Auf dem Campus Galli geht es voran
Klosterstadtprojekt bei Meßkirch erhält weitere 425 000 Euro Corona-Nothilfe – Versuche mit Mörtelmischungen
(dpa) - Der Arbeitstag auf dem Campus Galli beginnt mit einem Schlag auf das Klangholz. Stechkarten und Stempeluhren sind auf der Baustelle in Oberschwaben ebenso fremd wie Kräne und Bagger. Stattdessen rennen zwischen Zimmermann Andreas Herzog und seinen Kollegen Hühner über das Gelände, auf dem die Männer eine Scheune errichten wollen. Über Jahrzehnte hinweg soll auf dem Areal bei Meßkirch eine im Frühmittelalter als „St. Galler Klosterplan“aufgezeichnete, aber nie erbaute Klosterstadt entstehen.
Andreas Herzog ist seit dem Beginn des Projekts im Jahr 2013 dabei. Der 49-Jährige arbeitet hauptberuflich auf der Mittelalter-Baustelle und setzt mit seinen Kollegen das Grundgerüst für das aktuell größte Bauvorhaben zusammen: eine als Fachwerkhaus konstruierte Scheune. Auf dem Campus Galli hat er sturzflutartige Regenfälle und verunglückte Glockenguss-Versuche erlebt, doch „die größte Herausforderung ist, glaube ich, wirklich die Planung“, sagt er.
Herzog und seine Kollegen wollen zwar mit Methoden aus dem neunten Jahrhundert bauen, müssen aber die aktuellen Vorgaben des deutschen Baurechts einhalten – und dazu gehört eine professionelle Planung der Statik. „Das ist mit der mittelalterlichen Bautechnik schwer zu berechnen“, sagt Museumspädagogin Sonja Fecht. „Wir brauchen aber eine Baugenehmigung für jedes Gebäude.“
Zwar betont die Stadt Meßkirch, das Landratsamt in Sigmaringen habe bislang alle Bauvorhaben auf dem
Gelände genehmigt. Wegen der modernen Vorgaben haben die Arbeiter auf dem Campus Galli bislang aber auch auf steinerne Gebäude verzichtet. Zwar konnten die Handwerker einen Mörtel herstellen, der eine Friedhofsmauer zusammenhält. Um damit Häuser zu bauen, muss der Baustoff aber nach deutschen Ansprüchen zertifiziert sein. Eine Lösung des Problems könnte nun die wissenschaftliche Begleitung des Projekts bringen. Unter der Leitung von Sylvia Stürmer, Professorin für Baustofftechnologie an der Hochschule Konstanz, werden mehrere Mörtelmischungen untersucht, so will man Rückschlüsse auf deren historische Herstellung ziehen. „Wir hoffen, dass etwas Gutes für uns dabei ist“, sagt Museumspädagogin Fecht.
Doch auch die Corona-Pandemie stellt die als Freilichtmuseum angelegte Mittelalter-Baustelle vor Probleme. Der Geschäftsführer des Trägervereins, Hannes Napierala, rechnet nach einem Rückgang der Besucherzahlen im vergangenen Jahr „frühestens 2022“damit, das Vorkrisenniveau wieder zu erreichen. Die Corona-Einschränkungen seien noch zu groß, zudem sei der Andrang dieses Jahr wegen des kühlen Wetters im Mai meist verhalten gewesen.
Um dem Projekt unter die Arme zu greifen, hat das Land eine zweite Corona-Finanzspritze bewilligt. Wie das Wissenschaftsministerium in Stuttgart jetzt mitteilte, erhält Campus Galli weitere 425 000 Euro als Nothilfe, um den Fortbestand des Projekts zu sichern. Nach einer ersten Hilfszahlung im Dezember 2020 fließen damit mehr als 570 000 Euro aus Stuttgart nach Oberschwaben. Darüber hinaus fördert die Stadt Meßkirch das Projekt dieses Jahr mit 300 000 Euro.
Ob sich das Freilichtmuseum finanziell jemals selbst tragen wird, ist laut Geschäftsführer Napierala unklar: „Ohne Förderprojekte oder eine Unterstützung bei den Betriebskosten durch Kommune, Kreis oder Land wird es wahrscheinlich nie gehen.“Dennoch halten Land und Stadtverwaltung an dem Projekt fest. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) betonte, Campus Galli sei „eine in Baden-Württemberg einzigartige Einrichtung“mit Bedeutung über die Landesgrenzen hinaus. Die Mittelalter-Baustelle sei „inzwischen nicht nur eine touristisch relevante Einrichtung, sondern auch herausragend in seiner Bedeutung als Projekt der kulturellen Bildung“.
Auch Meßkirchs Bürgermeister Arne Zwick (CDU) ist weiter von der Idee überzeugt: „Das Projekt ist aus meiner Sicht und der Sicht der allermeisten Gemeinderäte ein voller Erfolg.“Bis zum Jahresende werde die Stadt 3,5 Millionen Euro in den Campus Galli investiert haben – mit dem Ziel, „ein touristisches Alleinstellungsmerkmal zu schaffen“.
Bei Zimmermann Andreas Herzog steht unterdessen anderes im Mittelpunkt: Wie ein Puzzle setzt er mit seinen Kollegen langsam die Balken für die Fachwerkscheune zusammen und beantwortet Fragen von Besuchern. Um 18 Uhr geht der Arbeitstag auf dem Campus Galli zu Ende – mit einem Schlag auf das Klangholz.