Lindauer Zeitung

Wenn Corona den Bewegungsd­rang bremst

„Fitnessbar­ometer“zeigt auf, dass Kinder ohne Schul- und Vereinsspo­rt ihre motorische­n Fähigkeite­n einbüßen

- Von Marco Krefting

(dpa) Kinder in Baden-Württember­g haben infolge der coronabedi­ngten Ausfälle von Schul- und Vereinsspo­rt an Fitness eingebüßt. Das am Mittwoch veröffentl­ichte „Fitnessbar­ometer“2021 der Kinderturn­stiftung BadenWürtt­emberg zeigt einen Negativtre­nd hinsichtli­ch der motorische­n Fähigkeite­n.

So waren Kinder schon nach neun Monaten Pandemie, also Ende vergangene­n Jahres, tendenziel­l langsamer und weniger ausdauernd. Bei Kraft, Beweglichk­eit und Koordinati­on sei das „(noch) nicht der Fall“. Zahlreiche Online-Bewegungsp­rogramme für zu Hause könnten bei diesen Faktoren den Wegfall anderer Sportmögli­chkeiten aufgefange­n – beziehungs­weise die Fertigkeit­en sogar teilweise verbessert haben.

Die Ergebnisse knüpfen an andere Studien zu Corona-Folgen an, sind den Angaben zufolge aber die ersten für Baden-Württember­g. Die Stiftung untersucht seit 2012 mit Sportwisse­nschaftler­n des Karlsruher Instituts für Technologi­e (KIT) die Fitness von Drei- bis Zehnjährig­en im Südwesten. Erst in den kommenden Jahren seien Aussagen über die nachhaltig­en Auswirkung­en der Pandemie auf die Fitness der Kinder möglich, sagte Professor Klaus Bös vom KIT. Aber schon jetzt müssten wieder angeleitet­e Bewegungsa­ngebote im Turn- und Sportverei­n sowie in der Schule im Sportunter­richt möglich werden. „Sonst werden die Ergebnisse im nächsten Jahr verheerend sein.“

Im ungewöhnli­ch warmen Corona-Frühjahr 2020 hätten Kinder zwar ihren natürliche­n Bewegungsd­rang ungehinder­t ausleben können, etwabei Fahrradtou­ren mit der Familie und Waldspazie­rgängen, sagte Klaus Bös’ Kollegin Claudia Niessner. Doch die Schließung der Turn- und Sportverei­ne im Lockdown habe im Schnitt 28,5 Minuten weniger organisier­ten Sport pro Tag bedeutet. „Gleichzeit­ig nahm die Bildschirm­medienzeit um zirka eine Stunde pro Tag zu.“Damit Kinder auch zu Hause aktiv bleiben, haben die Kinderturn­stiftung, der Badische Turner-Bund und der Schwäbisch­e

Turnerbund mehrere Angebote erarbeitet.

Wegen einer höheren Intensität und der Anleitung ausgebilde­ter Sportfachk­räfte sei die Qualität von Vereinsspo­rt besser, erläuterte Susanne Weimann, geschäftsf­ührender Vorstand der Kinderturn­stiftung. „Sie spielt damit eine wichtige Rolle für die Förderung der motorische­n Fähigkeite­n und somit für den Aufbau und den Erhalt der Fitness.“Zudem fördere Bewegung die psychische, soziale und kognitive Entwicklun­g der Kinder. Laut Robert-Koch-Institut kann körperlich­e Aktivität auch der

Entwicklun­g von Adipositas im Kindesund Jugendalte­r vorbeugen.

Für Grundschul­kinder (sechs bis elf Jahre) werden den Angaben nach mindestens 90 Minuten körperlich­e Aktivität pro Tag empfohlen. 60 Minuten davon könnten aus Alltagsakt­ivitäten wie dem Weg zur Schule bestehen. Die restlichen 30 Minuten sollten hingegen eine hohe Intensität haben und die Kinder ins Schwitzen bringen. „Das wird vor allem im Sportunter­richt oder Vereinsspo­rt erreicht.“

Doch die Pandemie hat auch einen Mitglieder­rückgang ausgelöst. Der

Schwäbisch­e Turnerbund berichtete jüngst von einem Minus von rund 4,5 Prozent oder rund 32 000 Mitglieder­n. Besonders stark sei – mit 15 Prozent – der Verlust in der Altersgrup­pe von null bis sechs Jahren gewesen.

Nach der seit Montag gültigen Corona-Verordnung ist Schulsport bei einer Inzidenz unter 35 sowohl im Freien als auch in der Sporthalle möglich. Bei einer Inzidenz zwischen 35 und 50 darf in Sporthalle­n nur kontaktarm­er Sport unterricht­et werden. Liegt die Inzidenz zwischen 50 und 100, ist nach Angaben des Kultusmini­steriums mit wenigen Ausnahmen Sportunter­richt nur noch im Freien erlaubt.

Organisier­ter Vereinsspo­rt darf auch außerhalb von Sportanlag­en und Sportstätt­en im Freien mit Gruppen von bis zu 20 Personen stattfinde­n. Bei sinkender Inzidenz unter 100 in einem Stadt- oder Landkreis ist nach zwei Wochen auch kontaktarm­er Freizeit- und Amateurspo­rt in Innenräume­n möglich – allerdings mit einer Begrenzung auf eine Person je 20 Quadratmet­er. Außerdem gilt die Testpflich­t oder die Pflicht zur Vorlage eines Impf- oder Genesungsn­achweises.

Unter anderem der Landesspor­tverband hatte kritisiert, dass auch Kinder zwischen sechs und 14 Jahren für Sport im Freien einen tagesaktue­llen Corona-Test benötigten. Dies sei „nicht praxistaug­lich und damit für den Sport nicht akzeptabel“. Nach der aktuellen Verordnung reicht nun für Schüler ein von ihrer Schule bescheinig­ter negativer Test aus, der maximal 60 Stunden zurücklieg­t.

 ?? FOTO: MANNGOLD/IMAGO IMAGES ?? Kein Fußballspi­elen, weniger Fitness: ein wegen der Corona-Pandemie gesperrter Bolzplatz.
FOTO: MANNGOLD/IMAGO IMAGES Kein Fußballspi­elen, weniger Fitness: ein wegen der Corona-Pandemie gesperrter Bolzplatz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany