss gibt. Daher braucht es einen Ausgleich zwischen wasserarmen und wasserreichen Regionen. Ein Blick nach Baden-Württemberg zeigt, wie es mit Wasser-Fernleitungen gelingen kann. Stuttgart hat kaum eigene Wasservorkommen und wird schon lange vom Bodensee versorgt. Diese Erfahrungen muss man mit anderen Regionen teilen und die Infrastruktur dort anpassen. Wichtig ist mir ein fairer Rahmen für die Wasserverteilung. Es darf keinen Kampf ums Wasser geben.
In der Vergangenheit war viel von Nutzungshierarchien die Rede, die bei Wasserknappheit regeln sollen, ob etwa die Industrie oder die Landwirtschaft vorrangig Wasser nutzen darf. Was empfehlen Sie?
Auch wenn alle klug vorsorgen, kann es künftig regional zu Wasserknappheit kommen. Für diese Notfälle wird man über Nutzungshierarchien und einen Ausgleich der Interessen reden müssen. Existenzielle Wassernutzungen, wie den persönlichen Trinkwasserbedarf, müssen wir aufrechterhalten. Auch ein Vorrang für wesentliche wirtschaftliche und landwirtschaftliche Nutzungen und ökologische Bedarfe ist denkbar. Das müssen alle Beteiligten gemeinsam entwickeln. Kriterien und Regeln für die Entscheidung im Umgang mit Wasser müssen transparent und vergleichbar sein. Entschieden wird weiterhin vor Ort, der Bund kann nur einen Rahmen zur Orientierung geben.
Wie gut ist es ums Wasser in Deutschland bestellt?
Wir müssen wieder besser auf die Wasserqualität in Deutschland achten. Bislang wird alles, was ins Wasser gelangt, einfach wieder rausgefiltert. Das ist aber sehr teuer. Daher sollen sich künftig alle, die die Wasserqualität mindern, an den Reinigungskosten beteiligen. Nur so gibt es einen Anreiz, umweltschonender mit Wasser umzugehen.
Die EU verlangt, das Abwasser auf Covid-19-Spuren zu untersuchen. Gibt es da schon Pläne?
Spuren von Viren können mittlerweile im Abwasser gut nachgewiesen werden. An ihrer Konzentration kann man erkennen, ob die Infektionszahlen an einem Ort anziehen oder abflachen, und zwar früher als über Tests beim Menschen. Wie ein bundesweites Monitoring aussehen könnte, untersucht die Bundesregierung gerade in einem Pilotprojekt. Ein solches Überwachungssystem kann auch für andere Viren oder multiresistente Krankheitserreger interessant sein.
Weil Deutschland aufgrund des Klimawandels auf regionale Wasserknappheiten zusteuert, ist laut Bundesumweltministerium (BMU) ein massiver Ausbau der Infrastruktur nötig. Das Ziel lautet, wasserarme und -reiche Kommunen miteinander zu verbinden. Kommunen und Wasserversorger sollten deswegen überregional kooperieren – etwa mit gemeinsam betriebenen Fernleitungen oder Talsperren.
Das BMU beziffert den Investitionsbedarf vorsichtig auf drei Milliarden Euro jährlich. „Schon der Erhalt und die Erneuerung der jetzigen Leitungen ist eine Mammutaufgabe“, sagt Karsten Specht, Vizepräsident des Verbands kommunaler Unternehmen. Schon heute zahle die Wasserwirtschaft acht Milliarden Euro jährlich für Erhalt und Erneuerung Tausender Kilometer von Leitungen und Anlagen.
Jetzt komme man auch noch an einen Punkt, an dem aufgrund des Alters der Leitungen in erhöhtem Maße Reinvestitionen fällig werden. Specht befürchtet, dass neue politische Anforderungen die Kosten und damit die Wassergebühren der Verbraucher in die Höhe treiben. „Nicht alles was wünschenswert ist, kann bei einem verantwortlichen Umgang mit den Entgelten der Bürger umgesetzt werden“, warnt er. So stiegen etwa auch die Anforderungen, was den Umgang mit Klärschlamm oder Phosphat angeht. Das Engagement des Bundes bereitet Specht grundsätzlich Kopfzerbrechen. Er fürchtet um die Eigenständigkeit kommunaler Unternehmen. „Welche Lösungen vor Ort nötig sind, kann man nur vor Ort beurteilen“, sagt er. Wo eine Anpassung an unterschiedliches Wasserdargebot nötig war, hätten die Kommunen das selbständig oder mit Hilfe der Länder bewerkstelligt. Specht plädiert dafür, dies beizubehalten. (igs)