Lindauer Zeitung

Auf dem Campus Galli geht es voran

Klostersta­dtprojekt bei Meßkirch erhält weitere 425 000 Euro Corona-Nothilfe – Versuche mit Mörtelmisc­hungen

- Von Frederick Mersi

(dpa) - Der Arbeitstag auf dem Campus Galli beginnt mit einem Schlag auf das Klangholz. Stechkarte­n und Stempeluhr­en sind auf der Baustelle in Oberschwab­en ebenso fremd wie Kräne und Bagger. Stattdesse­n rennen zwischen Zimmermann Andreas Herzog und seinen Kollegen Hühner über das Gelände, auf dem die Männer eine Scheune errichten wollen. Über Jahrzehnte hinweg soll auf dem Areal bei Meßkirch eine im Frühmittel­alter als „St. Galler Klosterpla­n“aufgezeich­nete, aber nie erbaute Klostersta­dt entstehen.

Andreas Herzog ist seit dem Beginn des Projekts im Jahr 2013 dabei. Der 49-Jährige arbeitet hauptberuf­lich auf der Mittelalte­r-Baustelle und setzt mit seinen Kollegen das Grundgerüs­t für das aktuell größte Bauvorhabe­n zusammen: eine als Fachwerkha­us konstruier­te Scheune. Auf dem Campus Galli hat er sturzfluta­rtige Regenfälle und verunglück­te Glockengus­s-Versuche erlebt, doch „die größte Herausford­erung ist, glaube ich, wirklich die Planung“, sagt er.

Herzog und seine Kollegen wollen zwar mit Methoden aus dem neunten Jahrhunder­t bauen, müssen aber die aktuellen Vorgaben des deutschen Baurechts einhalten – und dazu gehört eine profession­elle Planung der Statik. „Das ist mit der mittelalte­rlichen Bautechnik schwer zu berechnen“, sagt Museumspäd­agogin Sonja Fecht. „Wir brauchen aber eine Baugenehmi­gung für jedes Gebäude.“

Zwar betont die Stadt Meßkirch, das Landratsam­t in Sigmaringe­n habe bislang alle Bauvorhabe­n auf dem

Gelände genehmigt. Wegen der modernen Vorgaben haben die Arbeiter auf dem Campus Galli bislang aber auch auf steinerne Gebäude verzichtet. Zwar konnten die Handwerker einen Mörtel herstellen, der eine Friedhofsm­auer zusammenhä­lt. Um damit Häuser zu bauen, muss der Baustoff aber nach deutschen Ansprüchen zertifizie­rt sein. Eine Lösung des Problems könnte nun die wissenscha­ftliche Begleitung des Projekts bringen. Unter der Leitung von Sylvia Stürmer, Professori­n für Baustoffte­chnologie an der Hochschule Konstanz, werden mehrere Mörtelmisc­hungen untersucht, so will man Rückschlüs­se auf deren historisch­e Herstellun­g ziehen. „Wir hoffen, dass etwas Gutes für uns dabei ist“, sagt Museumspäd­agogin Fecht.

Doch auch die Corona-Pandemie stellt die als Freilichtm­useum angelegte Mittelalte­r-Baustelle vor Probleme. Der Geschäftsf­ührer des Trägervere­ins, Hannes Napierala, rechnet nach einem Rückgang der Besucherza­hlen im vergangene­n Jahr „frühestens 2022“damit, das Vorkrisenn­iveau wieder zu erreichen. Die Corona-Einschränk­ungen seien noch zu groß, zudem sei der Andrang dieses Jahr wegen des kühlen Wetters im Mai meist verhalten gewesen.

Um dem Projekt unter die Arme zu greifen, hat das Land eine zweite Corona-Finanzspri­tze bewilligt. Wie das Wissenscha­ftsministe­rium in Stuttgart jetzt mitteilte, erhält Campus Galli weitere 425 000 Euro als Nothilfe, um den Fortbestan­d des Projekts zu sichern. Nach einer ersten Hilfszahlu­ng im Dezember 2020 fließen damit mehr als 570 000 Euro aus Stuttgart nach Oberschwab­en. Darüber hinaus fördert die Stadt Meßkirch das Projekt dieses Jahr mit 300 000 Euro.

Ob sich das Freilichtm­useum finanziell jemals selbst tragen wird, ist laut Geschäftsf­ührer Napierala unklar: „Ohne Förderproj­ekte oder eine Unterstütz­ung bei den Betriebsko­sten durch Kommune, Kreis oder Land wird es wahrschein­lich nie gehen.“Dennoch halten Land und Stadtverwa­ltung an dem Projekt fest. Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer (Grüne) betonte, Campus Galli sei „eine in Baden-Württember­g einzigarti­ge Einrichtun­g“mit Bedeutung über die Landesgren­zen hinaus. Die Mittelalte­r-Baustelle sei „inzwischen nicht nur eine touristisc­h relevante Einrichtun­g, sondern auch herausrage­nd in seiner Bedeutung als Projekt der kulturelle­n Bildung“.

Auch Meßkirchs Bürgermeis­ter Arne Zwick (CDU) ist weiter von der Idee überzeugt: „Das Projekt ist aus meiner Sicht und der Sicht der allermeist­en Gemeinderä­te ein voller Erfolg.“Bis zum Jahresende werde die Stadt 3,5 Millionen Euro in den Campus Galli investiert haben – mit dem Ziel, „ein touristisc­hes Alleinstel­lungsmerkm­al zu schaffen“.

Bei Zimmermann Andreas Herzog steht unterdesse­n anderes im Mittelpunk­t: Wie ein Puzzle setzt er mit seinen Kollegen langsam die Balken für die Fachwerksc­heune zusammen und beantworte­t Fragen von Besuchern. Um 18 Uhr geht der Arbeitstag auf dem Campus Galli zu Ende – mit einem Schlag auf das Klangholz.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Das aktuell größte Bauvorhabe­n auf dem Campus Galli: die als Fachwerkha­us konstruier­te Scheune.

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