Dem Fernbahnhof fehlt die Infrastruktur
Kaum wettergeschützte Wartemöglichkeiten, kein WC – Stadt will in Reutin nachjustieren
- Kaum wettergeschützte Wartemöglichkeiten, unzureichende Beschilderung, keine Toiletten: Wenn es nach Fahrgast Wolfgang Paul geht, verdient der neue Bahnhof Lindau-Reutin die Bezeichnung „Fernbahnhof“ganz und gar nicht.
Den gebürtigen Lindauer zieht es regelmäßig in seine alte Heimat zurück. Prinzipiell reist er gerne mit der Bahn aus dem Raum Ulm an. Als er im strömenden Regen in Reutin seinen Anschluss an den Inselbahnhof verpasste, fielen ihm die Schwachstellen des neuen Bahnhofs umso deutlicher auf.
„Es besteht keine Aufenthaltsmöglichkeit für Fahrgäste während der Wartezeit, vor allem nicht bei Regen und Kälte“, sagt er. Den alten Bahnhof fand er blau angestrichen und abgesperrt vor. „Es gibt keine Möglichkeit, sich bei schlechtem Wetter zu verkriechen“, sagt der 73Jährige. Öffentliche Toiletten gibt es am Bahnhofsgelände auch nicht. Weil Paul unter diesen Voraussetzungen nicht auf den nächsten Zug zur Insel warten wollte, beschloss er, sich auf den Weg zu machen.
Vor dem Bahnhof habe er allerdings keine Bushaltestelle und keinen Taxistand gefunden, sodass er sich entschloss, trotz des Wetters und seines Gepäcks aufzubrechen und die rund zwei Kilometer weite Strecke zu Fuß zurückzulegen. „Erst am nächsten Tag habe ich erfahren, dass sich die Haltestelle in der Rickenbacher Straße befindet, völlig abseits vom Bahnhof in einer Nebenstraße – und darauf gibt es im Bahnhof keinerlei Hinweis“, sagt Paul.
Durch dieses Erlebnis sei er zu der Ansicht gekommen, dass dem neuen Bahnhof jegliche Infrastruktur fehle, die zu einem Fernbahnhof gehören sollte. Die Situation sei unzumutbar und entspreche in keiner Weise der Bedeutung eines Fernbahnhofs. „Man hat vergessen, diesen Bahnhof zu einem Bahnhof zu machen. Mit dieser Infrastruktur könnte er auch in Kleinkuhdorf stehen“, sagt er.
Bei der Deutschen Bahn hält man die Ausstattung des Bahnhofs Lindau-Reutin offenbar für ausreichend. „Der neue barrierefreie Bahnhof Lindau-Reutin hat zwei überdachte Mittelbahnsteige,
die mit Sitzbänken ausgestattet sind. Im nicht überdachten Bereich an Gleis 23 stehen zwei Wetterschutzanlagen“, teilt die Pressestelle des Unternehmens auf Anfrage der Lindauer Zeitung mit. Außerdem seien die beiden Bahnsteige mit einem Steg verbunden. Auch in diesem Bereich sei ein wettergeschütztes Warten möglich.
Barrierefrei ist der Bahnhof allerdings nur, wenn alle Aufzüge funktionieren. Allerdings war einer davon bereits wenige Monate nach der Inbetriebnahme für längere Zeit kaputt. Konkret bedeutet das, dass 42 Treppenstufen überwunden werden müssen, um auf den Verbindungssteg in sechs Metern Höhe zu steigen.
Was für Reisende mit schwerem Gepäck unbequem sein mag, ist für Menschen im Rollstuhl jedoch schlicht unüberwindbar. Für sie waren aufgrund des defekten Aufzugs die Gleise 22, 23 und 24 während dieser Zeit nur umständlich zu erreichen. Sie mussten entweder vom Inselbahnhof starten, um zum hinteren Bahnsteig des Reutiner Bahnhofs zu gelangen, oder an ihre Reise noch eine Fahrt zum Inselbahnhof dranhängen, um vom Bahnsteig herunterzukommen.
Auch die Stadt Lindau hätte sich für Reutin einen besser ausgestatteten
Fahrgast Wolfgang Paul Bahnhof gewünscht. „Möglichst viele wettergeschützte Möglichkeiten, auch auf dem Vorplatz, sind immer wünschenswert“, sagt Jürgen Widmer, Pressesprecher der Stadt Lindau. Doch die Bahn mache nur, was unbedingt erforderlich sei.
Die Stadtverwaltung wolle sich darum kümmern, dass es wieder ein öffentliches WC am Bahnhof gibt. Derzeit werde untersucht, ob die bestehenden Toiletten im alten Bahnhofsgebäude wieder in Betrieb genommen werden können, bis das Gebäude abgerissen wird. Sie sind derzeit stillgelegt. „Wir prüfen momentan, ob wir die Toiletten mit bescheidenen finanziellen Mitteln wenigstens für eine Übergangszeit nutzbar machen können“, sagt Widmer.
Sobald das alte Bahnhofsgebäude abgerissen wird, sollen Toilettencontainer aufgestellt werden. Doch dazu müsse die Stadt warten, bis die geeignete Fläche frei wird, denn den Platz vor dem Bahnhofsgebäude nutzt die Bahn noch als Lagerplatz für Baumaterialien. Auch der Taxistand und die Behindertenparkplätze, die sich jetzt seitlich versetzt befinden, sollen dann direkt vor den Bahnhof verlegt werden. „Die Probleme
sind uns bewusst, aber uns fehlt momentan die Möglichkeit, sie zu lösen“, sagt Widmer.
Auch Oberbürgermeisterin Claudia Alfons hatte sich im LZ-Interview zum Bahnhof geäußert. „Jetzt wollen wir das städtebaulich weiterentwickeln und dort eine Nutzung unterbringen, wie man sie in einem Bahnhof erwartet“, sagte sie. „Dazu gehören Kiosk, Kaffee und Bäckerei, aber auch Gewerbeflächen.“
Trotz aller Probleme: Nach Ansicht der Stadtverwaltung sei der Bahnhof Reutin gut an den Stadtbusverkehr angeschlossen. Allerdings sagt Widmer auch, dass die Beschilderung nicht ausreicht. „Das ist noch nicht ganz optimal, da wollen wir nachjustieren, damit auch Ortsfremde genauer geführt werden“, sagt er.
Fahrgast Wolfgang Paul hofft, dass die Situation am Reutiner Bahnhof deutlich verbessert wird. „Der Bahnhof ist noch neu, da muss noch einiges passieren“, sagt er. „Nach meiner Ansicht erreicht die neue Bahnanlage lediglich, dass Lindau vom Fernreiseverkehr ,abgehängt’ wird. Eine solche Entwicklung kann weder im Interesse der DB noch in dem der Stadt Lindau liegen.“
Jürgen Widmer, Pressesprecher der
Stadt Lindau
„Man hat vergessen, diesen Bahnhof zu einem Bahnhof zu machen. Mit dieser Infrastruktur könnte er auch in Kleinkuhdorf
stehen.“
„Wir prüfen momentan, ob wir die Toiletten mit bescheidenen finanziellen Mitteln wenigstens für eine Übergangszeit nutzbar
machen können.“