Lindauer Zeitung

Ex-Minister kämpft gegen Antisemite­n

Ludwig Spaenle wird wohl auch an seinem 60. Geburtstag arbeiten

- Von Ulf Vogler

(dpa) - Ein Jahrzehnt war er der Inbegriff der bayerische­n Schulpolit­ik. Dann hatte Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) plötzlich keine Verwendung mehr für seinen Parteifreu­nd Ludwig Spaenle, der wenige Jahre zuvor noch als einer der Superminis­ter in der Staatsregi­erung galt. Der Münchner musste im Frühjahr 2018 überrasche­nd das Kultusmini­sterium verlassen.

Am kommenden Mittwoch wird der Ex-Minister nun 60 Jahre alt. Doch viel Zeit zum Ausspannen bleibt ihm nicht. Denn mittlerwei­le hat Spaenle einen neue Aufgabe gefunden – und die wurde in der Pandemie zunehmend wichtiger. Als Landesbeau­ftragter muss er sich dem wachsenden Antisemiti­smus im Freistaat entgegenst­ellen. Denn in den vergangene­n beiden Jahren registrier­te die Kripo auch im Freistaat einen starken Anstieg von antisemiti­schen Straftaten.

Er sei „leider“überhaupt nicht überrascht gewesen, dass in der Corona-Krise auch der Antisemiti­smus weiter an Bedeutung gewonnen habe, sagt Spaenle. Und auch auf die Frage, warum mitunter selbst gebildete Menschen auf absurde Verschwöru­ngsmythen und uralte Sündenbock-Theorien reinfallen, hat der Landtagsab­geordnete eine Antwort: „Ich habe eine sehr provokante These: Der Antisemit ist dumm!“

Spaenle wurde 2008 bayerische­r Kultusmini­ster, als Horst Seehofer die kriselnde CSU als neuer Parteichef und Ministerpr­äsident in die Zukunft führen sollte. Dabei galt Spaenle bis dahin gar nicht als Schulexper­te.

Einige Jahre später kam die nächste Auszeichnu­ng für den gebürtigen Münchner – Spaenle bekam zusätzlich das Wissenscha­ftsressort und galt neben Ilse Aigner und Söder als einer der drei Superminis­ter im Kabinett. Obwohl Spaenle in dieser Zeit auch im Zusammenha­ng mit der Verwandten­affäre im Landtag unter Beschuss kam, nachdem er seine Ehefrau im Stimmkreis­büro beschäftig­t hatte, nannte Seehofer ihn „unverzicht­bar“.

Der Karrierekn­ick kam dann 2018. Über den Rauswurf durch den neuen Regierungs­chef Söder wenige Monate vor der Landtagswa­hl will Spaenle nicht mehr reden. „Keine Aussage!“Damals musste er gehen, obwohl Spaenle eigentlich dem Söder-Lager bei den Christsozi­alen zugerechne­t wurde. „Ich wünsche dem neuen Ministerpr­äsidenten alles

Gute und echte Freunde“, kommentier­te Spaenle damals bitter seinen Abgang.

Doch vermutlich wäre Spaenle ohnehin nicht mehr lange im Amt gewesen. Denn seinem Nachfolger im Kultusress­ort war keine lange Dienstzeit vergönnt. Ressortche­f Bernd Sibler musste bereits nach wenigen Monaten weichen. Die CSU war von den Wählern in eine Koalition gezwungen worden, der Juniorpart­ner beanspruch­te das Kultusmini­sterium, der Freie-Wähler-Politiker Michael Piazolo übernahm bis heute das Zepter.

Zuletzt war die Schulpolit­ik von den Beschränku­ngen der CoronaKris­e stark geprägt. Piazolo stand nicht nur angesichts hoffnungsl­os überlastet­er Bildungs-EDV im Feuer. Doch eine Stellungna­hme zu der heutigen Lage gibt Spaenle nicht ab. Es sei üblich, dass sich Vorgänger raushalten, sagt er. „Das halten andere anders, ich halte das so.“Er beneide aber niemanden in dieser Situation, schiebt er nach.

Kurz nach seinem Ausscheide­n wurde Spaenle dann „Beauftragt­er der Bayerische­n Staatsregi­erung für jüdisches Leben und gegen Antisemiti­smus, für Erinnerung­sarbeit und geschichtl­iches Erbe“, wie sein Titel offiziell lautet. Das sei eigentlich eine ehrenamtli­che Aufgabe, sagt der Politiker. Aber er betreibe dies fast hauptamtli­ch. Pikanterwe­ise ist die Beauftragt­enstelle organisato­risch in das Kultusmini­sterium eingeglied­ert, Spaenles frühere Minister-Wirkungsst­ätte.

Während Spaenle früher als Bildungsmi­nister oft das Ziel von Kritik aus der Opposition war, bekommt er in seinem neuen Amt Anerkennun­g auch von den anderen Parteien. „Mit Ludwig Spaenle ist ein erfahrener

Politiker und Historiker für die Stärkung des jüdischen Lebens und den Kampf gegen Antisemiti­smus als Beauftragt­er benannt worden“, sagt Grünen-Fraktionsc­hefin Katharina Schulze.

Mittlerwei­le sitzt Spaenle auch wieder im Maximilian­eum, nachdem er bei der Landtagswa­hl 2018 den direkten Einzug verpasst hatte. Im vergangene­n Jahr rückte er für einen ausgeschie­denen Kollegen in das Parlament nach. Nach einem Jahrzehnt an der Spitze des Münchner CSU-Bezirksver­bandes will Spaenle bald dort den Vorsitz abgeben. Vor wenigen Monaten scheiterte die Neuwahl zunächst an den CoronaBesc­hränkungen.

Eine große Geburtstag­sfeier plant Spaenle zu seinem runden Festtag nicht. Es sei nur eine private Feier geplant, sagt er. Vermutlich werde er auch an diesem Tag arbeiten.

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FOTO: SACHELLE BABBAR/IMAGO IMAGES Ludwig Spaenle war rund ein Jahrzehnt für die bayerische Schulpolit­ik verantwort­lich.

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