„Dieses Gesetz verlangt Mögliches, nicht Unmögliches“
Der CDU-Sozialpolitiker Peter Weiß über das Lieferkettengesetz, die Kritik der Unternehmen und seine Verpflichtung als Katholik
- Arbeitgeberverbände, Unternehmen und Wirtschaftslobbyisten wettern seit Monaten gegen das von der Regierung geplante Lieferkettengesetz. CDU-Politiker Peter Weiß hält die Kritik für völlig überzogen. Im Interview mit Hannes Koch erklärt der Baden-Württemberger, warum das Gesetz auch für global agierende Konzerne erträglich ist. „Deutsche Unternehmen können nicht die Revolution in China ausrufen“, sagt der Leiter der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
„Das dümmste Gesetz, das von der Großen Koalition verabschiedet wurde“– so urteilte der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Oliver Zander, über das Lieferkettengesetz, an dem Sie beteiligt sind. Was sagen Sie dazu?
Klüger wäre gewesen, er hätte sich erst geäußert, nachdem er den neuen Text kannte. Denn mit den von Union und SPD vereinbarten Präzisierungen greifen wir die wichtigsten Punkte auf, die die Wirtschaft kritisierte. So schließen wir eine zusätzliche zivilrechtliche Haftung von Unternehmen bei Verstößen gegen die Menschenrechte aus.
Warum ist dieses Gesetz nötig?
Wie die meisten Staaten dieser Welt hat die Bundesrepublik internationale Abkommen etwa gegen ausbeuterische Kinderarbeit oder den extrem umweltschädlichen Einsatz von Quecksilber beim Goldabbau unterzeichnet. Diese Regelungen sind damit auch geltendes deutsches Recht. Deshalb erwarten Bürgerinnen und Bürger, kirchliche Hilfswerke und Entwicklungsorganisationen, dass hiesige Unternehmen die Abkommen bei ihren weltweiten Geschäften beachten. Viele Unternehmen praktizieren das ja heute schon.
Aber nicht alle.
So kann man es ausdrücken. Und natürlich muss die Nichtbeachtung solcher internationaler Regeln Konsequenzen haben. Deswegen legen wir fest, dass das Bundesamt für Wirtschaft (Bafa) die Einhaltung künftig kontrolliert und Verstöße mit Bußgeldern ahndet.
Die CDU sieht sich als Wirtschaftspartei. Da schmerzt es, von den Unternehmensverbänden massiv kritisiert zu werden.
Die Union ist Volkspartei. Der ursprünglich vorgelegte Gesetzentwurf der Regierung warf in der Tat eine Menge Fragen auf. Deswegen haben wir ihn überarbeitet. Jetzt ist klargestellt, dass die Unternehmen sich um die Einhaltung der Menschenrechte auch in ihren ausländischen Zulieferfabriken bemühen müssen. Wenn das Bemühen aber keinen Erfolg hat, brauchen die Unternehmen ihre Geschäftsbeziehungen nicht abzubrechen. Aber manchmal finden sich auch Alternativen.
In der chinesischen Provinz Xinjiang kommt es wohl zu Menschenrechtsverletzungen der Regierung gegen die Bevölkerung. Müssen die Unternehmen künftig darauf verzichten, beispielsweise Baumwolle von dort zu verwenden?
Zwangsarbeit ist verboten, wir können sie nicht dulden. Wenn in einem Land solche Unterdrückung praktiziert wird, sollten deutsche Unternehmen darauf drängen, dass ihre Partner sich nicht mitschuldig machen.
Und wenn diese dem Wunsch nicht nachkommen?
Dann bleibt der Konflikt möglicherweise bestehen. Es kommt darauf an, dass sich hiesige Unternehmen um die Menschenrechte bemühen. Aber deutsche Unternehmen können nicht die Revolution in China ausrufen. Das heißt, dass Menschenrechtsverletzungen weiter geschehen können, trotz aller Anstrengungen, die hiesige Betriebe leisten. Das muss man sich eingestehen. Dieses Gesetz verlangt Mögliches, nicht Unmögliches.
Trotzdem befürchten gerade mittelständische Unternehmen, sie sollten die Herkunft ihrer Vorprodukte bis in den letzten Winkel der Welt zurückverfolgen und kontrollieren.
Wer Rohstoffe von einem konkreten Lieferanten kauft, kann über diesen Informationen einholen. Das machen die Unternehmen heute schon. Werden die Rohstoffe jedoch an einer Börse gehandelt, erlegen wir den deutschen Unternehmen keine Verpflichtung auf, Nachweise über die Herkunft der Materialien zu erbringen.
Manche Unternehmen werden neue Stellen schaffen müssen, um den zusätzlichen Recherche-, Dokumentationsund Kontrollaufwand zu bewältigen. Sehen Sie darin eine Überforderung?
Wir führen die Regeln ein für Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern, in denen schon heute Leute arbeiten, die sich um Nachhaltigkeit und Menschenrechte kümmern. Der Personalaufwand dürfte sich dort in einem überschaubaren Rahmen halten. Ich will aber nicht ausschließen, dass die eine oder andere Firma zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen muss. Dieser Aufwand lässt sich allerdings reduzieren, indem man mit anderen Unternehmen im Rahmen einer Brancheninitiative kooperiert.
Sie sind auch Katholik und Sozialpolitiker. Ist es für Sie selbstverständlich, dass allen Menschen, egal ob sie in Deutschland arbeiten, China oder Bangladesch, dieselben universellen Menschenrechte zustehen?
Natürlich. Die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation wie das Verbot der Kinderund Zwangsarbeit gelten weltweit.
Warum sollen dann hiesige Unternehmen nicht auch nach hiesigem Recht vor hiesigen Gerichten haften, wenn Zulieferarbeiter Entschädigung für Menschenrechtsverletzungen verlangen? Ihre Änderungen am Gesetz erschweren das erheblich.
Die normale zivilrechtliche Haftung, die schon besteht, wird nicht abgeschafft. Wir wollen nur keine zusätzliche Haftung ermöglichen. Die Kontrollen durch das Bundesamt und die Bußgelder werden zur Disziplin und Ernsthaftigkeit der Firmen beitragen.
Peter Weiß (Foto: privat) leitet die Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSUBundestagsfraktion. Seit 1998 ist der Baden-Württemberger direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Emmendingen-Lahr nördlich von Freiburg. Zuvor arbeitete der 65-Jährige unter anderem beim Caritas-Verband und studierte Theologie. (hko)
Das Lieferkettengesetz wird wohl am Freitag im Bundestag beschlossen. Das Vorhaben ist seit Jahren umstritten. Grundsätzlich verpflichtet das Gesetz hiesige Unternehmen, die Menschenrechte der Arbeiterinnen und Arbeiter in ihren ausländischen Zulieferfabriken zu schützen. Die in Deutschland ansässigen Auftraggeber und Händler müssen sich dann beispielsweise darum kümmern, dass die Beschäftigten in Asien, Afrika und Lateinamerika ausreichende Bezahlung erhalten und die Lieferanten keine Kinder arbeiten lassen. Von 2023 an gelten die Regeln für Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten, von 2024 an für Unternehmen mit mehr als 1000 Leuten. (hko)