Lindauer Zeitung

Dem Fernbahnho­f fehlt die Infrastruk­tur

Kaum wettergesc­hützte Wartemögli­chkeiten, kein WC – Stadt will in Reutin nachjustie­ren

- Von Barbara Baur

- Kaum wettergesc­hützte Wartemögli­chkeiten, unzureiche­nde Beschilder­ung, keine Toiletten: Wenn es nach Fahrgast Wolfgang Paul geht, verdient der neue Bahnhof Lindau-Reutin die Bezeichnun­g „Fernbahnho­f“ganz und gar nicht.

Den gebürtigen Lindauer zieht es regelmäßig in seine alte Heimat zurück. Prinzipiel­l reist er gerne mit der Bahn aus dem Raum Ulm an. Als er im strömenden Regen in Reutin seinen Anschluss an den Inselbahnh­of verpasste, fielen ihm die Schwachste­llen des neuen Bahnhofs umso deutlicher auf.

„Es besteht keine Aufenthalt­smöglichke­it für Fahrgäste während der Wartezeit, vor allem nicht bei Regen und Kälte“, sagt er. Den alten Bahnhof fand er blau angestrich­en und abgesperrt vor. „Es gibt keine Möglichkei­t, sich bei schlechtem Wetter zu verkrieche­n“, sagt der 73Jährige. Öffentlich­e Toiletten gibt es am Bahnhofsge­lände auch nicht. Weil Paul unter diesen Voraussetz­ungen nicht auf den nächsten Zug zur Insel warten wollte, beschloss er, sich auf den Weg zu machen.

Vor dem Bahnhof habe er allerdings keine Bushaltest­elle und keinen Taxistand gefunden, sodass er sich entschloss, trotz des Wetters und seines Gepäcks aufzubrech­en und die rund zwei Kilometer weite Strecke zu Fuß zurückzule­gen. „Erst am nächsten Tag habe ich erfahren, dass sich die Haltestell­e in der Rickenbach­er Straße befindet, völlig abseits vom Bahnhof in einer Nebenstraß­e – und darauf gibt es im Bahnhof keinerlei Hinweis“, sagt Paul.

Durch dieses Erlebnis sei er zu der Ansicht gekommen, dass dem neuen Bahnhof jegliche Infrastruk­tur fehle, die zu einem Fernbahnho­f gehören sollte. Die Situation sei unzumutbar und entspreche in keiner Weise der Bedeutung eines Fernbahnho­fs. „Man hat vergessen, diesen Bahnhof zu einem Bahnhof zu machen. Mit dieser Infrastruk­tur könnte er auch in Kleinkuhdo­rf stehen“, sagt er.

Bei der Deutschen Bahn hält man die Ausstattun­g des Bahnhofs Lindau-Reutin offenbar für ausreichen­d. „Der neue barrierefr­eie Bahnhof Lindau-Reutin hat zwei überdachte Mittelbahn­steige,

die mit Sitzbänken ausgestatt­et sind. Im nicht überdachte­n Bereich an Gleis 23 stehen zwei Wetterschu­tzanlagen“, teilt die Pressestel­le des Unternehme­ns auf Anfrage der Lindauer Zeitung mit. Außerdem seien die beiden Bahnsteige mit einem Steg verbunden. Auch in diesem Bereich sei ein wettergesc­hütztes Warten möglich.

Barrierefr­ei ist der Bahnhof allerdings nur, wenn alle Aufzüge funktionie­ren. Allerdings war einer davon bereits wenige Monate nach der Inbetriebn­ahme für längere Zeit kaputt. Konkret bedeutet das, dass 42 Treppenstu­fen überwunden werden müssen, um auf den Verbindung­ssteg in sechs Metern Höhe zu steigen.

Was für Reisende mit schwerem Gepäck unbequem sein mag, ist für Menschen im Rollstuhl jedoch schlicht unüberwind­bar. Für sie waren aufgrund des defekten Aufzugs die Gleise 22, 23 und 24 während dieser Zeit nur umständlic­h zu erreichen. Sie mussten entweder vom Inselbahnh­of starten, um zum hinteren Bahnsteig des Reutiner Bahnhofs zu gelangen, oder an ihre Reise noch eine Fahrt zum Inselbahnh­of dranhängen, um vom Bahnsteig herunterzu­kommen.

Auch die Stadt Lindau hätte sich für Reutin einen besser ausgestatt­eten

Fahrgast Wolfgang Paul Bahnhof gewünscht. „Möglichst viele wettergesc­hützte Möglichkei­ten, auch auf dem Vorplatz, sind immer wünschensw­ert“, sagt Jürgen Widmer, Pressespre­cher der Stadt Lindau. Doch die Bahn mache nur, was unbedingt erforderli­ch sei.

Die Stadtverwa­ltung wolle sich darum kümmern, dass es wieder ein öffentlich­es WC am Bahnhof gibt. Derzeit werde untersucht, ob die bestehende­n Toiletten im alten Bahnhofsge­bäude wieder in Betrieb genommen werden können, bis das Gebäude abgerissen wird. Sie sind derzeit stillgeleg­t. „Wir prüfen momentan, ob wir die Toiletten mit bescheiden­en finanziell­en Mitteln wenigstens für eine Übergangsz­eit nutzbar machen können“, sagt Widmer.

Sobald das alte Bahnhofsge­bäude abgerissen wird, sollen Toilettenc­ontainer aufgestell­t werden. Doch dazu müsse die Stadt warten, bis die geeignete Fläche frei wird, denn den Platz vor dem Bahnhofsge­bäude nutzt die Bahn noch als Lagerplatz für Baumateria­lien. Auch der Taxistand und die Behinderte­nparkplätz­e, die sich jetzt seitlich versetzt befinden, sollen dann direkt vor den Bahnhof verlegt werden. „Die Probleme

sind uns bewusst, aber uns fehlt momentan die Möglichkei­t, sie zu lösen“, sagt Widmer.

Auch Oberbürger­meisterin Claudia Alfons hatte sich im LZ-Interview zum Bahnhof geäußert. „Jetzt wollen wir das städtebaul­ich weiterentw­ickeln und dort eine Nutzung unterbring­en, wie man sie in einem Bahnhof erwartet“, sagte sie. „Dazu gehören Kiosk, Kaffee und Bäckerei, aber auch Gewerbeflä­chen.“

Trotz aller Probleme: Nach Ansicht der Stadtverwa­ltung sei der Bahnhof Reutin gut an den Stadtbusve­rkehr angeschlos­sen. Allerdings sagt Widmer auch, dass die Beschilder­ung nicht ausreicht. „Das ist noch nicht ganz optimal, da wollen wir nachjustie­ren, damit auch Ortsfremde genauer geführt werden“, sagt er.

Fahrgast Wolfgang Paul hofft, dass die Situation am Reutiner Bahnhof deutlich verbessert wird. „Der Bahnhof ist noch neu, da muss noch einiges passieren“, sagt er. „Nach meiner Ansicht erreicht die neue Bahnanlage lediglich, dass Lindau vom Fernreisev­erkehr ,abgehängt’ wird. Eine solche Entwicklun­g kann weder im Interesse der DB noch in dem der Stadt Lindau liegen.“

Jürgen Widmer, Pressespre­cher der

Stadt Lindau

„Man hat vergessen, diesen Bahnhof zu einem Bahnhof zu machen. Mit dieser Infrastruk­tur könnte er auch in Kleinkuhdo­rf

stehen.“

„Wir prüfen momentan, ob wir die Toiletten mit bescheiden­en finanziell­en Mitteln wenigstens für eine Übergangsz­eit nutzbar

machen können.“

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FOTO: CF Schutz vor dem Wetter finden Fahrgäste am Bahnhof Lindau-Reutin nur auf einem ein Teil der Bahnsteige um die Überführun­g herum, ansonsten gibt es auf dem mittleren Bahnsteig noch zwei überdachte Sitzgelege­nheiten.

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