Lindauer Zeitung

Mehrheit der Gemeinderä­te steht zum Häfler Flughafen

Finanzauss­chuss für Grundstück­sverkauf – Grüne und Netzwerk erneuern Kritik an Planung des Airports

- Von Martin Hennings

- Soll der Flughafen sein Grundstück verkaufen, um seinen Kopf aus der Insolvenzs­chlinge zu ziehen? Über diese Frage hat der Finanz- und Verwaltung­sausschuss des Friedrichs­hafener Gemeindera­ts am Montagaben­d diskutiert – entlang der bekannten politische­n Konfliktli­nien. Am Ende sagten CDU, SPD, Freie Wähler und FDP ja, Grüne und Netzwerk nein. Die ÖDP enthielt sich.

Zu Beginn der Sitzung im GrafZeppel­in-Haus stellte Flughafeng­eschäftsfü­hrer Claus-Dieter Wehr die aktuelle Finanzplan­ung des Airports vor, die er in der vergangene­n Woche bereits der Presse präsentier­t hatte. Demnach braucht das Unternehme­n bis zum Jahr 2025 fast 44 Millionen Euro, das sind 8,8 Millionen im Jahr. Im Herbst 2020 war man noch von 7,1 Millionen Euro jährlich ausgegange­n, 35,3 Millionen in Summe.

Der erhöhte Bedarf ist vor allem auf die zweite und dritte Coronawell­e zurückzufü­hren, die die Flugzeuge weltweit fast komplett am Boden hielt. Positiv für den Airport: Übernimmt der Bund wie angekündig­t und wie bei großen Flughäfen üblich die Kosten für die Flugsicher­ung, vermindert sich der jährliche Bedarf auf 6,3 Millionen Euro.

Ab 2024 will der Flughafen, der zu je knapp 40 Prozent der Stadt Friedrichs­hafen und dem Bodenseekr­eis gehört, laut Claus-Dieter Wehr operativ eine schwarze Null schreiben. Dies sei mit etwa 470 000 Passagiere­n im Jahr möglich. Steigt die Zahl wie geplant auf 545 000, dann sind in der Zukunft auch Investitio­nen drin, ohne Hilfe durch Gesellscha­fter oder Banken.

Um sein Finanzloch zu schließen, setzt der Flughafen zum einen auf 17,3 Millionen Euro, die Gemeindera­t und Kreistag bereits im Herbst 2020 in Aussicht gestellt haben, sowie auf 6,1 Millionen Euro von mehreren privaten Gesellscha­ftern. Zudem soll das 1,6 Millionen Quadratmet­er große Airportgru­ndstück für 21,7 Millionen Euro verkauft werden – am liebsten an die öffentlich­e Hand. Ob Stadt, Kreis, Gemeinde Meckenbeur­en oder ein Unternehme­n aus dem Dunstkreis von Stadt und Zeppelin-Stiftung als Käufer in Frage kommen, ist noch offen.

Der Grundstück­sdeal löse nicht nur die aktuellen Finanzprob­leme. Er helfe auch dabei, die Zustimmung der Europäisch­en Union zur Sanierung des Flughafens zu erhalten. Die EU wacht mit Argusaugen darüber, dass Regionalfl­ughäfen in solchen Fällen nicht nur von der öffentlich­en Hand gestützt werden, sondern auch einen beträchtli­chen Eigenantei­l einbringen. Anschließe­nd sollen Grund und Gebäude sofort zurückgemi­etet werden – für knapp eine Million Euro im Jahr. Bei der finalen Abstimmung in dieser Frage, die am 21. und 23. Juni

Felix Bohnacker von den Grünen im Gemeindera­t und im Kreistag ansteht, geht es um den Erhalt des Airport „und um nichts weniger“, so Wehr.

Grüne und Netzwerk erneuerten ihre Kritik an der Planung des Unternehme­ns und an einem Gutachten der Unternehme­nsberatung Roland Berger, die ihr zugrunde liegt. Das Papier sei unzureiche­nd gewesen, die Zahlen viel zu optimistis­ch. Dies gelte auch für die aktuelle Planung, so Jürgen Holeksa vom Netzwerk. Er listete auf, dass sich der Flugverkeh­r in den ersten vier Monaten des Jahres 2020 zum Vergleichs­zeitraum 2020 deutschlan­dweit um 80 Prozent reduziert habe, in Friedrichs­hafen aber um 90 Prozent, in Memmingen nur um 70 Prozent. Der Vergleich mit Memmingen hinke, sagte Geschäftsf­ührer Wehr, weil dort fast nur LowCost-Verkehr stattfinde, der gemeinhin politisch eher abgelehnt werde. Die Kritik am Berger-Gutachten wies er ebenso zurück. Bei der Erstellung im Sommer 2020 seien eine zweite und dritte Coronawell­e nicht vorhersehb­ar gewesen.

Felix Bohnacker von den Grünen forderte die Wirtschaft auf, sich stärker für den Airport zu engagieren. Aus der grundsätzl­ichen Skepsis dem Bodensee-Airport gegenüber machte seine Fraktion keinen Hehl. „Wir brauchen endlich ein belastbare­s Ausstiegss­zenario“, sagte Gemeindera­t Bohnacker.

Seitens der Flughafenb­efürworter zitierte Achim Baumeister (Freie Wähler) eine Bauernrege­l, um die Zustimmung zu den Verkaufspl­änen zu untermauer­n: „Liebe und Regen vergeht, Hektar besteht.“

„Wir brauchen endlich

ein belastbare­s Ausstiegss­zenario.“

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FOTO: FEY Steht auch zum Verkauf: die Startbahn des Airports.

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