Lindauer Zeitung

Im Epizentrum des Unwetters

In den Häfler Teilorten ist Feuerwehr im Dauereinsa­tz

- Von Harald Ruppert und Jens Lindenmüll­er

- Mehrere Gewitter mit Starkregen, Hagel und Blitzschla­g sind am Dienstagab­end über den Bodenseekr­eis hinweg gezogen. Vor allem in und um Friedrichs­hafen waren die Feuerwehre­n im Dauereinsa­tz, zum Teil bis in die frühen Morgenstun­den. In Kluftern, Efrizweile­r, Unterrader­ach, Unterlotte­nweiler und Ettenkirch liefen Wohnungen, Keller und Garagen voll, auch Straßen wurden überschwem­mt und waren zeitweise nicht mehr befahrbar. In Fischbach schlug zudem ein Blitz in ein Wohngebäud­e ein.

Besonders stark betroffen war der Ettenkirch­er Ortsteil Appenweile­r, wo innerhalb kürzester Zeit so viel Regen fiel, dass ein Bach, über den Niederschl­äge normalerwe­ise in die Kanalisati­on geleitet werden, ziemlich schnell nicht mehr in der Lage war, diese Aufgabe zu erfüllen. „Die Wassermass­en waren immens“, berichtet Stadtbrand­meister Louis Laurösch. Und so verwandelt­e sich die parallel zum Bach verlaufend­e Straße in einen Fluss, der laut Laurösch die Ausmaße der Rotach annahm. Das Wasser lief durch mehrere Häuser und sammelte sich am tiefsten Punkt, einer Straßenkre­uzung, die sich ebenso in einen See verwandelt­e wie eine etwa 200 Meter entfernte Buswendepl­atte. Zwei dort parkende Fahrzeuge standen bis zur Motorhaube im Wasser.

Die Einsatzkrä­fte der Feuerwehr waren parallel an mehreren Fronten gefordert: Zum einen versuchten sie, die Wassermass­en mithilfe von Sandsäcken zu kanalisier­en und gezielt abzuleiten, zum anderen pumpten sie Keller aus, um zumindest noch zu verhindern, dass diese bis zur Decke volllaufen. Bis die letzten Feuerwehrk­räfte in Appenweile­r abrücken konnten, war es vier Uhr morgens. Von insgesamt 180 Aktiven der Feuerwehr waren laut einer Pressemitt­eilung der Stadt allein 55 in Appenweile­r im Einsatz.

Unterstütz­t wurde die Feuerwehr Friedrichs­hafen, die mit allen Abteilunge­n im Einsatz war, von den Kollegen aus Meckenbeur­en, Eriskirch, Langenarge­n und Markdorf. Erforderli­ch war laut Laurösch insbesonde­re Hilfe beim Transport von Sandsäcken und Pumpen, weil die Häfler Wehr mit ihren Fahrzeugen zeitweise an mehr als 40 Einsatzort­en gefordert war. Denn auch in Kluftern,

TRAUERANZE­IGEN

Efrizweile­r, Unterrader­ach und Unterlotte­nweiler mussten Wohnungen, Keller und Tiefgarage­n ausgepumpt werden. In ein Wohngebäud­e in Fischbach schlug der Blitz ein. Menschen wurden weder dort noch bei den anderen Einsätzen verletzt.

Bei Gartenbau Friedrich in Unterrader­ach standen die Kellerräum­e von drei Gebäuden unter Wasser, der Hagel beschädigt­e zudem die Freilandku­lturen. Wie hoch diese Schäden sind, müsse erst geschätzt werden, sagt Inhaber Gerhard Friedrich. „Die Frage ist jetzt, ob die Pflanzen von einem Pilz befallen werden und wir mit Folgeschäd­en rechnen müssen“, meint er. Friedrich hat das Gefühl, mit seinem Betrieb im Epizentrum des Unwetters gestanden zu haben. „Es war wieder genau wie bei einem Unwetter vor vier Jahren“, sagt er.

Nicht anders als Gartenbau Friedrich ging es der gegenüber liegenden Firma Grossmann. „Sowas hatten wir noch nie. Unsere Keller waren zwischen 30 und 80 Zentimeter hoch mit Wasser vollgelauf­en“, sagt Inhaber Michael Grossmann. Verhängnis­vollerweis­e befindet sich im Keller das Warenlager. Das Wasser wurde abgepumpt, aber die beschädigt­en Waren müssten in Rücksprach­e mit der Versicheru­ng abgeschrie­ben werden. „Kartons sind nass geworden, teilweise müssen wir das als Zweite Wahl verkaufen“, sagt Grossmann. Stolz ist er auf sein Team von Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn. „Ich habe am Dienstagab­end in die Whatsapp-Gruppe unserer Firma geschriebe­n, wie es aussieht.

Eine Dreivierte­lstunde später war fast die komplette Mannschaft da, um zu helfen. Ohne, dass ich darum gebeten hätte.“Bis nachts um zwei arbeitete Michael Grossmann mit seinem Team, und am Mittwochmo­rgen ging es um fünf Uhr schon wieder weiter. Weil durch das Wasser die Hauptsiche­rung den Geist aufgab, konnte Grossmann am Mittwoch erst um 10.30 Uhr öffnen. Das sei auch den zuständige­n Handwerker­n zu verdanken, sagt Michael Grossmann. „Sie standen Gewehr bei Fuß.“

In Ittenhause­n, das vom großen Unwetter Ende Januar schwer getroffen worden war, hielt sich die Rotach diesmal im Zaum. „Die Rotach war hoch, aber nicht bedrohlich“, sagt Irmgard Steinberge­r, deren Grundstück direkt an die Rotach grenzt. Das Flussbett habe viel Wasser aufnehmen können, weil der Pegel vor dem Regen niedrig gewesen sei.

„Wir sind abends mit der Taschenlam­pe raus und haben nach dem Wasserstan­d geschaut – und konnten dann beruhigt ins Bett“sagt Irmgard Steinberge­r. Dass der Pegel der Rotach diesmal keine bedrohlich­e Höhe erreichte, führt Louis Laurösch auch darauf zurück, dass das Unwetter nicht vom Deggenhaus­ertal, sondern aus Richtung Ravensburg über Friedrichs­hafen hereinbrac­h.

Am Mittwochna­chmittag ging über Friedrichs­hafen erneut starker Regen nieder, bis zum frühen Abend musste die Feuerwehr aber nur noch einen weiteren vollgelauf­enen Keller auspumpen.

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FOTO: ANNA WIELAND Immense Wassermass­en verwandeln eine Kreuzung in Appenweile­r in einen See.
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FOTO: STADT FRIEDRICHS­HAFEN Auf mehr als einen halben Meter steigt das Wasser zeitweise in den Kellerräum­en von Gartenbau Friedrich in Unterrader­ach. Die Feuerwehr pumpt das Wasser ab.

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