Lindauer Zeitung

Verheerend­er Soja-Hunger

Anbau der begehrten Bohne im Amazonasge­biet binnen kurzer Zeit vervielfac­ht – Die EU giert nach Tierfutter

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(dpa) - Die Anbaufläch­e für Sojabohnen in Südamerika hat sich einer Analyse zufolge seit dem Jahr 2000 von 26 400 auf 55 100 Quadratkil­ometer verdoppelt. Fast immer sei das mit der Zerstörung von Natur verbunden gewesen, berichten Forscher in der Fachzeitsc­hrift „Nature Sustainabi­lity“. Die schnellste Ausweitung fand demnach im brasiliani­schen Amazonasge­biet statt, wo sich die Anbaufläch­e für Soja von 4000 auf 46 000 Quadratkil­ometer mehr als verzehnfac­ht hat.

Die Forscher hatten Satelliten­daten und die Ergebnisse von Untersuchu­ngen vor Ort kombiniert, um auf die für den Sojaanbau genutzte Fläche in der Region in den Jahren von 2000 bis 2019 schließen zu können. Ursprüngli­ch seien viele der Waldfläche­n für die Viehzucht umgewandel­t worden. Im Kampf um eine Begrenzung der Entwaldung müsse der indirekte Einfluss der Soja-Expansion über die Verdrängun­g von Weideland oder anderen Landnutzun­gen berücksich­tigt werden. Die weltweite Sojaproduk­tion werde Prognosen zufolge bis 2050 um 50 Prozent zunehmen, was eine zusätzlich­e Anbaufläch­e von 20 Millionen Hektar erfordere – ein Großteil davon werde voraussich­tlich in Südamerika entstehen. „Um die kurzfristi­gen Bedürfniss­e der Gesellscha­ft mit langfristi­ger Nachhaltig­keit in Einklang zu bringen, sind Innovation­en sowohl im Bereich des Naturschut­zes als auch in der Landwirtsc­haft erforderli­ch“, so die Forscher.

Agrarprodu­kte wie Soja gehen nach Daten des brasiliani­schen Landwirtsc­haftsminis­teriums zuallerers­t nach Asien und dort vor allem nach China, aber auch in die Europäisch­e Union mit Ländern wie den Niederland­en, Spanien und Deutschlan­d. Ungefähr 80 Prozent des aus anderen Regionen in die EU gebrachten Sojas wird nach Angaben der Umweltorga­nisation WWF für Tierfutter verwendet. Für die meisten der in Deutschlan­d geschlacht­eten Tiere ist Soja demnach zentraler Bestandtei­l des Futters, dies gelte vor allem für Schweine und Geflügel.

Es hat dann einen langen Weg hinter sich: Über die BR-163, als „SojaStraße“bekannt, transporti­eren Lastwagen die Bohnen aus den Anbaugebie­ten im Süden des brasiliani­schen Amazonasge­biets zu den Häfen im Norden. Dazu gehören unter anderem der Hafen von Itaituba, in dem eine Rundfahrt vorbei an Containers­chiffen, Getreidesi­los und Verladesta­tionen führt, und der noch größere Umschlagha­fen von Santarém. Schiffe bringen das Soja weiter nach Europa.

Das meiste Soja in Brasilien bauen die Produzente­n immer noch im Bundesstaa­t Mato Grosso an. Aber die Sojafelder breiten sich auch immer weiter in den Norden des Landes aus. Bisweilen reichen die Felder bis auf wenige Meter an Häuser von Indigenen heran, wo sich früher Amazonas-Wald erstreckte. Ein wichtiges Ziel bei der Eindämmung des Klimawande­ls müsse es sein, Abholzung in der Lieferkett­e zu vermeiden, heißt es in der Studie.

Nach einem im Mai vorgestell­ten WWF-Bericht wurden für EU-Einfuhren von Gütern wie Soja, Palmöl, Rindfleisc­h und Kaffee zuletzt pro Jahr durchschni­ttlich Tropenwäld­er von der vierfachen Größe des Bodensees gerodet. Im Jahr 2017 gingen demnach weltweit 16 Prozent der Abholzung von Tropenwald im Zusammenha­ng mit Handel auf das Konto von EU-Importen. Innerhalb der EU steht Deutschlan­d ganz oben auf der Liste.

Die mit Abstand größten Verursache­r von Abholzung durch EU-Importe waren dem Bericht zufolge Soja (rund 31 Prozent der gerodeten Fläche) und Palmöl (rund 24 Prozent), für deren Anbau oder Produktion vor allem Wälder in Südamerika beziehungs­weise Südostasie­n weichen mussten. Durch die importiert­e Entwaldung habe die EU 2017 indirekt 116 Millionen Tonnen CO2-Emissionen verursacht, heißt es in dem WWF-Bericht. Das entspreche mehr als einem Viertel der EU-Emissionen aus der Landwirtsc­haft im selben Jahr. Einem ebenfalls im Mai vorgestell­ten Bericht der Naturschut­zorganisat­ion

Forest Trends zufolge wurden fast 70 Prozent des zwischen 2013 und 2019 zur Produktion von Rohstoffen abgeholzte­n Regenwalde­s illegal zerstört. In Brasilien ist die Situation demnach besonders dramatisch: Fast die gesamte (mindestens 95 Prozent) Abholzung sei dort 2019 illegal gewesen.

2019 war das erste Jahr von Jair Bolsonaro als brasiliani­scher Präsident. Der Rechtspopu­list befürworte­t die Ausbeutung des Amazonasge­biets. Dabei kommt Brasilien eine Schlüsselr­olle beim Klimaschut­z zu: Das Land verfügt mit einem Anteil in der Größe Westeuropa­s über einen großen Teil des Amazonasge­biets, das als CO2-Speicher gilt.

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FOTO: ROBERTO PERA/DPA Ernten im großen Stil: In die EU importiert­es Soja aus Brasilien wird vor allem für Tierfutter verwendet. Für den Anbau werden riesige Flächen Tropenwald zerstört.
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FOTO: ORLIN WAGNER/DPA Sojabohnen sind proteinhal­tige Energielie­feranten – für Mensch und Tier.

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