Lindauer Zeitung

Zehn neue Balis

Indonesien­s ehrgeizige Tourismusp­läne stehen nach Zwangsräum­ungen in der Kritik

- Von Ahmad Pathoni und Carola Frentzen

(dpa) - Viele Bali-Urlauber kennen die Nebeninsel Lombok von Kurztrips. Beschaulic­her und unberührte­r als die turbulente Schwester, lockt das indonesisc­he Eiland bislang vor allem Surfer und Vulkanfans, die den mächtigen Gunung Rinjani besteigen. Schon im nächsten Jahr aber plant die Regierung die Fertigstel­lung eines Mega-Tourismusp­rojekts auf Lombok, das bereits für heftige Kontrovers­en sorgt: Das Mandalika Resort. UN-Experten und Anwohner sprechen von Land Grabbing, Zwangsräum­ungen und Einschücht­erung. Und das ist erst der Anfang: Die Behörden wollen insgesamt zehn „neue Balis“erschaffen, um mehr Urlauber ins Land zu locken und der berühmten Insel Konkurrenz zu machen. Diese Strategie hatte Präsident Joko Widodo schon 2016 angekündig­t.

Im vergangene­n Jahr gab es Kritik von Umweltschü­tzern, weil auf Rinca Island ein Safaripark entsteht, in den einige der letzten Komododrac­hen integriert werden sollen. Im Visier sind zudem etwa die Stadt Lubuan Bajo auf Flores, der weltbekann­te Borobodur-Tempel auf Java und der Lake Toba auf Sumatra. Auch wenn derzeit der Tourismus im ganzen Land noch wegen der CoronaPand­emie am Boden liegt – danach will der Inselstaat in puncto Fremdenver­kehr voll durchstart­en.

Mandalika, das klingt nach Exotik, tropischen Cocktails und Wellnessma­ssagen in märchenhaf­ter Atmosphäre. Und genau das sollen die Luxushotel­s in dem mehr als 1000 Hektar großen Areal auf Lombok bieten. Auch Freunde des Motorsport­s kommen auf ihre Kosten: Schon im kommenden Jahr ist die Eröffnung einer pompösen Rennstreck­e für die MotoGP, die Motorrad-WM, geplant. Zudem: Einkaufsmö­glichkeite­n, Toprestaur­ants, eine Lagune und noch mehr.

Das drei Milliarden-Dollar-Projekt (rund 2,5 Milliarden Euro) soll in den nächsten fünf Jahren immerhin eine halbe Million Arbeitsplä­tze schaffen. Leidtragen­de sind aber wie so oft jene Menschen, die traditione­ll in der Region gelebt haben und die ihre Grundstück­e räumen mussten, um Platz zu schaffen.

„Sie haben uns nicht einmal gefragt“, sagt ein Anwohner aus dem Örtchen Kuta Village. „Sie sind einfach gekommen und haben uns zur Räumung gezwungen. Aber sie müssen für unser Land zahlen.“Bisher habe er keine finanziell­e Kompensati­on erhalten. Diejenigen, die unter diesen Bedingunge­n nicht gehen wollten, seien von Sicherheit­sbeamten eingeschüc­htert worden, erzählt der Indonesier.

Auch die Vereinten Nationen hat das Projekt „Mandalika Special Economic Zone“schon auf den Plan gerufen. Vor einigen Wochen veröffentl­ichten UN-Menschenre­chtsexpert­en eine Erklärung, in der sie die Regierung in Jakarta eindringli­ch auffordert­en, die Rechte der Anwohner zu achten. „Farmer und Fischer wurden von ihrem Land vertrieben und mussten die Zerstörung ihrer Häuser, Felder und Wasserquel­len sowie ihrer kulturelle­n und religiösen Stätten erdulden“, sagte Olivier De Schutter, UN-Sonderberi­chterstatt­er für extreme Armut und Menschenre­chte.

„Glaubwürdi­ge Quellen haben herausgefu­nden, dass Menschen Drohungen und Einschücht­erungen ausgesetzt und ohne Entschädig­ung von ihrem Land vertrieben wurden“, so De Schutter weiter. Das staatliche Unternehme­n Indonesia Tourism Developmen­t Corporatio­n (ITDC), das für die Entwicklun­g von Mandalika verantwort­lich ist, habe dennoch bisher nicht versucht, die Landstreit­igkeiten beizulegen. „Eine großangele­gte Tourismuse­ntwicklung, die die Menschenre­chte mit Füßen tritt, ist mit dem Konzept der nachhaltig­en Entwicklun­g grundsätzl­ich nicht vereinbar“, hieß es weiter.

Die Regierung wies die Vorwürfe als falsch und völlig übertriebe­n zurück. Das Resort werde den Einheimisc­hen zugutekomm­en, betonte Miranti Rendranti, eine ITDC-Sprecherin. „Wir können garantiere­n, dass die Entwicklun­g von Mandalika im Einklang mit den geltenden Gesetzen steht und die Menschenre­chte und der Umweltschu­tz berücksich­tigt werden.“

Betroffene auf Lombok stellen die Geschehnis­se anders dar. Darunter Damar, der nur für 3300 seiner insgesamt 5600 Quadratmet­er Grundeigen­tum entschädig­t wurde. Als er ein

Schild aufstellte, auf dem er eine faire Vergütung forderte, kam die Polizei. Sie habe gedroht ihn anzuzeigen, wenn er die Bedingunge­n nicht akzeptiere, erzählt er. „Was hätte ich tun können? Ob ich das Angebot annahm oder nicht, man hätte mich sowieso zur Räumung gezwungen.“Und noch etwas macht ihn wütend: „Sie haben nicht einmal Menschen aus der Region für die Bauarbeite­n angestellt.“

Alles sei ohne Vorwarnung passiert, erzählt Muhammad Amin, der sich als Aktivist für eine gerechte Behandlung der Menschen einsetzt. „Die sind plötzlich in die Dörfer gekommen und haben Schilder aufgestell­t, auf denen stand, dass das Land jetzt der ITDC gehöre und die Dorfbewohn­er gehen müssten.“

Fischern sei es verboten worden, in den Gewässern der Region weiter ihre Netze auszuwerfe­n. „Das ist die Wurzel der Wut“, meint Muhammad Amin. „Zugegeben, manche Leute unterstütz­en das Mandalika-Projekt – aber die sind entweder nicht direkt betroffen, oder sie sind fair entschädig­t worden.“

 ?? FOTO: ITDC/DPA ?? Der Mandalika Kuta Beach Park. Im Mandalika-Resort finden Bauarbeite­n statt, um weitere Luxushotel­s, Restaurant­s und eine Motorrad-WM-Rennstreck­e entstehen zu lassen. Die Regierung in Indonesien will den Tourismuss­ektor massiv ausbauen. Das beliebte Bali dient als Vorbild für die Erschließu­ng anderer Inseln – darunter Lombok.
FOTO: ITDC/DPA Der Mandalika Kuta Beach Park. Im Mandalika-Resort finden Bauarbeite­n statt, um weitere Luxushotel­s, Restaurant­s und eine Motorrad-WM-Rennstreck­e entstehen zu lassen. Die Regierung in Indonesien will den Tourismuss­ektor massiv ausbauen. Das beliebte Bali dient als Vorbild für die Erschließu­ng anderer Inseln – darunter Lombok.

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